Erstsemester leiden unter digitaler Corona-Uni

Stand: 21.01.2021, 06:00 Uhr

Der Hochschulbetrieb läuft seit Monaten weitestgehend digital ab. Abgesehen von wenigen Störungen, klappt das wohl ganz gut. Doch für die Studierenden bricht das soziale Umfeld weg. Das ist besonders für Erstsemester ein Problem.

Von Philip Raillon

Vorlesungen und Seminare finden digital statt. Selbst die wenigen Präsenzveranstaltungen wurden im Dezember wieder ins Netz verlagert. "Man sitzt zu Hause, anstatt im Hörsaal. Und man kann sich dann auch nicht mit anderen austauschen", sagt Imke Lindemann, Erstsemester-Studentin an der TU Dortmund.

Suche nach Lösungen gegen Einsamkeit

Ihre Kommilitonen sind für sie bislang vor allem kleine Bildschirm-Kacheln - häufig nur mit Namen, weil sie ihre Webcam auslassen. Auch andere "Erstis" schildern ein Gefühl der Einsamkeit. Die Schulfreunde rücken in die Ferne, neue Kontakte fehlen. Es entsteht eine Art Vakuum.

Die Universitäten suchen nach Lösungen gegen die soziale Isolation. Die Universität Bonn bietet den Studierenden etwa Lizenzen für Videokonferenzen an. Viele Unis halten digital Sportkurse ab. In Bielefeld und der Hochschule Hamm-Lippstadt organisieren die Fachschaften digitale Events.

Wer sich isoliert fühlt, sollte aktiv werden, rät Markus Stutte, Psychotherapeut bei der Studentischen Beratungsstelle der Fernuniversität Hagen. Durch Corona seien viele offen, sich über das Internet zusammenzuschließen. "Studierende müssen dafür ihre Scham überwinden“, sagt er.

Kommendes Semester: weiterhin viel digital

An der Ruhr-Universität Bochum werden Laptops verliehen, damit alle überhaupt teilhaben können. Professoren berichten von Unterschieden, je nach sozialem Hintergrund. So gebe es bei manchen Studierenden Raum- und Internet-Probleme, wenn sie schulpflichtige Geschwister haben.

An den Hochschulen laufen die Vorbereitungen für das kommende Semester, das im April startet. Sie wollen versuchen, zumindest manche Vorlesungen vor Ort stattfinden zu lassen. Der Großteil wird aber weiter digital laufen. Einige Professoren fordern daher hybride Mischformate.

"Ein Unterricht im Hörsaal, in dem sich 50 Studierende in einem Hörsaal mit 400 Plätzen aufhalten. Und der Rest sitzt zu Hause vor den Bildschirmen", skizziert Wolfram Cremer, Jura-Professor an der Ruhr-Uni Bochum. Die Gruppen würden dann wechseln, so dass jeder mal vor Ort sein kann.

Forderung: Mehr Diskussion über Uni-Situation

Einige Universitäten arbeiten an solchen Konzepten. Die Uni Siegen plant Vorlesungen in Mischform durchzuführen. Und in Bielefeld soll das zumindest bei kleinen Seminaren klappen. Andere Hochschulen zögern noch.

Solchen Lösungen könnten aber die Raumkapazitäten entgegenstehen, sagt Professor Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes. Außerdem müssten die Verantwortlichen immer auch die Situationen auf den Gängen sowie in Bus und Bahn berücksichtigen.

Aspekte, die viele gerne breiter diskutiert wüssten. Während Schulen und Kitas regelmäßig im Mittelpunkt stünden, gelte das für die Studierenden weniger, meint Professor Wolfram Cremer. Und die Hochschule Hamm-Lippstadt mahnt, die tausenden Studierenden dürften nicht aus dem Blick geraten.