Bunte Youtube-Videos mit viel Action, Karrierecenter im ganzen Bundesgebiet, millionenschwere Image-Kampagnen: Die Bundeswehr bemüht sich seit Jahren, mehr qualifizierte junge Menschen für die Truppe zu gewinnen. Bisher mit überschaubarem Erfolg: Eigentlich sollte die Armee bis zum Jahr 2031 nach Plänen des Bundesverteidigungsministeriums auf 203.000 Soldaten und Soldatinnen angewachsen sein. Aktuell sind es rund 180.000 - seit Ende 2021 ist die Zahl sogar leicht gesunken.
Das Problem: Selbst die Wehrbeauftragte des Bundestags glaubt nicht mehr daran, dass die gewünschte Truppenstärke bis 2031 noch erreicht werden kann. Die "bisherigen Maßnahmen" reichten offensichtlich nicht aus, sagte Eva Högl (SPD) kürzlich. Es brauche jetzt eine "erhebliche Kraftanstrengung", um die Bundeswehr für junge Leute attraktiver zu machen.
Weniger Bewerbungen, mehr Abbrecher
Die Zahlen geben Högl Recht: Im vergangenen Jahr, in der die Bundesregierung angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine eine "Zeitenwende" proklamierte, gingen laut dem aktuellen Jahresbericht der Wehrbeauftragten knapp 44.000 Bewerbungen bei der Bundeswehr ein - elf Prozent weniger als im Vorjahr. Auch die Abbrecherquote bei den Rekruten lag mit 21 Prozent sehr hoch. Zum Ende des Jahres waren rund 18.700 Offiziersposten bei der Bundeswehr nicht besetzt. Das ist fast jede sechste militärische Stelle.
Eine Trendwende ist auch im laufenden Jahr 2023 offenbar nicht in Sicht. Wie der "Spiegel" unter Berufung auf einen Bundeswehr-Sprecher berichtete, bewarben sich zwischen Januar und Mai dieses Jahres rund sieben Prozent weniger Menschen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Privatwirtschaft starker Konkurrent
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig: In Zeiten des Fachkräftemangels ist die Konkurrenz für das Militär groß. Die Privatwirtschaft winkt mit flexiblen Arbeitszeiten, Kinderbetreuung und höherer Bezahlung. Die Bundeswehr muss hingegen seit Jahren mit defekter oder fehlender Ausrüstung kämpfen, dazu sind viele Kasernen marode, wie auch Wehrbeauftragte Högl beklagt. Auch der mit äußerster Brutalität geführte Ukraine-Krieg schreckt wohl einen Teil der potenziellen Bewerber und Bewerberinnen ab. Denn angesichts der neuen europäischen Bedrohungslage ist das Risiko gestiegen, dass die Bundeswehr in der Zukunft tatsächlich Kampfeinsätze bewältigen muss.
Idealismus allein reicht nicht
Das sei den Bewerbern auch durchaus bewusst, heißt es in der "Bewerberstudie 2022" des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Der Wunsch, für die Gesellschaft einen wichtigen Dienst zu leisten, sei die wichtigste Antriebsfedern für junge Rekruten, heißt es darin. Allerdings erwarteten die Bewerber auch eine echte Perspektive für ihre Laufbahn, gute Bildungsmöglichkeiten und den Einsatz in einem Bereich, für den sie sich wirklich interessieren.
Mehr Frauen, mehr Migranten?
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) plädiert derweil dafür, mehr Frauen für die Bundeswehr zu gewinnen: Abgesehen vom Sanitätsdienst liege der Frauenanteil in der Truppe bei gerade mal zehn Prozent. "Das ist zu wenig." Auch Menschen mit Migrationshintergrund sollen gezielt angesprochen werden. Diese Bevölkerungsgruppe sei bei der Bundeswehr noch stark unterrepräsentiert. "Im Übrigen wird das auch dem Anspruch der Bundeswehr nicht gerecht, (...) eine Staatsbürgerinnen und Staatsbürger-Armee zu sein", betont Pistorius.
Quellen:
- Deutsche Presse Agentur
- Agence France-Presse
- Jahresbericht 2022 der Wehrbeauftragten des Bundestags
- "Bewerberstudie 2022" des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr