Krankenkasse alarmiert: Viele Verdachtsfälle auf Behandlungsfehler
Aktuelle Stunde . 21.04.2025. 18:15 Min.. UT. Verfügbar bis 21.04.2027. WDR. Von Dorothea Schluttig.
"Ich hatte so viel Wut im Bauch": Behandlungsfehler auf hohem Niveau
Stand: 22.04.2025, 06:00 Uhr
Es gibt sie immer wieder in Deutschland: medizinische Behandlungsfehler. Für Betroffene kann sich dadurch das ganze Leben ändern.
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Zu den Kommentaren [27]Für viele ist es eine Horrorvorstellung, nach einem medizinischen Eingriff festzustellen, dass das falsche Bein operiert wurde oder dass man einen schweren gesundheitlichen Schaden davongetragen hat. Laut Zahlen der Techniker Krankenkasse, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vorliegen, ist das aber jährlich für tausende Betroffene Realität.
Medizinische Behandlungsfehler auf hohem Niveau
Demnach wandten sich 6.431 Versicherte in Deutschland an die Krankenkasse, weil sie einen Behandlungsfehler vermuteten. Das ist der zweithöchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Die Zahl liegt nur geringfügig unter dem bisherigen Spitzenwert des Jahres 2023, als 6.509 Versicherte einen Verdacht meldeten.

Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse
"Die Bandbreite der geschilderten Vorfälle ist groß: Sie reicht von verwechselten Medikamenten, über die Operation des falschen Körperteils bis hin zu Todesfällen aufgrund von Pflege- und Behandlungsfehlern", sagt Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse.
Pflegefall nach medizinischem Routineeingriff
Ein medizinischer Behandlungsfehler kann in manchen Fällen das ganze Leben auf den Kopf stellen. So wie bei Matthias Miemczyk. Bei einer Operation an der Nasenscheidewand wirkt bei ihm die Narkose nicht. Als er hochschreckt, rammt er sich die Instrumente ins Gehirn. Monate lang liegt Matthias im Krankenhaus, seine Prognose - er ist ein Pflegefall, der nie wieder gehen wird. Wegen eines Fehlers des Anästhesisten.

Mutter Anna Miemczyk
"Ich hatte so viel Wut im Bauch, dass das bei einem eigentlichen Routineeingriff passiert", erzählt seine Mutter Anna dem WDR. "Er war danach ein zerstörter Mensch, der so viel schon erreicht hatte." Matthias hatte sein Studium bereits beendet und seine Doktorarbeit angefangen. "Und plötzlich kann er nicht sprechen und sich nicht bewegen."
Laut Statistik werden mit 34 Prozent der Fälle besonders häufig Behandlungsfehler in der Chirurgie angezeigt. Mit Abstand folgen Zahnmedizin und Kieferorthopädie mit 18 Prozent und Geburtshilfe und Gynäkologie mit 9 Prozent. Bei Millionen Behandlungen pro Jahr in Deutschland sind die Zahlen der Verdachtsfälle zwar verhältnismäßig gering, dennoch fordert TK-Chef Baas eine Meldepflicht von allen medizinischen Einrichtungen.
Fehlerkultur im Gesundheitssystem nicht vorgesehen
Denn aktuell würden Fehler nur erfasst, wenn Patientinnen und Patienten sie selbst meldeten. "Dadurch bleiben viele Fehler unentdeckt und eine systematische Auswertung von Fehlerquellen und Verbesserungen ist unmöglich", kritisiert Baas. "Fehler werden bisher noch viel zu oft verschwiegen oder bagatellisiert, statt sie als Chance für Verbesserungen zu nutzen", so der Kassenchef. "Wir brauchen eine offene Fehlerkultur, um die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern."
Doch an den Unis scheint der Umgang mit Fehlern keine Rolle zu spielen. "Im Studium selber wird das leider nur sehr wenig behandelt", sagt Medizinstudent Dominik Daschner. Und auch im laufenden Betrieb scheint kaum an der Etablierung einer Fehlerkultur gearbeitet zu werden.

Notfallmediziner Uwe Janssens
Das würde nämlich bedeuten, dass man sehr genau aufpassen müsste, wie Fehler entstehen und warum sie entstehen, erklärt Notfallmediziner Uwe Janssens. "Dafür braucht es tatsächlich Geld und Personal und das ist in dem Gesundheitssystem so nicht vorgesehen und wird auch nicht finanziert."
