"Fünfte Kolonne Putins"? Was Ostermarschierer zur Lambsdorff-Kritik sagen

Stand: 16.04.2022, 16:06 Uhr

Auf Ostermärschen in NRW demonstrierten Menschen angesichts des brutalen Kriegs in der Ukraine für Frieden und Abrüstung. Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff bezeichnet sie indes als "fünfte Kolonne Putins". Wie Demonstrierende darauf reagierten.

Es zieht sie auf die Straßen, um für Frieden zu demonstrieren. Wie alle Jahre an Ostern. Doch dieses Mal ist alles anders - es herrscht Krieg in der Ukraine. Die Bundesregierung will die Rüstungshilfe für das Land, das seit Wochen unter Dauerbeschuss von russischen Militäreinheiten steht, um mehr als eine Milliarde aufstocken. Davon unbeirrt halten die Ostermarschierer ihre Forderung nach Abrüstung aufrecht. FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff wirft ihnen vor, damit indirekt Russlands Machthaber Wladmir Putin zu unterstützen.

400 Menschen bei Ostermarsch-Veranstaltung in Duisburg

Es ist Karsamstag, am Himmel von Duisburg strahlt die Sonne. In der Innenstadt haben sich rund 400 Menschen auf einem Platz versammelt - deutlich mehr als in den Vorjahren. Überall sind Flaggen mit weißen Friedenstauben auf blauem Grund zu sehen. "Krieg ist keine Lösung", heißt es unter anderem auf Transparenten.

WDR-Reporter sprechen mit Demonstrierenden und konfrontieren sie mit der Kritik von Lambsdorff, der Teilnehmer der Ostermärsche als "fünfte Kolonne Wladimir Putins" bezeichnet. Felix Oekentorp (58) reagiert darauf, wie er sagt, "mit einem gepflegten Schmunzeln". Als fünfte Kolonne Moskaus seien Ostermarschierer schon vor Jahrzehnten bezeichnet worden, "das stimmte schon damals nicht und jetzt sind wieder alte Kamellen aufgewärmt worden."

Oekentorp stellt klar: "Wir sind eine Friedensbewegung. Wir wollen, dass verhandelt wird. Wir wollen, dass die Waffen schweigen." Die Ostermarschierer sähen sich nicht als Parteigänger, der Partei von Putin schon gar nicht. Aber auch nicht der des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Wir wollen, dass verhandelt wird. Wir wollen, dass die Waffen schweigen. Felix Oekentorp

Ralf Kubernus (50) aus Duisburg findet, die Ostermarschierer dürften sich nicht auseinanderbringen lassen in der Grundmeinung, dass Krieg keine Lösung ist. Wichtig sei, einen Grundkonsens herzustellen, "dass man sagt, mit Aufrüstung, mit weiteren Waffen, das geht einfach nicht."

Marta (18) findet es traurig, dass "so wenige junge Menschen" bei der Ostermarsch-Veranstaltung in Duisburg dabei sind. Gerade die junge Generation sei es, die sagen müsse, dass es so nicht weitergehen könne.

Michael Patzelt (64) aus Duisburg gibt sich angesichts der Lambsdorff-Kritik gelassen. "Weltanschaulich liegen wir weit auseinander, das schockt mich nicht mehr. Ich weiß ja, wer das sagt."

Iserlohn: Erster Ostermarsch seit 30 Jahren

Auch in anderen Städten in NRW und in anderen Teilen Deutschlands gingen am Karsamstag Ostermärsche über die Bühne. Etwa in Iserlohn und Hemer - und dort übrigens erstmals seit mehr als 30 Jahren. Angemeldet waren rund 200 Menschen, gekommen sind 80. Viele empfinden den Krieg in der Ukraine als derart bedrückend, dass sie Flagge zeigen - bevor es zu spät ist. Sie fordern: Verhandeln statt schießen.

Beim Ostermarsch von Hemer nach Iserlohn dabei war etwa Katja Schönenberg (50). Dem WDR sagte sie, als Christin sei ihr Pazifismus "sehr wichtig. Wir sollten den Krieg nicht finanziell unterstützen." Statt Waffen müsse es ein Embargo gegen russische Energie geben. Dafür müsse dann eben der Wohlstand in Deutschland zurückgeschraubt werden. "Das ist unsere Solidarität in diesem Krieg für Menschen, die unsere Freiheit hochhalten."

Käßmann verteidigt Friedensdemos zu Ostern

Die ehemalige EKD-Vorsitzende Margot Käßmann verteidigte am Samstag die Friedensdemonstrationen zu Ostern. Es sei nicht gerecht, Menschen, die sich seit Jahrzehnten für Frieden einsetzten, vorzuwerfen sie, sie stünden auf der Seite Russlands, sagte die Theologin bei "NDR Info". Mehr Waffenlieferungen würden auch aus ihrer Sicht nicht zu einem Ende des Krieges führen. Im Gegenteil: Er könnte sogar weiter eskalieren. Stattdessen müsste mehr Druck auf zivilgesellschaftliche Organisationen in Russland ausgeübt werden.

Über die Ostermärsche in NRW berichtet das WDR-Fernsehen am 16.4. in der Aktuellen Stunde.