Hintergrund: Warum Bauern in den Niederlanden protestieren

Stand: 07.07.2022, 17:05 Uhr

Seit mehr als zwei Wochen protestieren niederländische Bauern gegen geplante Umweltauflagen - teilweise mit Gewalt. Zum Hintergrund des Konflikts - ein Überblick.

Es begann friedlich - mit einer großen Demonstration im landwirtschaftlich geprägten Gelderland Mitte Juni. Doch in den Tagen danach sind die Protestaktionen niederländischer Bauern eskaliert. Sie ärgern sich über strengere Umweltauflagen.

Nach einem höchstrichterlichen Urteil muss die niederländische Regierung den Stickstoff-Ausstoß deutlich reduzieren, in manchen besonders schützenswerten Naturgebieten sogar um bis zu 70 Prozent. Gerade in solchen Regionen fühlen sich die Bauern unter Druck gesetzt. Sie befürchten, dass zahlreiche Vieh-Betriebe schließen müssen.

Caroline van der Plas | Bildquelle: IMAGO/Bart Maat

Caroline van der Plas, die mit ihrer "Boer Burger Beweging" die Landwirte im Parlament vertritt, sagt, ihnen bleibe nur die Wahl, auf Öko-Landbau umzustellen, mit dem Hof umzuziehen oder den Betrieb komplett aufzugeben.

"Wir stehen kurz davor, dass in den Niederlanden der gesamte Agrarsektor so gut wie weggefegt wird aus diesem Land." Caroline van der Plas

Das werde dann auch Folgen für die Bürger haben. Sie zeigt Verständnis für den Unmut der Landwirte, aber nicht für die ausufernden Proteste.

Jahrzehntelang EU-Grenzwerte verletzt

Nach Berechnungen der Regierung können die Umweltauflagen das Ende von 30 Prozent der Vieh-Betriebe bedeuten. Vor allem die Viehzucht ist nach Regierungsangaben für schädliche Stickstoffverbindungen verantwortlich.

Das Vieh produziert Mist, der Ammoniak freisetzt. Der gelangt in die Luft und die hohen Stickstoff-Konzentrationen sind gerade für Naturgebiete schädlich. Die Konzentrationen sind weitaus höher als im Rest von Europa, wegen der intensiven Viehzucht in den Niederlanden.

Schon seit mehr als 30 Jahren verletzen die Niederlande EU-Grenzwerte. Das höchste Gericht des Landes hatte 2019 die Notbremse gezogen und bestimmt, dass die Stickstoff-Normen eingehalten werden müssen.

Mehr Vieh als Einwohner

Die Proteste hatten sich an Plänen der Regierung entzündet, den Ausstoß von Stickoxiden und Ammoniak bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Die Provinzregierungen haben ein Jahr Zeit, Wege zur Umsetzung festzulegen. Die Bauern werfen der Regierung vor, sie kümmere sich nicht um ihre Zukunft.

Die Niederlande - in etwa so groß wie Niedersachsen - sind nach den USA der zweitgrößte Agrarexporteur der Welt und einer der größten Treibhausgasemittenten in Europa. In dem Land mit 17,5 Millionen Einwohnern stehen zwölf Millionen Schweine, vier Millionen Rinder und 100 Millionen Hühnchen in Ställen und auf den Weiden. 

Bauern in NRW setzen auf "Kooperation statt Konfrontation"

Beim Rheinische Landwirtschafts-Verband wird zwiegespalten auf die Proteste in den benachbarten Niederlanden geblickt. Es wird zwar eingeräumt, dass es zu "schwerwiegenden Auswirkungen" der Regierungspläne kommt und dadurch Emotionen ausgelöst werden.

Diese dürften aber nicht dazu führen, dass die Privatsphäre von Politikern missachtet oder Sachschäden "billigend in Kauf genommen werden", teilt der Verband am Dienstag dem WDR mit. "Mit dieser Form der Auseinandersetzung wird die sachliche Ebene verlassen." Das Kernproblem rücke dadurch aus dem Blick. Nämlich: Wie die landwirtschaftliche Produktion mit den Erfordernissen der Umwelt verbunden werden könne.

Laut dem Rheinische Landwirtschafts-Verband macht die Auseinandersetzung im Nachbarland deutlich, dass eine "teils überzogene Umweltgesetzgebung" zu "gravierenden Auswirkungen" auf die Agrarstruktur führen könne. "Am Ende geht es darum, ob die Gesellschaft heimische Lebensmittel will oder andernfalls bereit ist, Produktionsverlagerungen in andere Regionen mit geringeren Umwelt- und Sozialstandards hinzunehmen." Um das zu verhindern, werde in NRW auf "Kooperation statt Konfrontation" gesetzt.