Rechtsstaat muss Interessen der Opfer stärken
Die mangelnde Fehlerkultur im deutschen Gesundheitssystem kann Familie Miemczyk bestätigen. "Die haben das nicht zugegeben und die Schuld auf Matthias geschoben", sagt sein Vater Eugen. Erst nach zwölf Jahren hartem Kampf erhielt Matthias Schmerzensgeld. Die Haftpflichtversicherungen setzten hier häufig auf Zeit und hoffen darauf, dass die Behandlungsfehler-Opfer irgendwann aufgeben, beklagt auch TK-Chef Baas. "Es wird höchste Zeit, dass der Rechtsstaat die Interessen der Opfer stärker in den Blick nimmt und die Verfahren beschleunigt."
Unsere Quellen:
- WDR-Interview mit Familie Miemczyk
- WDR-Interview mit Dominik Daschner
- WDR-Interview mit Uwe Janssens
- Nachrichtenagentur KNA
27 Kommentare
Kommentar 27: Hilde schreibt am 23.04.2025, 23:12 Uhr :
Leider musste ich auch die schmerzhafte Erfahrung machen. Mein Mann ist nach einer Leisen Operation, entlassen worden und am nächsten Morgen ist er verstorben. Laut Gutachter der Krankenkasse wurde ein Behandlungsfehler festgestellt. Habe durch den Anwalt Schadensersatz,bei der Versicherung des Krankenhauses gestellt aber es wurde abgelehnt. Jetzt wird alles vor Gericht gehen. Da bin ich gespannt was noch auf mich zukommt wird. Es reicht nicht das man mit dem Verlust zu kämpfen hat,man muss auch gegen Ärzte die den Fehler gemacht haben kämpfen .Leider ist keiner der die Verantwortung übernimmt. Das ein Menschenleben gelöst wurde. Und eine Familie zerstört wurde.
Kommentar 26: Franziska 1 schreibt am 23.04.2025, 20:37 Uhr :
Konnte Arztfehler bei künstlichen Kniegelenk selbst vermeiden. Nun der Reihe nach: Einen Tag vor Operation stationär in die Klinik. Am Tag der geplanten OP. kam erst um 15:30 der Stationsarzt und sagte, das Operations-Team hat sich die Röntgenbilder "nochmal" angeschaut, wie müssen ihnen den Oberschenkelknochen durchtrennen, ihn gerader stellen, sonst bringt ihnen das künstliche Knie alleine nichts. Davon war nie die Rede beim Vorgespräch. Ich war aufgeregt, die Operation wäre so spät noch am Nachmittag. Ich weigerte mich die Operation anzunehmen, bekam Bedenkzeit bis zum nächsten Tag in der Früh. Als ich dann gefragt wurde, dann bot man mir bei meiner Ablehnung doch tatsächlich die 1. Operation wieder an. Meine Alarmglocken haben geläutet, da geht bestimmt was nicht in Ordnung, verlangte die Entlassung aus der Klinik. Seit 2022 habe ich ein künstliches Knie und seitdem weder Schwellungen noch unnormale Probleme /auch bei der Reha nicht. Leute holt eine neutrale Zweit-Meinung ein.
Kommentar 25: Mel schreibt am 23.04.2025, 20:14 Uhr :
Man kann froh sein, wenn man nicht ins Krankenhaus muss. Egal ob Kassenpatient oder Privatversichert. Ich kenne schwierige Geschichten aus beiden Bereichen. Viel hat mit Personalmangel zu tun und mit dem Umgang der Klinik mit Fehlern. Eine Bekannte hat seit vielen Jahren eine Schienenorthese, weil bei der Hüft-Op, die ein Arzt mit Alkoholproblem (war bekannt) durchgeführt hat, etwas schief gelaufen ist. Fragt sich, warum die Klinik den Arzt hat weiter operieren lassen.
