Warum Landwirte ihre Erdbeeren vernichten

Stand: 03.06.2022, 16:28 Uhr

Die Situation der Erdbeerbauern in NRW scheint paradox: Das Wetter ist optimal, die Preise im Supermarkt sind gut, trotzdem verdienen die Landwirte kaum an der Ernte und vernichten sie zum Teil sogar. Warum ist das so?

Von Jörn Kießler

Wie verzweifelt die Lage vieler Erdbeer- und Spargelbauern in NRW ist, sieht man derzeit im Münsterland. Dort vernichten einige Landwirte ihre Felder aus Protest noch vor der Ernte, einfach weil sich der Anbau der Früchte nicht mehr für sie lohnt.

Kritik in den Sozialen Medien

Auf den Social-Media-Plattformen des WDR reagieren viele auf den Bericht aus Münster mit Empörung.

Ein Twitter-User fragt sich, warum die Bauern die Erdbeeren nicht einfach viel günstiger als im Supermarkt auf ihrem Hof anbieten. "Dann würden mehr Leute dort kaufen und die Bauern hätten auch was davon." Ein anderer meint: "Was ist mit Selbstpflücker*innen-Angeboten? Geht eigentlich immer…" und ein weiterer geht soweit und fordert: "Diese Bauern gehören enteignet und die Felder der Allgemeinheit angeboten."

Andere verteidigen die Landwirte: "Wenn die Politik die Preise so drückt, dass Landwirte die Erdbeeren nicht mehr wirtschaftlich verkaufen können, ist das nicht die Schuld der Landwirte, sondern der Politik. Sie schimpfen die falschen."

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Landwirt: Kritik verständlich - aber Zeit für ein Zeichen

Auch Stephan Bäcker, Erdbeer- und Spargelbauer aus dem Münsterland, hat eines seiner Erdbeerfelder abgehäckselt. "Es gab keine Chance, die Erdbeeren zu verkaufen." Im Einzelhandel hätte es zu viele Früchte aus dem Ausland gegeben.

Aber was wäre gewesen, wenn er die Erdbeeren gespendet hätte, beispielsweise an die Tafeln, statt sein Feld abzumähen? "Wir reden hier über 10.000 Tonnen", so Bäcker. "Bei einer Fläche in dieser Größe hätte ich keinen gefunden, der das als Selbstpflücker aberntet." Der Landwirt versteht die Kritik an Lebensmittelverschwendung. "Aber es ist vielleicht auch an der Zeit, ein Zeichen zu setzen."

Mehrere Faktoren für schwierige Zeiten

Fest stehe , dass dieses Jahr kein gutes Jahr für die Erdbeer- und Spargelbauern sei, sagt Bernhard Rüb, Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW dem WDR. "In der aktuellen Situation machen die Bauern keinen Gewinn mit ihren Früchten."

Dafür sorgen in diesem Jahr gleich mehrere Faktoren:

  • Das Wetter ist gut, die Nachfrage schlecht
  • Die Konkurrenz aus dem Ausland ist groß
  • Es gibt kaum Selbstpflücker und damit kaum direkte Vermarktung

Das Wetter gut, die Nachfrage schlecht

"Das Wetter in diesem Jahr ist optimal für den Erbeeranbau", sagt Rüb. Es wurde bereits früh warm und auch die Sonne schien genug für eine gute Ernte. Das habe allerdings zur Folge, dass es ein Überangebot an Erdbeeren gebe, das dafür sorge, dass die Preise sinken.

Gleichzeitig ist die Nachfrage laut Rüb in diesem Jahr gering. "Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die Menschen aufgrund der Inflation und der hohen Kosten für Energie und Sprit - auch bedingt durch den Krieg in der Ukraine - nicht mehr so viel Geld zur Verfügung haben", sagt er. Dadurch würden die meisten drei Mal überlegen, bevor sie Geld für Erdbeeren oder Spargel ausgeben.

Konkurrenz aus dem Ausland groß

Aus den gleichen Gründen steigen aber auch die Preise für die Landwirte. Auch sie müssen vor allem wegen der Ukraine-Krise derzeit mehr für den Sprit ihrer Traktoren zahlen. "Wobei der größte Faktor bei den Erdbeeren und beim Spargel die Lohnkosten sind", sagt Heiner Lövenich, Inhaber des gleichnamigen Erdbeer- und Spargelhofes in Düren.

