Ehemaliger WDR-Intendant Fritz Pleitgen gestorben

Stand: 16.09.2022, 20:50 Uhr

Der 84-Jährige starb gestern Abend in Köln. Fritz Pleitgen arbeitete von 1963 an als Journalist beim Westdeutschen Rundfunk und war von 1995 bis 2007 Intendant des Senders. Er lebte bis zu seinem Tod in Bergisch Gladbach.

WDR-Intendant Tom Buhrow würdigte Pleitgen als hochangesehenen Rundfunkmanager, Korrespondenten und politischen Journalisten, der den WDR entscheidend geprägt hat.

Übervater, Mentor, Förderer - so nannte Buhrow Fritz Pleitgen heute im WDR Fernsehen. Er kannte Pleitgen gut. "Er war für den WDR eine Art Überfigur. Alle, die mit ihm zusammen waren, haben etwas mitgenommen." Sein Geheimnis kennt Buhrow auch: "Er hat sich selbst nicht so wichtig genommen. Er hat gelassen die Welt erklärt." Er habe immer einen ruhigen Eindruck gemacht auf der Kommandobrücke.

Bundespräsident würdigt Pleitgen als Visionär

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte Fritz Pleitgen als großen Visionär. Er sei nicht nur ein bedeutender Journalist und scharfsinniger Beobachter der Politik gewesen, schreibt der Bundespräsident im Kondolenzschreiben an Pleitgens Frau Gerda.

 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einer Rede

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

"Er war mehr: Für sehr viele Menschen in unserem Land war er ein oft und gerne gesehenes Gesicht im Fernsehen; ein journalistischer Begleiter, dessen Einschätzungen man vertraute - und der damit für eine Stärke des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stand." Nur wenige Journalisten hätten sich so sehr um den eigenen Berufsstand und um die Demokratie verdient gemacht.

Pleitgen war Korrespondent in der Sowjetunion und den USA

Pleitgen berichtete als ARD-Korrespondent in den 70er- und 80er-Jahren aus der Sowjetunion, der DDR und den USA. Mitten im Kalten Krieg führte er als erster westlicher Journalist ein Interview mit dem damaligen Generalsekretär der KPdSU Leonid Breschnew.

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Pleitgen moderierte fast 300 Mal im Fernsehen den Presseclub und war als WDR-Hörfunkdirektor maßgeblich an der Entstehung von 1LIVE und WDR 5 beteiligt. Er erlebte als Journalist historische Momente der deutschen und internationalen Geschichte und interviewte die mächtigsten Menschen der Welt.

Früherer WDR-Intendant Fritz Pleitgen gestorben

Am 15. September 2022 ist der Journalist und frühere WDR-Intendant Fritz Pleitgen im Alter von 84 Jahren in Köln gestorben. Ein Rückblick in Bildern.

Die Rolle(n) seines Lebens: Fritz Pleitgen ist Hörfunk-Chef, Fernseh-Chefredakteur, WDR-Intendant und ARD-Vorsitzender. "Aber in meinem Herzen bin ich immer Reporter geblieben", sagt er selbst. Sonore Stimme, Mikro in der Hand, so steht er vor der Kamera. Das tut er seriös und mit Leidenschaft – egal, ob er vor dem Kreml steht oder am Drachenfels.

Pleitgen kommt von der Zeitung, schreibt schon mit 14 Jahren Sportberichte und arbeitet dann als Redakteur für die Bielefelder "Freie Presse". 1963 wechselt er das Medium und wird Fernseh-Reporter für den WDR – obwohl "Fernsehen für uns etwas Halbseidenes war".

Zypern-Krieg, Sechs-Tage-Krieg, NATO-Sitzungen in Brüssel und Einsatzzentrale im Kölner Polizeipräsidium: Wo es brennt, ist Pleitgen dabei. Ungefährlich ist das nicht: In Kairo wird er von aufgebrachten Einwohnern fast gesteinigt und kann sich gerade noch in Sicherheit bringen. Später macht er sich dafür stark, dass Auslandsreporter besonders ausgebildet und geschützt werden.

Unser Mann in Moskau: 1970 geht Pleitgen als ARD-Korrespondent hinter den "Eisernen Vorhang". "Als Reporter des Kalten Krieges", so "Die Zeit", wird er zum "Fernseh-Denkmal". Für Pleitgen und seine Frau sind die sieben Moskauer Jahre voller organisatorischer Herausforderungen: 15 Mal fährt er die 2.200 Kilometer zwischen Köln und Moskau mit dem Auto, auf kaputten Straßen und bis unters Dach beladen mit Konserven, Windeln und Babynahrung für den kleinen Sohn.

Weil die DDR-Behörden den ARD-Korrespondenten Lothar Loewe des Landes verweisen, wechselt Pleitgen von Moskau nach Ost-Berlin. Trotz der heiteren Miene, die er vor dem Staatsratsgebäude zeigt: Es ist ein schwieriger Posten mit schwierigen Arbeitsbedingungen. Der "Tiger", wie er bei der Stasi heißt, wird auf Schritt und Tritt beobachtet, Drehgenehmigungen gibt es selten. Das Team verlegt sich auf Berichte über ostdeutsche Landschaften. Jahre später, nach der Wiedervereinigung, kommt Pleitgen wieder – diesmal ungehindert, aber immer noch voller Neugier.

