Temperaturanzeige an einem Rohr, Gasspeicher Wolfersberg, Bayern Symbolbild, Archivbild 23.06.2022

Gasspeicher zu 75 Prozent befüllt - bedeutet das jetzt Entwarnung?

Stand: 14.08.2022, 17:35 Uhr

Zwei Wochen früher als geplant haben die deutschen Gasspeicher laut der Betreiber einen Füllstand von 75 Prozent erreicht. Ist das bereits die Entwarnung für den Winter?

75,43 Prozent - das ist der aktuelle Füllstand der deutschen Gasspeicher. Damit wurde das Etappenziel zwei Wochen früher als vorgeschrieben erreicht. "Wir haben das erste Zwischenziel vor der Zeit erreicht. Das ist erfreulich", sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. 

In der vergangenen Woche hatte Müller explizit Verbraucher ermahnt, sparsamer zu sein. Bislang liege der Gas-Verbrauch nur 14 Prozent niedriger als im Vorjahr. Doch Deutschland müsse 20 Prozent schaffen.

Klaus Müller: "Nicht nachlassen"

Allerdings gab der Behörden-Chef auch am Sonntag keine Entwarnung - trotz erfreulicher Füllstände. Nun gelte es, nicht nachzulassen. Die nächsten Ziele seien ambitioniert. So wurde per Verordnung festgelegt, dass die deutschen Speicher

  • am 1. September zu mindestens 75 Prozent
  • am 1. Oktober zu mindestens 85 Prozent
  • am 1. November zu mindestens 95 Prozent

gefüllt sein müssen. Die Speicher gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden damit eine Art Puffersystem für den Gasmarkt. Die bei einem Füllstand von 95 Prozent gespeicherte Gasmenge entspricht etwa dem bundesweiten Verbrauch im Januar und Februar 2022.

Sollte weiterhin im gleichen Tempo wie zuletzt eingespeichert werden, dürfte die Marke von 85 Prozent schon vor dem 1. Oktober erreicht werden. Allerdings: Bei Normaltemperaturen im Oktober wird sich die beginnende Heizsaison stark auf die Einspeichermöglichkeiten auswirken, sagte Sebastian Bleschke. Er ist Geschäftsführer des Speicherverbandes Ines. Aufgrund der stark reduzierten Gasimporte sei es daher möglich, dass dieses Füllstandsziel verfehlt werde.

Wie lange reicht das Gas?

Bei normalen Temperaturen und den reduzierten Gaslieferungen über Nord Stream 1 könne das gespeicherte Gas schon im März oder April aufgebraucht sein, warnte Bleschke. "Sollte Russland die Gaslieferungen ganz einstellen, schon früher."

Noch pumpt Russland Erdgas nach Deutschland. Seit über zwei Wochen ist die wichtige Ostseepipeline Nord Stream 1 jedoch nur noch zu rund 20 Prozent ausgelastet. Der russische Gaskonzern macht technische Gründe dafür verantwortlich, die Bundesregierung hält dies für vorgeschoben.

Und was, wenn die Gasspeicher nicht gut genug gefüllt sind?

Wenn das Gas nicht ausreicht, um die Nachfrage von Haushalten und Unternehmen zu decken, wird die Bundesnetzagentur das Gas rationieren. Bedeutet das, dass Verbraucher im Winter frieren müssen? Zumindest ist nicht ausgeschlossen, dass ihnen der Gashahn zugedreht wird. Aber zunächst würde die Rationierung Unternehmen treffen - und zwar solche, bei denen mit geringen Folgeschäden zu rechnen ist.

Doch auch das hat Auswirkungen auf Verbraucher. Denn: Wenn Gas rationiert wird, das Angebot sinkt, werden die Preise weiter in die Höhe klettern. Dann werden viele Menschen den Gürtel wohl enger schnallen müssen.

Das dürfte in den wirtschaftlichen Abschwung führen: "Wenn es zu Mengen-Rationierungen beim Gas kommt, werden wir Anfang nächsten Jahres in eine Rezession rutschen", sagt Ökonom Torsten Schmidt vom RWI aus Essen. Der Abschwung müsse zwar nicht stark sein, sei dann aber unvermeidlich.

Ist es denn wahrscheinlich, dass es zu Engpässen kommt?

"Die Lage ist angespannt, das muss man so sagen", sagt Schmidt. Doch die Speicherfüllstände würde ausreichen, um durch die heizintensiven Monate zu kommen. Schwierig würde es, wenn nicht genug Energie gespart wird und keine alternativen Gas-Lieferanten gefunden werden.

Torsten Schmidt, RWI

Torsten Schmidt, RWI

Danach sieht es, zumindest momentan, nicht aus. Ein Grund zum Zurücklehnen ist das aber nicht: Deutschland sollte sich weiterhin auf den Ernstfall vorbereiten. Auch, um die Gas-Probleme nicht in die Zukunft zu verschieben.

"Die Füllstände sind ermutigend", sagt RWI-Forscher Torsten Schmidt. Aber: Wenn sie einmal leer sind, werde es immer schwieriger, sie wieder aufzufüllen. Die Probleme würden somit auf das kommende Jahr verschoben, wenn nicht genug gespart wird.

Weitere Themen