Rugby-Zusammenstöße und Kopfbälle: Wie schädlich sind sie für die Gesundheit?

Stand: 26.07.2022, 20:31 Uhr

Bei einigen Sportarten sind sie obligatorisch - die Stöße gegen den Kopf. Diverse Studien legen nahe, dass Kopfbälle und Co. gesundheitliche Schäden zur Folge haben. Jetzt sorgt eine Klage von über 100 ehemaligen Rugby-Profis für Aufsehen.

Mehr als 100 ehemalige Rugby-Profis haben sich zusammengetan. Medienberichten zufolge verklagen sie den Rugby-Weltverband sowie die nationalen Verbände Englands und Wales. Ihr Vorwurf: Die Verbände sollen die Spieler aus deren Sicht nicht genügend vor bleibenden Schäden durch Gehirnerschütterungen während ihrer Laufbahn geschützt haben.

Zu den Klägern zählen auch ehemalige Nationalspieler. Einige von ihnen leiden unter anderem an früh einsetzender Demenz, Epilepsie, Parkinson und an CTE, der chronisch traumatischen Enzephalopathie, bei der Hirnzellen degenerieren.

Studien legen Langfristschäden nahe

Wobei Rugby nicht die erste Sportart ist, in der Kopfverletzungen und mögliche Langfristschäden durch Gehirnerschütterungen für Gesprächsstoff sorgen. Ein Thema ist das auch bei einigen anderen (Ball-)Sportarten. Doch was ist dran? Führen Kopfbälle oder harte Zusammenstöße von Sportler-Köpfen nun zu bleibenden gesundheitlichen Schäden bei den Betroffenen - oder nicht? Einige Studien legen das nahe.

Gehirnerschütterung wird nicht immer als solche diagnostiziert

Fakt ist, dass bei den Stößen oder den Kopfbällen das Risiko für Gehirnerschütterungen steigt. Das Problem: Nicht immer wird eine Gehirnerschütterung als solche diagnostiziert, vor allem die leichte Form des Schädel-Hirn-Traumas bleibt Experten zufolge häufig unerkannt.

Durch Schädel-Hirn-Traumata verändert sich jedoch die Gehirnstruktur. Boxer etwa entwickeln Experten zufolge bereits während ihrer aktiven Zeit wenigstens leichte kognitive Störungen. Der Grund: Die Nervenverbindungen leiden unter der Erschütterung, werden beschädigt oder können sogar reißen. "Vor allem das Neugedächtnis verschlechtert sich, also was vor Stunden oder Tagen passiert ist. Denn genau diese Hirnstrukturen sind besonders empfindlich und liegen tief im Hippocampus“, zitiert das WDR-Wissenschaftsmagazin "Quarks" den Mediziner Hans Förstl von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der TU München.

Motorische Fähigkeiten können nachlassen

Zehn bis 20 Prozent der Profiboxer leiden Förstl zufolge schließlich ihr Leben lang unter anhaltenden neuropsychiatrischen Erkrankungen. Ihre motorischen Fähigkeiten lassen nach und sie haben ein erhöhtes Risiko am Parkinson-Syndrom sowie an Alzheimer zu erkranken. Depressionen und eine gesteigerte Aggressivität sind weitere Folgeerscheinungen. 

Aber nicht nur beim Rugby und beim Boxen, auch bei Sportarten wie etwa Hockey oder Fußball kann das Gehirn von Spielenden durch Stöße gegen den Kopf oder Kopfbällen langfristig Schaden nehmen.

DFB setzt bei Kindern auf Schulung

Der amerikanische Fußballverband hat daraus Konsequenzen gezogen und Kopfbälle für Kinder unter elf Jahren inzwischen verboten. England, Schottland und Nordirland haben vor einiger Zeit ähnliche Regeln für Kinder eingeführt. Der Deutsche Fußballverband (DFB) zeigt noch keine solcher Bestrebungen. Eine Schulung ist aus DFB-Sicht die bessere Variante als ein Verbot.

Claus Reinsberger, Neurologe und Mitglied in der medizinischen Kommission des DFB, wies im Januar auf unterschiedliche Studien hin, die es zur Gefahr von Kopfbällen gibt: "Bei den meisten Studiendesigns gibt es sowohl positive als auch negative Studien. Wir wissen, dass Kopfbälle ein Risikofaktor sind für Hirnveränderungen. Aber wir wissen auch, dass Kopfbälle durchaus mit positiven Veränderungen im Gehirn assoziiert sein können."

Zurück zu den Rugby-Profis, die Klage eingereicht haben. Die nordamerikanische Football League NFL hatte vor neun Jahren Klagen von Tausenden ehemaligen und geschädigten Spielern abgewendet, indem die Profiliga bislang über 800 Millionen Euro Entschädigungen gezahlt hat. Ob die Rugby-Verbände ähnlich reagieren, damit die Ex-Profis ihre Klage zurückziehen? Das ist derzeit offen.

Über dieses Thema berichten wir auch am 26.7.2022 im WDR Fernsehen in WDR aktuell um 21.45 Uhr.

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