Proteste in Niederlanden: Regierung will Gespräche mit Bauern

Stand: 07.07.2022, 17:40 Uhr

Nach mehr als zwei Wochen andauernden Protesten in den Niederlanden hat die Regierung die Verbände der Bauern zu Gesprächen aufgerufen.

Die Bauernverbände sollten das Gesprächsangebot der Regierung annehmen, forderte die Umweltministerin Christianne van der Wal am Donnerstag in Den Haag. Der größte Interessensverband LTO lehnt jedoch Gespräche mit dem von der Regierung eingesetzten Vermittler ab. Auch andere Organisationen hatten zuvor das Angebot abgewiesen.

Bauernprotest: 19 Festnahmen am Donnerstagmorgen

In der Nacht zum Donnerstag hatte es erneut Zusammenstöße mit Bauern gegeben. In Blijswijk bei Den Haag griffen mobile Einsatzkräfte der Polizei ein und lösten eine Blockade mehrerer Großlager von Supermärkten auf. 19 Demonstranten wurden vorläufig festgenommen worden, darunter neun Minderjährige.

Proteste gab es auch an anderen Orten im Land. So demonstrierten rund 200 Bauern mit Treckern vor der Provinzverwaltung in Arnheim. An anderen Orten steckten Landwirte auch Heuballen entlang von Autobahnen in Brand.

Niederländische Bauern protestieren gegen Umweltauflagen

Seit Wochen kommt es in den Niederlanden zu Protesten von Bauern gegen strengere Umweltauflagen. Unter anderem kam es zu Traktoren-Demonstrationen, Auseinandersetzungen vor dem Privathaus einer Politikerin und einer Blockade von Supermarkt-Lagerhallen.

Die Regierung will den Stickstoff-Ausstoß landesweit um 50 Prozent bis 2030 reduzieren, bei Naturgebieten sogar um mehr als 70 Prozent. Das kann nach Berechnungen der Regierung zum Aus für etwa 30 Prozent der Viehbetriebe führen. Die Bauern reagierten wütend und blockierten mit Treckern Autobahnen und Großlager von Supermarktketten.

Um den Konflikt zu lösen, hatte die Regierung des rechtsliberalen Premiers Mark Rutte einen Vermittler berufen, nämlich Ex-Minister Johan Remkes. Doch die Bauern lehnen ihn ab, da er selbst mit für die Stickstoff-Politik verantwortlich sei. Sie fordern eine grundsätzliche Änderung der Pläne.

Gezielte Schüsse der Polizei am Dienstag

Am Dienstagabend hatte die Polizei nach eigenen Angaben bei einer Demonstration Warnschüsse und auch gezielte Schüsse abgegeben. Der Vorfall wird von Seiten der Behörden so beschrieben: Auf einer Autobahnauffahrt in Heerenveen im Norden des Landes habe es eine Blockade von Landwirten gegeben. Traktorfahrer seien gezielt auf Polizisten und Polizeiautos zugefahren. Es sei eine "bedrohliche Lage" entstanden. Die Beamten hätten daher Schüsse abgegeben. Ein Traktor sei getroffen worden. Verletzte habe es nicht gegeben.

In den Reihen der Landwirte wird die Darstellung der Polizei bestritten. Es heißt, die Polizei sei nicht bedroht worden.

Drei Menschen sind nach derzeitigem Stand wegen versuchten Totschlags festgenommen worden. Laut der Polizei Leeuwarden soll es sich dabei um einen 46-jährigen Mann aus Opsterland, einen weiteren 34-jährigen Mann sowie einen 16-jährigen Jugendlichen aus Heerenveen handeln.

Offenbar Protest vor Polizeistation in Leeuwarden

Laut Informationen der niederländischen Zeitung de Gelderlander sollen die drei Männer weiterhin in Gewahrsam sein. Am Mittwochnachmittag soll es vor der Polizeistation in Leeuwarden deshalb Proteste gegeben haben.

In Sozialen Netzwerken wie Twitter kursieren Videos der Protestaktion - sie konnten vom WDR bislang nicht eindeutig verifiziert werden.

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Beim im Tweet genannten "Jouke" handelt es sich um den 16-Jährigen, der offenbar ebenfalls einen der Traktoren fuhr. Nach Angaben seiner Mutter in der Zeitung de Gelderlander habe er nicht auf die Polizei zufahren wollen, sondern wollte vielmehr um den Hang herumfahren. Die niederländische Kriminalpolizei untersucht den Vorfall.

Traktoren vor Supermarkt-Lagern

Klar ist aber schon jetzt: Für Entspannung der derzeit aufgeheizten Situation sorgen die neuen Ereignisse nicht. Seit einigen Tagen werden bereits die Lager von großen Supermarktketten mit Traktoren blockiert. Lastwagen können die Märkte deshalb nicht beliefern. Zuletzt war es bei den Protesten schon zu Gewalt gekommen. So lieferte sich eine Gruppe vor dem Privathaus der niederländischen Umweltministerin Auseinandersetzungen mit der Polizei. Bei einer anderen Aktion wurde ein Polizeiwagen attackiert.

Blockade eines Flughafens

Landwirte blockieren die Eingangshalle des Groninger Flughafens mit Traktoren

Am Mittwoch wurde auch der Flughafen in Groningen blockiert. Der Bürgermeister der betroffenen Gemeinde Tynaarlo, Marcel Thijssen, sagte regionalen Medien, die Gemeinde habe mit den Landwirten vereinbart, dass sie die Start- und Landebahnen frei lassen. "Die Landwirte haben angedeutet, dass sie den Protest ruhig halten wollen. Ich bin zuversichtlich, dass es ohne Vorfälle ablaufen wird", sagte Thijssen bei RTV Noord.

Landwirte sorgen sich um ihre Zukunft

Die niederländische Regierung will den Ausstoß von Schadstoffen wie Stickoxid und Ammoniak drastisch senken, um die Klimaziele zu erreichen. Die geplanten Vorgaben wirken sich vor allem auf die Viehwirtschaft auf. Es wird damit gerechnet, dass die Zahl der Tiere in den Ställen drastisch reduziert werden muss. Insbesondere dagegen richtet sich der Protest der Landwirtinnen und Landwirte.