Kommentar 24: Brigitta S. schreibt am 23.04.2025, 17:18 Uhr :
Das Bundesministerium für Gesundheit erklärt im Internet die Patientenrechte. Wer sich da die Rechte durchliest, der liest eine politische Gesundheits-Wissenschaft, wie man mit Behandlungsfehlern umgeht. Ich habe mir die Mühe gemacht und sie gelesen. Es sind zu viele Theorie Hinweise, was in der Praxis nicht so bei Betroffenen läuft. Dazu gehören die Götter in weiß, die es noch gibt. Lauterbach hat viel den Patienten angeraten, im Gesundheitswesen läuft der Weg oft anders, auch bei den Arztfehlern. Nur der Kranke der noch kränker wurde durch einen Arztfehler kann die Wahrheit spüren. Leider stelle ich fest, was nicht direkt sichtbar ist an Fehler am Körper für den Betrachter, bekommt die psychosomatische Diagnose. Moderne Untersuchungsgeräte sind teuer, die Kasse zahlt oft nicht, also bleibt vieles Blickdicht. Es ist eine Hilfe-Schande, wenn Geräte nicht eingesetzt werden, besonders da wo der Arzt zu Senioren -Patienten pauschal sagt, "ihre Beschwerden sind „Altersbedingt“!
Kommentar 23: Lia schreibt am 23.04.2025, 17:13 Uhr :
Ich würde ein Vorgehen wie in Dänemark begrüßen. Gerade wenn es um Unikliniken und Chefärzte geht, wird hier alles dafür getan, damit der Prozess nicht gewonnen wird. Von Gefälligkeitsgutachten bis Anwälte an der kurzen Leine ist dort alles möglich. Die Gerichte spielen da ebenso mit. Eine Schande für jeden Betroffenen, der mit den Folgen ärztlicher Fehler ein Leben lang zu kämpfen hat. Hier muss unbedingt ein Umdenken stattfinden.
Kommentar 22: Sigrid Möller schreibt am 23.04.2025, 16:24 Uhr :
Mein Mann starb nach einer Routineoperation im Rhön Klinikum. Es wurde ein Zvk am Hals statt auf die Vene auf die Arterie gesetzt. Der Fehler wurde erkannt aber erst nach zwölf Stunden korrigiert. War wohl gerade Feierabend. Zwei Schlaganfälle, ein Herzstillstand und massive Forderung der Klinik, dem Abschalten der Geräte zuzustimmen. Der/die Verursacher hat es nicht für notwendig erachtet, mir das Geschehene zu erklären. Ich wünsche niemandem etwas Schlechtes, aber dieser Person wünsche ich, dass ihr das gleiche widerfahren möge, was die mir und meinem Mann angetan hat. Möge Sie das Gesicht meines Mannes bei jedem Eingriff an anderen Patienten vor sich sehen. War es Unwissenheit, Unfähigkeit, falsches Vorgehen, Überheblichkeit, Übermüdung ?Ich leide unter dem Gedanken, das ich nicht versucht habe meinen Mann in eine andere Klinik zu verlegen. Vielleicht hätte er doch noch eine Chance gehabt
Antwort von Susan , geschrieben am 23.04.2025, 19:36 Uhr :
Mein unendliches und aufrichtiges Beileid.
Antwort von David Krüger , geschrieben am 24.04.2025, 00:45 Uhr :
Absolut unverständlich. Ich hatte von der Rhön Klinik in Bad Neustadt zuvor immer eine gute Meinung. Mein Vater wurde dort vor 20 Jahren in der Hand chirurgie gut behandelt. Wenn ich das nun hier lese, kann ich von Glück sprechen, das ihm dort nicht ähnliches passiert ist. Wirklich sehr traurig, ich fühle mit ihnen.
Kommentar 21: Sigrid Möller schreibt am 23.04.2025, 16:17 Uhr :
Mein Mann starb nach einer Routineoperation im Rhön Klinikum. Es wurde ein Zvk am Hals statt auf die Vene auf die Arterie gesetzt. Der Fehler wurde erkannt aber erst nach zwölf Stunden korrigiert. War wohl gerade Feierabend. Zwei Schlaganfälle, ein Herzstillstand und massive Forderung der Klinik, der Geräteabschaltung zuzustimmen. Der/die Verursacher hat es nicht für notwendig erachtet, mir das Geschehene zu erklären. Ich wünsche niemandem etwas Schlechtes, aber dieser Person wünsche ich, dass ihr das gleiche widerfahren möge, was die mir und meinem Mann angetan hat. Möge Sie das Gesicht meines Mannes bei jedem Eingriff an anderen Patienten vor sich sehen. War es Unwissenheit, Unfähigkeit, falsches Vorgehen, Überheblichkeit, Übermüdung ?Ich
Kommentar 20: Dagi schreibt am 23.04.2025, 14:50 Uhr :
Und wieder einmal wird mir bewusst, warum ich nie zum Arzt gehe.