Die Frau hinter Pleitgen: Gerda ist die Familienmanagerin, die den Alltag in Washington, am Rhein oder wie hier in Ost-Berlin organisiert. "Meine Frau ist das Zentrum“, so Pleitgen. "Aber ich spüre auch ein schlechtes Gewissen - ich habe mich zu wenig um die Kinder gekümmert." Das "Bazillus Journalismus" schien aber ansteckend zu sein: Drei seiner vier Kinder gingen ins Mediengeschäft.

Von Ost-Berlin nach Washington, von Ost nach West: Krasser hätte der Wechsel kaum sein können, den Pleitgen und seine Familie 1982 vollziehen. Fünf Jahre bleibt er in der amerikanischen Hauptstadt, in der Präsident Ronald Reagan den Ton angibt. Dessen "Star Wars"-Politik kritisiert er scharf – zum Missfallen konservativer Kollegen, die ihm Antiamerikanismus vorwerfen.

Ein viel zu kurzes Jahr in New York – dann ruft ihn das Mutterhaus an den Rhein zurück. Im Rückblick tröstet er sich: "Ich habe immer Glück gehabt. Welchen Job ich auch annahm, plötzlich ging da was los." Kurz nach seiner Rückkehr ist das der Mauerfall – "mein einschneidendstes Erlebnis". Pleitgen berichtet aus Berlin und interviewt den Übergangs-Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz. Nicht allen Zuschauern gefällt dabei Pleitgens scharfer Ton.

Bald darauf wechselt der Fernsehmann das Medium, wird Hörfunk-Direktor und krempelt die Wellen um: WDR 5 als Wortprogramm und Eins Live für die jungen Hörer. Ein ehrgeiziges Vorhaben, das er in nur 14 Monaten umsetzt.

Denn schon 1995 räumt Nowottny den Chefsessel für Pleitgen. "Um das Amt des Intendanten habe ich mich nicht gerissen", sagt Pleitgen, "ich wollte lieber Journalist sein". Aber er weiß auch, dass der Sender fit für die Zukunft gemacht werden muss. Das bedeutet Kampf: um neue Strukturen, um die Zuhörer und Zuschauer, gegen die private Konkurrenz. Sein Credo: Mehr Information, mehr Internet, mehr Region.

Er erhielt 2012 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland

Nach seinem Abschied vom WDR im Jahr 2007 war er unter anderem von 2011 bis 2021 Präsident der Deutschen Krebshilfe, 2012 erhielt er für sein Engagement das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Im WDR-Podcast "Fritz Pleitgen – Sein Leben", der Ende 2021 veröffentlicht wurde, erzählt Fritz Pleitgen im Gespräch mit Jochen Rausch über seinen Berufs- und Lebensweg.

Anlässlich des Todes von Fritz Pleitgen ändert das WDR Fernsehen kurzfristig sein Programm und zeigt in den kommenden Tagen Filme, Reportagen und Interviews, die an den früheren WDR-Intendanten erinnern.

WDR 5 sendet in der Nacht von Freitag auf Samstag ab 0.00 Uhr in einer Spezialsendung den Podcast "Fritz Pleitgen – Sein Leben". Außerdem erinnert das WDR Radio in den kommenden Tagen im laufenden Programm mit Nachrufen, Interviews und Stimmen von Hörer:innen an Fritz Pleitgen.

WDR Fernsehen am Freitagabend (16.9.2022)

20.15 Uhr: "Fritz Pleitgen – Zeuge seiner Zeit" – Ein Film von Klaus Martens (Redaktion: Udo Grätz)

21.30 Uhr: "WDR aktuell" mit dem Interview von Fritz Pleitgen im Kölner Treff vom April 2022

ab 22 Uhr: "Kölner Treff" wie ausgewiesen

WDR 5 am Freitag und Samstag (16./17.9.2022)

0.00 bis 5.00 Uhr: WDR 5 Spezial "Fritz Pleitgen – Sein Leben" – Ein Podcast von Jochen Rausch, 2021. Fritz Pleitgen erzählt im Gespräch mit Jochen Rausch von seinem Berufs- und Lebensweg.

WDR Fernsehen am Samstag (17.9.2022)

ab 21.45 Uhr: "Die lange Pleitgen-Nacht" (313 Minuten) – mit folgenden Filmen:

  • Väterchen Don – Der Fluss der Kosaken
  • Die Rockies – Der Traum vom alten Westen
  • Mitten in Deutschland – Nowosibirsk ist nicht mehr
  • Durch den wilden Kaukasus
  • Auslandsreporter: Pleitgen aus USA – Cowboys
  • Wiedersehen mit dem Weihnachtsland
  • Larissa Bogoras – Der stille Sieg über Kreml und Kerker

WDR Fernsehen am Sonntag (18.9.2022)

ab 11.35 Uhr: Reise-Filme mit Fritz Pleitgen

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