Gaskrise: Sollte ich auch Energiesparen, wenn ich kein Gas nutze?

Stand: 24.06.2022, 18:47 Uhr

Die Bundesregierung hat zum Energiesparen aufgerufen, um die Gasspeicher zu füllen. Aber sollte man auch Energiesparen, wenn man gar kein Gas nutzt?

Von Claudia Wiggenbröker

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat am Donnerstag die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. "Gas ist von nun an ein knappes Gut in Deutschland", sagte er. Aktuell sei die Versorgungssicherheit zwar gewährleistet. Dennoch dürfe uns die Lage im Sommer nicht in einer falschen Sicherheit wägen: Man müsse sich auf den Winter vorbereiten.

Die Gasspeicher durch Sparen füllen

Zur Vorbereitung liegen einige Ideen auf dem Tisch. Eine davon: Deutschland soll Energie einsparen. Bis November sollen die deutschen Gasspeicher zu 90 Prozent gefüllt sein. So hofft Habeck notfalls auch durch den Winter zu kommen, falls Präsident Putin plötzlich den Gashahn zudrehen sollte. Anfang Juni lag der Speicher-Stand bei über 50 Prozent - nicht wenig im Vergleich mit anderen Jahren.

Aber: Bringt das Energiesparen wirklich etwas? Und sollte man auch auf seinen Verbrauch achten, wenn man gar kein Gas nutzt?

Sparen: Bringt das überhaupt etwas?

Deutschland wäre nicht das erste Land, in dem eine Energiespar-Strategie funktioniert. Laut Institut für Zukunftsfähige Ökonomien (ZOE) wurde nach einem Tsunami in Japan der Energieverbrauch gesenkt - um 15 Prozent durch eine Informationskampagne. Brasilien schaffte demnach gar 25 Prozent Einsparung nach einer Dürre.

Auch Dirk Müller, Professor für Gebäude- und Raumklimatechnik an der RWTH Aachen, ist überzeugt: "Die privaten Haushalte können erhebliche Einsparungen im Gasverbrauch durch einfache Verhaltensanpassungen und Maßnahmen erreichen." Die wären nur mit geringen oder keinen Einbußen für unseren Komfort verbunden. Gas wird größtenteils für Wärme genutzt. Laut Müller könne schon eine Absenkung der Innenraumtemperatur von 21 auf 20 Grad zu Heizenergie-Einsparungen von acht bis elf Prozent führen.

Aber: Noch ist es warm. Wie also jetzt die Gasspeicher füllen? "Auch Strom sparen ist Gas sparen, weil Strom auch durch Gaskraftwerke erzeugt wird", sagt Martin Pehnt vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu). Er empfiehlt unter anderem, alle Glühbirnen gegen LED-Lampen auszutauschen. Wer kann, sollte sich eine Solaranlage installieren. "Selbst eine kleine Balkon-PV-Anlage spart fünf bis zehn Prozent Strom." Zumal jede eingesparte Kilowattstunde zähle.

Und wenn ich gar kein Gas nutze?

Sogar wenn man einen grünen Energieanbieter hat, macht es derzeit noch Sinn, zu sparen, erläutert Jonathan Barth. Er ist Geschäftsführer des Instituts für Zukunftsfähige Ökonomien (ZOE). "Dann können andere diesen Strom nutzen, die nicht sparen können. So muss man weniger fossile Energie zuschalten." Aktuell liege Deutschland noch weit hinter den Ausbau-Zielen der erneuerbaren Energien zurück. "Stromsparen nimmt allgemein den Druck raus, dass an anderer Stelle Strom aus Kohle und Gas produziert werden muss."

Generell liege die Stärke des Energiesparens darin, dass man es kurzfristig umsetzen könnte, so Barth. "Und: Es lindert den hohen Energiepreis-Anstieg." Jede eingesparte Kilowattstunde Energie habe das Potential, die Preise zu senken – weil die Nachfrage nach Energie insgesamt sinkt.  

Kosten der Energiewende reduzieren

Mittelfristig kann uns der Ausbau der Erneuerbaren Energien unabhängiger machen - von fossilen Energieträgern und denen, die sie anbieten. Hier kann Energiesparen helfen, die Kosten der Energiewende zu reduzieren, erläutert Barth. Das hätte eine Berechnung der EU-Kommission ergeben.

"Schafft es Europa jetzt, dass die EU-Bevölkerung energiesparsamer lebt, reduziert das die langfristigen Kosten der Energiewende um bis zu ein Drittel." Das wären 113 Milliarden Euro, um in Europa Schulen zu bauen, Kinderbetreuung zu fördern und Menschen mit niedrigen Einkommen zu unterstützen.

In der besonderen Situation des Krieges, meint der Ökonom, müssten wir über neue Dimensionen reden - von Maßnahmen und von Verhaltensweisen. "Jeder muss anpacken. Sonst schaffen wir ein politisches Pulverfass, das wir nur schwer unter Kontrolle bekommen."

Stromentstehungskosten für erneuerbare Energien und konventionelle Kraftwerke in Deutschland 2021

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