Windräder am Haarstrang im Sommer in Nordrhein-Westfalen

Windkraft, Sonne - oder Fracking? Schwierige Suche nach Energie-Alternativen

Stand: 10.04.2022, 16:18 Uhr

In Deutschland wird derzeit diskutiert, wie man schnell unabhängig von russischem Gas werden könnte. Aus Bayern kommt ein Vorschlag zum umstrittenen Fracking - in NRW werden Erinnerungen wach.

Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wird in der EU gerade auf Hochtouren über den Stopp von Energielieferungen aus Russland debattiert. Fachleute haben bereits vor schweren wirtschaftlichen Folgen eines Lieferstopps für russisches Gas gewarnt. Auch die deutsche Industrie ist alarmiert, die Chemie- und die Pharmabranche rechnen bei einem Gas-Embargo mit Produktionsausfällen.

Jetzt prescht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit einer ganz anderen Idee nach vorn. Er will die umstrittene Fracking-Technologie zur Gasgewinnung in Deutschland "ergebnisoffen prüfen".

Söder: "Verbote könnte man aufheben"

"Die Amerikaner haben sich durch Fracking vom Nahen Osten völlig unabhängig gemacht", sagte der CSU-Chef den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir müssen ergebnisoffen prüfen, was geht und sinnvoll ist. Verbote könnte man aufheben. Wir haben als Volksvertreter sogar die verfassungsmäßige Pflicht, in solch außergewöhnlichen Krisenzeiten alle Optionen unvoreingenommen im Blick zu haben."

Was passiert beim Fracking?

Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst. Mit diesem Verfahren lässt sich Erdgas aus undurchlässigem Gestein lösen. Diese Methode der Gasgewinnung ist jedoch umstritten.

Plakat mit Aufschrift "Stop Fracking" steht auf einer Wiese.

Protest gegen Fracking in NRW

Schon vor Jahren wurde das Thema in NRW leidenschaftlich diskutiert. Menschen protestierten gegen Fracking, die Naturschutzverbände warnten vor Belastungen des Grund- und Trinkwassers, dem hohen Flächenverbrauch und die Zerstörung der Natur.  Der Bundesverband Ergas, Erdöl und Geoenergie meint hingegen: Fracking sei ein "seit Jahrzehnten bewährtes" Verfahren - "dadurch bedingte Umweltschäden sind nicht bekannt".

Der Einsatz von Fracking zur kommerziellen Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten - wie Ton-, Schiefer- und Mergelgesteinen oder in Kohleflözen - ist in Deutschland derzeit verboten.

Alternative: Flüssiggas aus den USA - aus Frackingquellen

Um die Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland zu reduzieren, will die EU künftig große Mengen an Flüssiggas (LNG) importieren, aber auch das ist nicht unproblematisch. Zum einen soll Flüssiggas aus den USA kommen. Doch auch das stammt meist aus umstrittenen Frackingquellen. Außerdem hat Wirtschaftsminister Habeck zum Beispiel Vereinbarungen mit Katar getroffen, dort ist es aber nicht gut um die Menschenrechtslage bestellt.

Alternative: Windkraft - der Ausbau stockt

Neben Fracking und dem Import von Flüssiggas werden auch andere Alternativen diskutiert - vor allem der Ausbau erneuerbarer Energiequellen. Erst am vergangenen Mittwoch hatte das Bundeskabinett ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, um den Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne massiv voranzubringen.

Doch der Ausbau der Windkraft stottert. Im ersten Quartal 2022 nahm die Zahl neu genehmigter Windräder im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ab. Auch die Zahl der Windräder, die an Land neu in Betrieb gingen, sank nach vorläufigen Zahlen der Fachagentur Windenergie. Der Bundesverband Windenergie sprach von einem gefährlichen Signal und forderte einen "Turbo" für beschleunigte Verfahren.

Die meisten Windräder kamen im ersten Quartal in Schleswig-Holstein (25), Nordrhein-Westfalen (23) und Brandenburg (21) ans Netz - in Bayern dagegen war es kein einziges. Vielleicht auch, weil eine bayerische Abstandsregel die Genehmigung erschwert.

Alternative: Solarenergie - in NRW noch Luft nach oben

Fotomontage mit Blick auf einen Strommasten vor blauem Himmel mit Wolken; im rechten Bildbereich ist ein Solarpanel zu sehen.

Und wie steht es um den Solarstrom in den Bundesländern? Große Solarparks wie in Bayern sieht man zwischen Rhein und Ruhr selten. Zwar produzierte NRW 2021 mit 6.564 Megawatt den drittmeisten Solarstrom im Ländervergleich, aber Spitzenreiter Bayern erzeugte mit 16.214 Megawatt mehr als doppelt so viel. Das liegt nach Meinung des Wuppertaler Instituts auch daran, dass in Bayern mehr freie Fläche zur Verfügung stehe.

In NRW sei da noch Luft nach oben: Würden alle möglichen Flächen für Solaranlagen genutzt, könnte NRW damit drei Viertel seines Strombedarfs decken.

Warnung des Weltklimarats

Und dann muss ganz unabhängig vom Krieg in der Ukraine und Gaslieferungen aus Russland überhaupt alles sehr schnell gehen mit dem Energieumbau. Laut dem aktuellen Bericht des Weltklimarats IPCC bleiben der Menschheit nur noch wenige Jahre, um die globale Klimakatastrophe zu verhindern.

UN-Generalsekretär António Guterres warf Regierungen und Unternehmen vor, über das Ausmaß der von ihnen verursachten Klimaschäden schlicht zu "lügen". Neue Investitionen in die Infrastruktur fossiler Energie seien, so Guterres, "moralischer und ökonomischer Wahnsinn".

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Über das Thema berichtet das WDR-Fernsehen in der Aktuellen Stunde am 10. April 2022.