Kommentar 19: Chris Krug schreibt am 23.04.2025, 12:42 Uhr :
Dringender Änderungsbedarf der Patientenrechte 1. Meldepflicht von Ärzten, Patienten und Kliniken wie in Frankreich und Schweden oder Dänemark 2. Entschädigungsfonds einrichten mit Sofortzahlungen an Geschädigte 3. Beweislastumkehr, der Behandler muss beweisen keine Fehler gemacht zu haben!
Kommentar 18: Kommentar eines Notarztes schreibt am 23.04.2025, 08:08 Uhr :
Als Notfallmediziner, der lange auf ITS und in der Notaufnahme gearbeitet hat, widerspreche ich der Aussage, es gäbe keine Fehlerkultur im Krankenhaus. In jeder Klinik gibt es etablierte Systeme wie CIRS, über das Mitarbeitende anonym Risiken melden können. Diese werden ausgewertet und führen zu Verbesserungen. Auch M&M-Konferenzen (Morbidität & Mortalität) dienen der ehrlichen Aufarbeitung von Komplikationen. Fehler passieren, besonders unter dem hohen Druck im Gesundheitswesen. Es ist absolut verständlich, dass Betroffene wütend und enttäuscht sind – sie haben jedes Recht dazu. Aber die Behauptung, solche Fehler würden systematisch ignoriert, wird der Realität nicht gerecht. Viele Teams arbeiten täglich daran, aus Fehlern zu lernen und die Versorgung sicherer zu machen.
Antwort von Joshua1980 , geschrieben am 23.04.2025, 11:27 Uhr :
Natürlich gibt es M&M Konferenzen. Und die gibt es auch in vielen Kliniken, auch fachrichtungsübergreifend. Das ist auch gut so. Aber selbst wenn diese regelhaft ausgetragen werden, können sie nicht alle Fehler oder Beinahe-Fehler analysieren und aufarbeiten. Und es gibt auch CIRS. Hier sind ja die Anästhesie Abteilungen schon seit langem federführend. Aber auch das CIRS muss gelebt werden. Und sowohl bei den M&M Konferenzen, als auch bei CIRS ist die Qualität mal gut, mal schlecht. Fakt ist aber, dass der Kostendruck immens ist, die Personaldecke oft sehr knapp ist (ich kann jetzt OP und Intensiv gut beurteilen) und allein diese Bereiche leiden dann auch an der Qualität der Ausbildung und Supervision. Geschäftsführungen wollen aber nicht hören, dass da ein Gang zurück genommen werden muss (das ist leider auch Alltag) und damit sinkt stetig die Qualität der Behandlung. Für weniger Fehler braucht es bessere Ausbildung und stabile Finanzen. Und die sind derzeit nicht in Sicht.
Antwort von Brigitta S. , geschrieben am 23.04.2025, 14:43 Uhr :
"Viele Teams arbeiten täglich daran, aus Fehlern zu lernen und die Versorgung sicherer zu machen" ? Mag human stimmen, jedoch ist und bleibt der Patient ein vermarktetes, wirtschaftliches Versuchskaninchen im Gesundheitswesen. Ja, nur durch Patienten kann die Ärzteschaft weiterlernen. Natürlich können Fehler unter hohen Druck mit Zeitnot schnell passieren. Sie geschehen aber auch durch Ablenkung, wenn der Arzt dem Patienten nur eine kurze Zeit sich widmen kann. Die kommende epA-Patientenakte wird es nicht besser machen, welcher Arzt liest eine schwere Krankheitsgeschichte eines Patienten durch, das dauert weil sie oft zu lang ist. Nur Medikamente sind schnell erfasst in der Akte. Wer in der Notaufnahme landet, der kann bei einen drohenden Infarkt nicht auf eine Wartezeit gesetzt werden, damit sich der Arzt ausreichend am Computer einlesen kann. Ich bin überzeugt, Fehler passieren meisten da, wo Personal fehlt, bei den Ärzten und auf der stationären Versorgung.
Kommentar 17: Dennissalzmann1984@web.de schreibt am 23.04.2025, 07:13 Uhr :
Passiert immer wieder. U d was auch immer wieder passiert ist das den Ärzten kaum Strafe droht max kriegen die Bewährung. Wer das Leben ei es anderen zerstört soll selbst ein zerstörten Leben haben. Ich fordere Lebenslang für Ärzte die grob fahrlässig Menschen zu behinderten machen. Konsequenzen jetzt