Bundestag lehnt Corona-Impfpflicht ab

Stand: 07.04.2022, 15:15 Uhr

Der Bundestag hat mehrheitlich gegen eine Corona-Impfpflicht für alle ab 60 Jahren gestimmt. Der Vorschlag war von Abgeordneten der Ampel-Parteien gekommen. Auch das "Impfvorsorgegesetz" der Union wurde abgelehnt.

Die Corona-Impfpflicht für ältere Menschen ist im Bundestag gescheitert. Das Parlament lehnte am Donnerstag mit der Mehrheit der Stimmen den zuletzt zwischen Politikern der Ampel-Koalition vereinbarten Kompromiss für eine Impfpflicht ab 60 Jahren ab. Den Vorschlag für eine Pflicht zunächst ab 60 Jahren lehnten 378 Abgeordnete ab, dafür votierten 296 Abgeordnete und neun enthielten sich.

Damit wird es zum jetzigen Zeitpunkt keine über die seit März geltende Corona-Impfpflicht für das Personal in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen hinausgehende Verpflichtung für andere Bevölkerungsgruppen in Deutschland geben.

Auch drei weitere Anträge abgelehnt

Der Bundestag lehnte auch den Unions-Antrag ab. Dieser Vorschlag sah ein Impfvorsorgegesetz vor, mit dem erst je nach Lage im Herbst endgültig über eine Pflicht zur Immunisierung entschieden würde.

Ebenfalls keine Mehrheit erhalten haben die Gegner einer allgemeinen Impfpflicht um den FDP-Politiker und stellvertretenden Bundestagspräsidenten Wolfgang Kubicki. Die Abgeordneten-Gruppe um Kubicki hatte argumentiert, eine Impfpflicht sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Zugleich sprach sie sich aber für Impfkampagnen aus.

Auch die AfD-Fraktion hat einen Antrag gegen eine Impfpflicht vorgelegt, der im Unterschied zur Kubicki-Gruppe die Abschaffung der seit Mitte März geltenden Impfpflicht im Gesundheitswesen fordert. Dieser Antrag wurde ebenfalls abgelehnt.

Streit über Reihenfolge der Abstimmung

Zuvor hatte der Bundestag hitzig über die mögliche Ausweitung der Corona-Impfpflicht diskutiert und auch über das Abstimmungsverfahren gestritten.

Die Impfpflicht-Befürworter aus SPD, Grünen und FDP wollten verhindern, dass über den Antrag für die Pflicht ab 60 Jahren zuerst abgestimmt wird, weil sie sich bei umgekehrter Reihenfolge mehr Stimmen erhofften. Eine Mehrheit der Parlamentarier hatte dies abgelehnt.

Lauterbach: "Wir machen weiter"

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat besorgt auf das Scheitern des Entwurfs für die Einführung einer Corona-Impfpflicht in Deutschland reagiert. Der SPD-Politiker schrieb auf Twitter, die Bekämpfung von Corona werde im Herbst nun viel schwerer.

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FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann sagte im Sender Phoenix, man habe um einen Kompromiss gerungen. Es sei darum gegangen, nicht mit leeren Händen dazustehen. Es handle sich um einen demokratischen Prozess. Der Gesprächsfaden dürfe nun nicht abreißen. Zumindest eine Beratungspflicht müsse durchgesetzt werden. Auch Ullmann hatte für eine Impfpflicht zunächst für Menschen ab 60 Jahren geworben.

Konkret sahen die Pläne des ersten Antrags vor, dass für alle ab 60 Jahren eine Pflicht kommen sollte, bis zum 15. Oktober über einen Impf- oder Genesenennachweis zu verfügen. Für 18- bis 59 Jährige, die nicht geimpft sind, sollte zunächst eine Beratungspflicht kommen. Über die Pflichten, Beratungs- und Impfangebote sollten die Krankenkassen bis 15. Mai die Bürger informieren.

Kliniken, Verbände und Arbeitgeber enttäuscht

Die Krankenhäuser haben enttäuscht auf das Scheitern einer allgemeinen Impfpflicht im Bundestag reagiert. "Schlussendlich stehen wir jetzt vor einem Scherbenhaufen, den alle Parteien zu verantworten haben", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, der "Rheinischen Post" am Donnerstag. "Es war ein Scheitern mit Ansage."

Der Sozialverband Deutschland bedauerte das Scheitern ebenfalls. Verbandspräsident Adolf Bauer appellierte aber an Parlament und Bundesregierung, die Gespräche über eine allgemeine Impfpflicht weiterzuführen. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte, es sei eine große Chance verpasst worden, "die Pandemie endlich dauerhaft in den Griff zu bekommen und allen Menschen ihre vollen Freiheits- und Teilhaberechte zurückzugeben."

Enttäuscht zeigten sich auch die Arbeitgeber. "Das ist kein guter Tag für die Pandemiebekämpfung", erklärte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Wenn eine Impfpflicht vorerst nicht komme, sei es nun noch wichtiger, dass jeder seinen Beitrag für eine möglichst hohe Impfquote leiste.

Apotheken wollen Impfangebot verstärken

Die Apotheken im Rheinland wollen nach den gescheiterten Anträgen zu einer Corona-Impfpflicht im Bundestag ihre Angebote verstärken. "Wir sehen große Chancen, noch mehr Bürgerinnen und Bürger von einer Impfung zu überzeugen", sagte der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein, Thomas Preis, am Donnerstag.

Bundesweit über 60.000 Corona-Impfungen in den Apotheken zeigten, dass Apotheken besonders zahlreiche Erstimpfungen durchführten. Wissenschaftliche Studien belegten auch, dass Beratung erfolgreicher als Impfpflicht sei.

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