BGH-Urteil: Google muss nur bei nachweisbar falschen Angaben löschen

Stand: 23.05.2023, 14:46 Uhr

Suchmaschinen wie Google finden selbst gut versteckte Artikel und Informationen – auch kritische und unerfreuliche. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden: Betroffene können nur dann verlangen, Treffer zu unterdrücken, wenn auf der Zielseite nachweisbar falsche Behauptungen gemacht werden.

Das Internet vergisst nichts, heißt es – und da ist nicht nur was dran, sondern es kann auch unangenehm für jeden von uns sein: Peinliche Fotoaufnahmen, im Zorn unüberlegt formulierte Debattenbeiträge, aber vor allem auch Artikel und Texte von Dritten, die Fehltritte, Skandale oder sogar Rechtsverstöße offenbaren.

Wie unangenehm, wenn eine Suchmaschine wie Google solche Fundstellen immer wieder für alle gut sichtbar an die Oberfläche zerrt, obwohl sie möglicherweise vor Jahren erschienen sind.

Betreiber von Suchmaschinen müssen nicht selbst nachforschen

Genau mit diesem Aspekt musste sich – zum wiederholten Male – der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigen. Der entschied am Dienstag: Suchmaschinen wie Google müssen fragwürdige Artikel über Menschen nur dann aus ihren Trefferlisten löschen, wenn die Betroffenen offensichtlich falsche Angaben hinreichend nachweisen können. Die Betreiber der Suchdienste sind nicht verpflichtet, selbst Nachforschungen anzustellen und auf die Betroffenen zuzugehen. Die Karlsruher Richter orientierten sich dabei an einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Seit 2017 existiert ein Recht auf Vergessenwerden

Es gibt sogar bereits Regeln dafür: Seit 2017 steht das "Recht auf Vergessenwerden" in der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Nun stellte sich die konkrete Frage: Welchen Aufwand muss eine Person betreiben, die bestimmte Informationen aus dem Netz entfernt haben möchte? Ist die Suchmaschine Google verantwortlich oder derjenige, der die betreffenden Informationen im Netz bereitstellt? Konkret: Kann man Google zum Vergessen zwingen – und wenn ja, unter welchen Umständen?

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich schon mehrmals mit der Frage nach dem "Recht auf Vergessen" im Internet beschäftigen

BGH entscheidet über "Recht auf Vergessen"

Verhandelt wurde ein ungewöhnlicher Fall: Ein Paar aus der Finanzdienstleistungsbranche will durchsetzen, dass Google einige Fundstellen auf US-Webseiten ausblendet. Dort sind mehrere Artikel erschienen, die die Geschäftspraktiken des Paares kritisieren und vor Anlagen warnen. Das Anlagemodell des Paars kommt in den Artikeln nicht gut weg. Garniert sind die Beiträge mit Fotos, die den Kläger am Steuer eines Luxuswagens zeigen, aber auch im Hubschrauber und vor Flugzeugen.

BGH verhandelt bizarren Sonderfall

Die Seite, auf der die kritischen Artikel erschienen sind, ist allerdings kein seriöses Webangebot. Ein Vorwurf lautet, die Betreiber des Portals hätten die kritischen Artikel zur Erpressung genutzt: Wer zahlt, kann sich über positive Berichte freuen.

Keine Alltagssituation. Google argumentiert, das Unternehmen wolle und könne nicht zwischen wahr und unwahr entscheiden. Google ist nicht verpflichtet, selbst aktiv an der Wahrheitsfindung mitzuwirken, erklärte der BGH-Senatsvorsitzende Stephan Seiters in einer früheren Sitzung. Das könne auch nicht im Interesse der Allgemeinheit sein, denn anderenfalls schwinge sich Google zum Richter auf und lösche möglicherweise Beiträge aus dem Suchindex, nur um Frieden zu haben.

Google will nicht selbst entscheiden, was "wahr" und was "unwahr" ist und löscht deshalb nur in eindeutigen Fällen Links aus dem Index

Google will nicht selbst entscheiden, was "wahr" und was "unwahr" ist

Betroffenen obliegt, aktiv einen Nachweis zu erbringen, "dass die in einem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind", oder jedenfalls ein bedeutender Teil davon.

Google bietet Formular für Löschanträge

Bei ehrabschneidenden oder eindeutig illegalen Inhalten sieht es anders aus: Für solche Fälle hat Google sogar ein Formular, in dem Betroffene einen Löschwunsch eintragen können. Und wenn es sich um eindeutig illegale Inhalte handelt, die die Persönlichkeitsrechte einer Person verletzen, werden die Links von Google meist auch zeitnah entfernt.

Wie erwartet sind die Kläger jetzt mit ihrer Klage auf Löschung der Suchergebnisse gescheitert. Der BGH bestätigte damit die Urteile der Vorinstanzen. Allerdings bekamen sie in einem Punkt Recht: "Thumbnails", die kleinen Vorschaubilder zum Artikel, die das Paar im Luxusleben schwelgend zeigen, müssen gelöscht werden.

Über den Autor

Jörg Schieb, WDR-Digitalexperte.

WDR-Digitalexperte Jörg Schieb

Jörg Schieb, Jahrgang 1964, ist WDR-Digitalexperte und Autor von 130 Fachbüchern und Ratgebern. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf unseren Alltag.

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