80 Prozent Öko-Strom bis 2030: Kann Habecks "Osterpaket" funktionieren?

Stand: 06.04.2022, 19:21 Uhr

Mit seinem "Osterpaket" legt Wirtschaftsminister Habeck eine Reihe von neuen Gesetzen und Vorschriften vor, die ein Ziel haben: mehr erneuerbare Energien.

Von Christian Wolf

Dass es mehr erneuerbare Energien braucht, ist schon länger bekannt. Doch der Ukraine-Krieg und die große Abhängigkeit von russischen Energie-Importen führen jeden Tag vor Augen, wie wichtig ein schneller Ausbau ist.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat deshalb am Mittwoch unter dem Namen "Osterpaket" eine Reihe von Maßnahmen vorgestellt, mit denen die Energiewende vorangebracht werden soll. Demnach sollen bis 2030 mindestens 80 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien stammen.

Warum braucht es das "Osterpaket"?

Im Endeffekt gibt es eine langfristige und eine kurzfristige Perspektive. Auf lange Sicht ist es der Klimawandel, der ein Handeln nötig macht. Erst am Montag hat der Weltklimarat in einem neuen Bericht erklärt, dass nur eine rasche und drastische Senkung des Treibhausgas-Ausstoßes die Erderwärmung noch auf maximal 1,5 Grad begrenzen könne. Die Welt stehe an einem Scheideweg, hieß es.

Als wäre das nicht schon genug, kommt nun die Aktualität hinzu. Denn durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wird schmerzhaft deutlich, wie sehr wir von russischen Energielieferungen abhängig sind. Würde Deutschland schon jetzt mehr auf Erneuerbare Energie setzen, könnten wir auf Lieferungen aus Russland verzichten. Habeck spricht angesichts dessen von einer "doppelten Dringlichkeit".

Wie soll der Ausbau der Erneuerbaren nun schneller gehen?

Ein häufiges Problem ist, dass es viel zu lange dauert, bis ein Windrad steht. Genehmigungen verzögern sich, der Naturschutz muss berücksichtigt werden, und es gibt Klagen. Nun soll im Gesetz festgelegt werden, dass die Nutzung erneuerbarer Energien "im überragenden öffentlichen Interesse" liege und der öffentlichen Sicherheit diene. Das klingt technokratisch. Doch wenn es vor Ort zu Problemen kommt, können die Verfahren mit Verweis auf dieses höhere Interesse vereinfacht werden - und es geht schneller.

Mehrere Häuser mit Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern

Möglichst viele Dächer mit Solarmodulen – das ist das Ziel

Damit es mehr Solaranlagen auf Dächern gibt, soll deren Bau attraktiver werden. Dafür werden die Fördersätze deutlich angehoben. Wer den erzeugten Strom nicht selber nutzt, sondern ihn ins allgemeine Netz gibt, wird bevorzugt. Dadurch soll es zum Beispiel auf größeren Mehrfamilienhäusern mehr Solaranlagen geben. Bislang lohnt sich das nicht immer. Geht es um Solaranlagen auf dem Boden, sollen mehr Flächen in Frage kommen - zum Beispiel Moore, Äcker oder Wasserflächen.

Zudem sollen Vorschriften und Gesetze geändert werden, damit es mehr Windenergie auf See und an Land gibt. Ein Beispiel: Windräder können künftig näher an Radaranlagen für Wetterbeobachtungen und der Flugsicherung gebaut werden. Allein dadurch sind 1.000 zusätzliche Windräder möglich, die so viel Strom produzieren, dass es für ganz Berlin reichen würde.

Was ändert sich für Verbraucher?

Die Abschaffung der EEG-Umlage ab Juli ist bereits bekannt. Die Stromrechnung wird dadurch billiger. Das Paket soll zudem die Rechte von Stromkunden stärken. Wenn ein Stromanbieter die Lieferung beenden will, muss er das künftig mindestens drei Monate vorher sagen.

Viele Hausbesitzer denken derzeit wohl über neue Heizungen nach. Auf ein Problem weist WDR-Wirtschaftsexperte Lothar Lenz hin: Der Fachkräftemangel bei Heizungsbauern könne zu einem "Flaschenhals" werden. Denn schon jetzt gebe es "sehr lange Wartezeiten". Und wer auf Fördergelder setze, müsse das im Vorfeld klären. "Wenn die Handwerker schon an der Arbeit sind, hat man keinen Förderanspruch mehr."

Wie sind die Reaktionen auf das Paket?

WDR-Wirtschaftexperte Lenz verweist auf das Ziel, dass bis 2035 praktisch der gesamte Strombedarf aus erneuerbaren Energien gedeckt werden soll. Das sei "sehr ambitioniert", weil der Strombedarf zeitgleich auch noch steigen werde - unter anderem wegen der Elektromobilität. Umweltverbände begrüßen die Maßnahmen grundsätzlich, sehen aber noch Luft nach oben.

Weitere Themen