Flughafenchaos: Werden ausländische Hilfskräfte das Problem lösen?

Stand: 29.06.2022, 13:38 Uhr

Das derzeitige Mega-Chaos an den Flughäfen ruft jetzt sogar die Politik auf den Plan: Hilfskräfte aus der Türkei sollen mit schneller Arbeitserlaubnis im Sicherheitsbereich einspringen. Doch so einfach ist es nicht.

Von Nina Magoley

Endlose Warteschlangen vor dem Check-In, verspätete oder ganz ausfallende Flüge, verschollene Koffer - ausgerechnet zu Ferienbeginn herrscht an den Flughäfen auch in NRW totales Chaos. Die Gründe dafür sind vielfältig - vor allem fehlt Personal, das während der Pandemie in andere Branchen abgewandert ist. Wie dramatisch die Lage ist, zeigt ein offener Brief der Lufthansa an die Kunden, in dem die Airline ankündigt, dass sich die Situation in den nächsten Wochen "kurzfristig kaum verbessern" werde, auch wenn man "alles Menschenmögliche leisten" wolle.

Am Mittwochmorgen kam dann noch eine weitere Panne hinzu: Nach Auskunft der Deutschen Flugsicherung gab es in der Nacht Probleme beim Aufspielen einer neuen Flugsicherungsoftware, die ab sechs Uhr früh zu massiven Problemen in weiten Teilen des Luftverkehrs über Deutschland geführt habe.

Beim Start in den Urlaub empfindlich ausgebremst, sind viele Passagiere nur noch genervt. Aber auch das Personal an den Flughäfen ist offenbar am Limit. Er sei "einfach nur müde", beschreibt ein Mitarbeiter bei der Sicherheitskontrolle am Düsseldorfer Flughafen gegenüber dem WDR. Er und seine Kollegen müssten sich viele Beschimpfungen von Fluggästen anhören. In den meisten Schichten gäbe es außerdem derzeit viele Ausfälle. Das alles führe dazu, dass die Sicherheit "nicht mehr zu 100 Prozent zu gewährleisten" sei, sagt der Mann.

Ausländische Arbeitskräfte sollen helfen

29.06.2022, Berlin: Hubertus Heil, Volker Wissing und Nancy Faeser stellen Maßnahmen zur kurzfristigen Abhilfe der Situation an den deutschen Flughäfen vor

Minister zur Verbesserung der Lage an Flughäfen

Abhilfe sollen nun ausländische Hilfskräfte bringen. Bekannt wurde das schon am Wochenende - Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte nun am Mittwochmorgen in einer Pressekonferenz gemeinsam mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) an, wie die Politik dafür den Weg ebnen will: "Wir ermöglichen, dass die Unternehmen Hilfskräfte aus dem Ausland, vor allem aus der Türkei, einsetzen können", sagte Faser. Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse dafür sollen "sehr schnell" erteilt werden. Die Hilfskräfte aus dem Ausland müssten aber die gleichen strengen Überprüfungen durchlaufen wie normalerweise auch: "Bei der Sicherheit gibt es keine Abstriche."

Bedingung für die Unternehmen sei, dass diese Arbeitskräfte nach Tarif bezahlt würden, Leiharbeit sei ausgeschlossen, ergänzte Arbeitsminister Heil. Und "wir erwarten, dass die Menschen menschenwürdig untergebracht werden". Es handle sich um eine befristete Maßnahme, daher müssten die neuen Arbeitskräfte auch keine Sprachprüfung ablegen. Wie schnell jetzt Abhilfe käme, liege nun in der Hand der Unternehmen - "wir beschleunigen nur das Verfahren".

Arbeitsminister: Unternehmen sind schuld

Heil erinnerte daran, dass die Bundesregierung die Fluggesellschaften während der Pandemie massiv finanziell unterstützt hatten - auch mit Kurzarbeit. Dass dennoch so viele Mitarbeiter nun in andere Branchen abgewandert sind, sei Schuld der Unternehmen. Die müssten dafür sorgen, "dass sie attraktive Arbeitgeber sind", so Heil. "Es geht nicht, dass Unternehmen Probleme schaffen und dem Staat das sozusagen vor die Tür gekippt wird."

"Letztlich ist es ein privatwirtschaftliches Problem, das nur durch die Unternehmen gelöst werden kann", sagte auch Bundesverkehrsminister Wissing. Die Firmen hätten in der Pandemie viele Jobs abgebaut.

Polizei mahnt Sicherheit an

Die Polizeigewerkschaft hatte am Dienstag allerdings gewarnt: Die Luftsicherheit in der EU sei "hochangebunden", Mitarbeiter aus dem Ausland bräuchten eine Zertifikation, die den EU-Richtlinien entspreche. Diese Zuverlässigkeitsüberprüfung von Arbeitskräften aus der Türkei kann vier bis sechs Wochen dauern. Auch der Präsident des Bundesverbands der Luftsicherheitsunternehmen, Udo Hansen, äußerte sich am Mittwoch gegenüber dem WDR skeptisch, ob nun wirklich schnelle Abhilfe beim Flughafenchaos zu erwarten sei: Nach der umfangreichen Zuverlässigkeitsprüfung komme normalerweise eine viermonatige Ausbildung, die mit einer Prüfung durch die Bundespolizei abschließe.

"Bundesregierung hat Verantwortung abgegeben"

Lange Warteschlangen am Flughafen Köln/Bonn (24.06.2022)

So wie hier am Flughafen Köln/Bonn ist es nicht überall

Für das derzeit herrschende Chaos an den Flughäfen sieht Heiko Teggatz, Vorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft, auch die Bundesregierung in der Verantwortung: Hätte die nicht vor Jahren den Sicherheitsbereich an Flughäfen in die Hände privater Dienste gegeben, wären die Mitarbeiter während der Pandemie "sicher nicht" entlassen worden, sagte Teggatz im WDR. Er verweist auf Bayern: Dort gehört beispielsweise der Flughafen München zu 51 Prozent dem Land. Das bedeute Tariflohn und sichere Arbeitsplätze. An den Flughäfen München und Nürnberg herrschten deshalb derzeit nicht "diese katastrophalen Zustände" wie in anderen Teilen Deutschlands.

Doch statt einer halbstaatlichen Sicherheitsgesellschaft habe sich die Bundesregierung entschieden, "die Kernaufgabe Terrorismusbekämpfung auf den Flughäfen in private Hände zu geben". Teggatz ist überzeugt: Hilfskräfte aus der Türkei könnten die Lage jetzt vielleicht kurzfristig mildern, "langfristig aber muss die Bundesregierung umdenken".