Wie klappt's mit der Polizei in der EU?

Stand: 13.05.2019, 10:33 Uhr

Grenzkontrollen gibt es in der EU nur in Ausnahmefällen. Wie aber jagt die Polizei Gesetzesbrecher? Ein Interview mit dem EU-Sicherheitsexperten Raphael Bossong von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

WDR: Herr Bossong, wie bewerten Sie aktuell die polizeiliche Zusammenarbeit in Europa?

Raphael Bossong: Die Anschläge in Paris 2015 waren ein Wendepunkt. Seitdem werden grenzüberschreitend deutlich mehr Daten geteilt.

Die Attentäter von Paris sind damals durch die ganze EU gereist. Das hat ein Umdenken angestoßen. Die Idee war, dass wir gerade beim Datenaustausch nachziehen müssen.

WDR: Die Polizei tauscht bei der Fahndung nach Personen oder Sachen viele Informationen über das Schengener Informationssystem SIS aus. Funktioniert das System problemlos?

Bossong: Das Schengener Informationssystem ist das älteste und größte System für den polizeilichen Datenaustausch und funktioniert in der Regel ganz gut. Allerdings müssten Daten verlässlicher eingestellt werden. Zudem ist die Technik recht alt. Man muss wissen, dass in so einem Eintrag oft nicht viel drinsteht: Die Polizei braucht meist mehr Informationen, um den Fall zu bearbeiten.

WDR: Hat Brüssel diese Probleme beim Datenaustausch erkannt?

Bossong: Die EU ist gerade dabei, ein neues Gesetz zur sogenannten Interoperabilität zu verabschieden. Es geht um die Verbindung zwischen verschiedenen Datenbanken für Grenzsicherung und innere Sicherheit. So soll eine gemeinsame Suchmaske für Sicherheitsbehörden in ganz Europa entstehen.

WDR: In welchen Bereichen sollte die Zusammenarbeit der europäischen Polizeien verbessert werden?

Bossong: Wir haben in Europa eine Auseinandersetzung über Rechtsstaatlichkeit und Populismus, die sich auch auf die Polizei auswirkt. Im Kern geht es darum, dass das Vertrauen der Polizeibehörden untereinander nicht verloren gehen darf.

Außerdem könnten das Polizeirecht und das Strafrecht in Europa stärker harmonisiert werden. Und es wäre wichtig, dass die Ausbildung der Polizei überall eine europäische Komponente enthält.

WDR: Gibt es Regionen in der EU, in denen die Zusammenarbeit besser klappt?

Bossong: Für eine Zusammenarbeit über Grenzen hinweg müssen sich die Menschen verstehen und sich gegenseitig vertrauen.

In einigen Regionen, beispielsweise im Benelux-Raum, gibt es lange gewachsene Strukturen. Dort funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut. In anderen Regionen, etwa in Osteuropa, ist das noch nicht so eingespielt.

WDR: Wie sieht die Zusammenarbeit auf deutscher Seite mit den europäischen Kollegen aus?

Bossong: Man kann sich die polizeiliche Zusammenarbeit auf drei Ebenen vorstellen: Die lokale Ebene; die mittlere, dort sind die Landespolizeien; und die föderale Ebene, bei uns mit dem Bundeskriminalamt.

Auf der obersten und auf der untersten Ebene funktioniert der Austausch mit den europäischen Kollegen gut. Aber in der normalen Polizeiarbeit, die sich nicht in der Grenzregion oder auf der obersten Ebene abspielt, sind nicht alle Kollegen an Kontakt mit europäischen Partnern gewöhnt.

Das Interview führte Cosima Gill.