Lindner will die FDP grundlegend erneuern

Der Hoffnungsträger räumt auf

Stand: 24.09.2013, 17:00 Uhr

Christian Lindner ist die letzte Hoffnung der FDP. Nach dem Desaster bei der Wahl liegt es am künftigen Parteichef, die Liberalen aus ihrer größten Krise zu führen. Wie er das machen will, hat Lindner am Dienstag (24.09.2013) in Düsseldorf verraten. Und dabei mit der alten Führungsriege gebrochen.

Von Rainer Kellers

Es ist Punkt 13 Uhr, als Lindner forschen Schrittes in die Räume der Landespressekonferenz im Düsseldorfer Landtag marschiert. "Guten Morgen", sagt er, als ob er wegen all der Termine und Sitzungen der letzten 36 Stunden jedes Zeitgefühl verloren hätte. Es ist einiges geschehen, seitdem die FDP am Sonntag (22.09.2013) erstmals in ihrer Geschichte aus dem Bundestag geflogen ist. Jetzt ist Lindner nicht mehr nur Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag und NRW-Parteichef. Er ist nun designierter Bundesparteichef - und der letzte Hoffnungsträger, der den gedemütigten Liberalen noch geblieben ist.

Ein Mann, der vieles anders machen will

Lindner ist sich dieser Rolle durchaus bewusst. Es ist ja auch nicht so, als ob der smarte Mittdreißiger aus NRW erst seit gestern ein Kandidat für den Parteivorsitz wäre. Spätestens seit der Landtagswahl 2012, als Lindner eine in Umfragen bereits abgeschlagene FDP mit 8,6 Prozent erneut in den Landtag brachte, gilt er als der kommende Star. Wahlweise auch als Lichtgestalt oder Heilsbringer bezeichnet. Eigentlich hätte er schon Anfang des Jahres an führender Stelle der Partei Verantwortung übernehmen sollen. Doch bei der Niedersachsenwahl hielten etliche Leihstimmen aus der CDU den politisch schon totgesagten Parteichef Philipp Rösler an der Macht. Lindner trat zurück ins Glied. Nun, da die Bundestagswahl zum Debakel wurde, ist er da. Und will vieles anders machen.

Die alte Machtclique wird rasiert

Philipp Rösler und Christian Lindner

Wahrscheinlich muss er das auch. Denn die "historische Zäsur", wie er selbst den Wahlausgang für die FDP beschreibt, verlangt nach radikalen Lösungen. Um es mit Lindners Worten zu sagen: "In einer außergewöhnlichen Situation verlange ich außergewöhnliche Möglichkeiten." Gemeint ist damit zunächst, dass Lindner Fraktionschef im NRW-Landtag bleiben will, vorerst auch Landeschef und obendrein Parteichef. Eine solch parteiinterne Machtfülle gab es in der FDP noch nie. Gemeint ist aber auch, dass Lindner die Partei personell gänzlich neu aufstellen wird. Die alte Machtclique um Rösler, Brüderle, Westerwelle und Co, der er einmal selbst angehört hat, darf sich schon jetzt als abgetan betrachten.

Klientel-Verdacht, Lobby-Vorwürfe, Häme

Bezeichnend ist alleine schon, wie der 34-Jährige Parteichef werden will. Aus eigener Kraft nämlich. Er hat sich selbst vorgeschlagen, wird nun nach einstimmigem Beschluss von seinem Landesverband unterstützt und will sich Ende des Jahres auf einem Parteitag von der Basis wählen lassen. Kein Gremium und schon gar nicht die alte Führungsspitze sollen sich da einmischen. Mit dieser will Lindner radikal brechen. Sie, so sagt er, habe die enttäuschende Regierungsbilanz zu verantworten. Sie trage die Schuld daran, dass die liberale Idee "unter Klientel-Verdacht, Lobby-Vorwürfen und Häme verschüttet wurde".

Das Projekt 2017 ist ausgerufen

Der FDP-Landesvorsitzende Christian Lindner sitzt bei einer Pressekonferenz im Landtag in Düsseldorf  und lacht

Der FDP-Landesvorsitzende Christian Lindner sitzt am 24.09.2013 bei einer Pressekonferenz im Landtag in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) und lacht. Lindner tritt für den Posten des Bundesvorsitzenden der FDP an

Das sind wahrlich schonungslose Worte. Und als Lindner gefragt wird, ob die Vorwürfe denn berechtigt seien, sagt er zwar nicht ja, aber doch etwas Ähnliches: "Wir haben Anlass zum Verdacht der Klientel- und Lobbywirtschaft gegeben." Mit ihm soll das nun gründlich anders werden. Mit einem neuen, selbstbewussten Team starker Persönlichkeiten will Lindner den Wiederaufbau der Partei in Angriff nehmen. Projekt 2017 nennt er es - nach dem Jahr, in dem sowohl im Bund als auch in NRW gewählt wird.

Wer zu diesem Team gehören wird, will der gebürtige Wuppertaler nicht sagen. Wolfgang Kubicki, der Landeschef von Schleswig-Holstein, ist gesetzt. Womöglich auch Daniel Bahr, der bald arbeitslose Gesundheitsminister. Definitiv aber nicht Westerwelle. Dieser werde "keine operative Rolle mehr spielen", sagt Lindner und schiebt nach kurzer Pause das Wörtchen "wollen" hinterher. Man kann sich in etwa vorstellen, wie es um das Verhältnis zu Westerwelle bestellt ist, der Lindner einst als Generalsekretär nach Berlin holte.

Ohne Westerwelle, aber vielleicht mit Merz und Clement

Auch Persönlichkeiten außerhalb der FDP will Lindner für sein Projekt begeistern. Die Namen Friedrich Merz und Wolfgang Clement fallen. Dazu viele andere, die sich vorstellen könnten, in einer erneuerten liberalen Partei dabei zu sein. "Jetzt ist die Chance, am Wiederaufbau mitzuwirken", sagt Trümmermann Lindner. Passend dazu kann NRW-Generalsekretär Marco Buschmann verkünden, dass alleine am Montag (23.09.2013) bundesweit mehrere Hundert Menschen in die FDP eingetreten seien.

"Wir drehen nicht nach links oder rechts"

Inhaltlich will Lindner ebenfalls einen Neuanfang beginnen. Damit aber ja niemand auf die Idee kommen könnte, die FDP radikalisiere sich, ziehe plötzlich gegen die EU zu Felde oder strebe eine sozialliberale Ausrichtung an, stellt der künftige Parteichef klar: "Wir drehen nicht nach links oder rechts. Wir wollen nach vorne. In die gesellschaftliche Mitte hinein." Denn die sei verwaist, seitdem die Union sozialdemokratisiert und alle anderen Parteien im Bundestag nach links abgedriftet seien. Politik will Lindner für die "Fleißigen, nicht die Rücksichtslosen" machen. Die FDP soll vielfältiger sein, menschlicher, eine Partei der Bürgerrechte und der Generationengerechtigkeit. Die Zeit der thematischen Verengung auf Steuersenkungen sei vorbei.

Natürlich ist Lindner klar, dass es nicht ganz einfach sein wird, diese Agenda durchsetzen. Zumal ihm die Bühne in Berlin fehlt. Der mächtige NRW-Landesverband und der Landtag in Düsseldorf müssen ihm einstweilen als Basis reichen. Lindner sagt, was vor ihm liege, ist kein Kurzstreckenlauf, sondern eine Marathonstrecke. Fragt sich nur, ob er sie durchhält. Denn so viele positive Etiketten man Lindner auch anheften mag - ein Marathonmann war er in seiner bewegten Karriere nie.