Und diese liegen in Deutschland durch den Mindestlohn höher als in vielen andern Ländern, aus denen ebenfalls Erdbeeren auf dem deutschen Markt angeboten werden. "Erdbeerbauern beispielsweise aus Spanien können den Supermärkten ihre Früchte zu einem viel niedrigeren Preis anbieten, weil sie unter ganz anderen Bedingungen produzieren können", so Rüb. Neben den Löhnen seien dort auch die sozialen Standards nicht so hoch wie in Deutschland, genau wie die Anforderungen an Umwelt- und Pflanzenschutz.

Kaum Selbstpflücker mehr

Eine Möglichkeit für die Bauern, den Preis für ihre Erdbeeren in einem gewissen Rahmen selbst zu bestimmen, ist, sie auf dem eigenen Hof zu verkaufen. Doch auch für dieses Angebot fehlen derzeit laut Rüb die Kunden. "Einmal, weil die Leute sich bei den aktuellen Spritpreisen nicht ins Auto setzen und raus aufs Land fahren", so Rüb.

Andererseits sei der Anreiz, einen Ausflug zu machen und selbst Erdbeeren zu pflücken, nicht mehr so groß. "Während der Corona-Pandemie war das eine der wenigen Sachen, die man noch machen konnte", sagt Rüb. Nachdem es nun aber kaum noch Einschränkungen gebe, entschieden sich die meisten Menschen lieber für Freizeitaktivitäten, denen sie in den vergangenen zwei Jahren nicht nachgehen konnten.

Das sei auch aus Sicht der Verbraucher sehr schade, so Rüb, denn "Erdbeeren und Spargel in so einer guten Qualität und zu so einem moderaten Preis gab es schon lange nicht mehr".

Die Erdbeer-Sorte von Landwirt Stephan Bäcker wird dieses Jahr noch ein zweites Mal blühen. Bäcker setzt darauf, dass er die Früchte nach dem Hexeln etwas früher ernten kann als sonst - und dass die Marktsituation dann besser ist.

Erdbeeren - am besten frisch vom Feld

Ob mit Eis oder Quark, als Kuchen, in der Bowle oder einfach nur pur vernascht - Erdbeeren in ihrem leuchtenden Rot gehören zu den beliebtesten Früchten.

Allein in NRW bauen mehr als 500 Landwirte Erdbeeren an, pro Jahr werden nach Angaben der Landwirtschaftskammer NRW auf rund 33.000 Tonnen der roten Früchte geerntet. "Hochburgen" des Erdbeeranbaus seien die Regionen um Köln, Düsseldorf, entlang des Niederrheins und der nördliche Rand des Ruhrgebiets, sagt Bernhard Rüb, Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW.

Auf zahlreichen Erdbeerhöfen können Verbraucher die Früchte hier direkt vom Feld kaufen. "50 Prozent der Erdbeeren aus NRW gehen über Direktvermarktung ab Hof an den Kunden", weiß Rüb.

Früchte, die früh in der Saison - also bis Anfang Mai - angeboten werden, stammen überwiegend aus südeuropäischer Produktion oder aus Gewächshäusern, etwa in den Niederlanden. Ungefähr ab Mai gibt es die ersten Erdbeeren aus heimischer Produktion.

In Nordrhein-Westfalen werden vorwiegend sieben verschiedene Erdbeersorten mit unterschiedlichen Reifezeitpunkten angebaut. Als frühe Sorten sind vor allem die etwas dunklere "Flair" und die formstabile "Clery" im Handel zu bekommen. Etwas später finden Erdbeerfans dann die Sorten "Darselect", "Elsanta", "Elianny" und "Sonata". Nachzügler der Saison ist dann ab Juli die spätreife "Malwina" mit großen, dunkelroten Früchten.

Erdbeeren schmecken nicht nur gut, sie sind auch gesund mit einem hohen Gehalt an Vitamin C, Folsäure und Mineralstoffen. Und: Die süßen Früchte haben gerade mal 32 Kilokalorien (kcal) je 100 Gramm.

Neben der Blaubeere gilt die Erdbeere als eine Frucht mit einem hohen Gehalt an Antioxidantien. Allerdings reagieren diese pflanzlichen Inhaltsstoffe und Vitamine sehr empfindlich auf Licht, Hitze und Sauerstoff. Tagesfrische Erdbeeren direkt vom Feld sind daher nicht nur qualitativ besser, sie sind auch gesünder.

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