Zwei Wahlhelfer bereiten die Unterlagen für die Bundestagswahl vor

Fast wie eine Familienfeier

Was Wahlhelfer motiviert

Stand: 18.09.2013, 06:00 Uhr

Ohne sie geht es nicht: 110.000 Freiwillige werden in NRW bei der Bundestagswahl als Wahlhelfer gebraucht. Die Bereitschaft, sich für das Ehrenamt zu melden, ist vielerorts nicht gerade groß. Dabei gibt es durchaus gute Gründe für einen Einsatz im Wahllokal.

Von Anna Beerlink

Sie müssen in aller Herrgottsfrühe aufstehen, während die meisten Anderen noch friedlich schlafen. Ihr Job ist die meiste Zeit ziemlich langweilig - nur am Ende plötzlich stressig. Und wenn sie Pech haben, verbringen sie den Tag auf kleinen Stühlchen, auf denen gerade mal die Hälfte eines erwachsenen Hinterteils Platz hat. So gesehen ist das Ehrenamt des Wahlhelfers nicht unbedingt verlockend. Doch es hilft ja nichts: 110.000 Freiwillige werden am Sonntag in den 16.500 Wahlräumen in NRW gebraucht, damit die Bundestagswahl reibungslos vonstatten gehen kann. Und die deutlich gestiegene Zahl der Briefwähler stellt die Kommunen vor weitere Herausforderungen.

"Eine demokratische Pflicht"

Beim ersten Mal wurde Karl-Josef Eisel noch "zwangsverpflichtet" - einem städtischen Angestellten kann das schon mal passieren. 26 Jahre liegt diese Premiere inzwischen zurück – und seitdem hat der heute 49-Jährige keine Wahl verpasst: "Ich sehe es als demokratische Pflicht an, mich als Wahlhelfer zu melden", betont der Leiter einer Düsseldorfer Bezirksverwaltungsstelle. Mehr noch: Für ihn haben Wahltage mittlerweile Ähnlichkeit mit einer Familienfeier: "Das ist eine total tolle Atmosphäre, man trifft immer die gleichen Leute – und kann durchaus auch mal ein Schwätzchen halten." Und: "Man kann richtige Sozialstudien betreiben. Es ist zum Beispiel interessant, wer so alles vor und nach der Kirche kommt - oder wer sich doch lieber erst nach dem Kaffeetrinken am Nachmittag auf den Weg ins Wahllokal macht."

Ein besonders prägendes Erlebnis hatte Eisel vor einigen Jahren: "Damals kam eine weit über 90 Jahre alte Dame ins Wahllokal – und war ganz bewegt, weil sie es als großes Glück empfand, frei und geheim wählen zu können. Sie hatte schließlich noch ganz andere Zeiten miterlebt. Das hat mich schon sehr nachdenklich gemacht", berichtet der Düsseldorfer. Sein Fazit: "Einen Tag als Wahlhelfer zu arbeiten – das ist doch ein sehr geringer Preis für unsere Demokratie."

In Köln müssen Wahlhelfer aus Bonn einspringen

Wahlhelfer im Klassenzimmer einer Grundschule

Vielen ist dieser Preis aber immer noch zu hoch: Nicht nur die Wahlbeteiligung sinkt seit Jahren, sondern auch die Bereitschaft, sich als Wahlhelfer zu melden. Einige Städte, zum Beispiel Köln, schlugen im August Alarm, weil sie nicht genügend Freiwillige zusammenbekamen. Mittlerweile sei das Problem aber gelöst, teilt Stadtsprecherin Inge Schürmann mit. Zum Teil setzen die Kölner auf Nachbarschaftshilfe: Weil es in der Bonn sogar Wahlhelfer-Wartelisten gab, helfen einige der Bonner in Köln aus. "Viele jüngere Leute schleppen auch noch Freunde von jenseits der Stadtgrenze mit", berichtet Schürmann. Das lohnt sich, denn schon Zweiergruppen werden in Köln mit einem sogenannten "Gruppenbildungsentgelt" belohnt: Zur "Erfrischungspauschale" von 40 Euro bekommen sie noch 15 Euro dazu. "Das reicht dann immerhin schon für ein paar Kölsch", betont die Stadtsprecherin.

"Ehrenämter sind weniger angesehen als früher"

Wie man die Leute dazu motivieren kann, sich als Wahlhelfer zu engagieren – damit hat sich auch Elena Garcia Santos beschäftigt. Sie hat zusammen mit zwei Kolleginnen - alle drei Angestellte der Stadt Bochum - einen "Praxisratgeber zur Wahlhelfergewinnung" geschrieben, für den sie zahlreiche Kommunen befragt hat. Auch hier wurde deutlich: "Ehrenämter sind weniger angesehen als früher. Viele Menschen fühlen sich heute nicht mehr verpflichtet, solch eine Aufgabe zu übernehmen". Garcia betont aber auch: "Entscheidend ist die Wertschätzung." So sind es nach ihren Worten an sich banale Kleinigkeiten, die einiges bewirken können: "In Bochum haben wir zum Beispiel Süßigkeiten zu den Wahlunterlagen gepackt - und die Leute haben sich riesig gefreut." Auch eine Karte zu Weihnachten sei für die Kommune kein großer Aufwand, zeige den Freiwilligen aber, dass ihr Beitrag anerkannt werde - und das sei für die Motivation entscheidend.

"Wer nicht wählt, hat hinterher nicht das Recht, zu meckern"

Ein Wahlhelfer vor einem Berg aus Stimmzetteln

Der Dortmunder Andreas Grehl braucht zur Motivation weder Süßigkeiten noch eine Weihnachtskarte: Er war in knapp 40 Jahren nur bei zwei Wahlen nicht als Wahlhelfer im Einsatz. Der 56-Jährige kann sogar von Zeiten berichten, zu denen das Wahl-Lokal seinen Namen noch wirklich verdiente: "Damals fanden die Wahlen in einer Gaststätte statt. Der Wirt hat uns zum Dank für unseren Einsatz immer ein Frühstück spendiert." Inzwischen wurde das Wahllokal in die Feuerwache der Freiwilligen Feuerwehr in Dortmund-Groppenbach verlegt. "Da ist mitterweile immer eine eingeschworene Truppe im Einsatz", erzählt Grehl. "Wir haben jedes Mal den Ehrgeiz, möglichst schnell mit dem Auszählen fertigzuwerden - natürlich, ohne uns zu verzählen."

Einige Jahre lang flatterte Grehl bei jedem Auszählen aufs Neue aus einem der Wahlbriefe ein Zettelchen entgegen: "Da stand jedes Mal ein doofer Spruch drauf." Der oder die Unbekannte hatte wenigstens nicht auf den Stimmzettel geschrieben, denn dann wäre die Stimme ja ungültig gewesen. Und das, betont Grehl, sei ja schließlich immer noch das Wichtigste: "Jeder sollte seine Stimme abgeben. Je höher die Wahlbeteiligung, umso mehr freuen wir uns. Denn wer nicht wählt, hat hinterher nicht das Recht, zu meckern."