Alle für den Frieden: Pro-ukrainische und pro-russische Aktionen in NRW

Stand: 08.05.2022, 11:42 Uhr

Zum 77. Jahrestag des Kriegsendes gibt es heute in Deutschland zahlreiche Gedenkveranstaltungen und Kundgebungen. In Köln werden tausende Menschen zu einer Demonstration gegen den russischen Krieg in der Ukraine erwartet. Aber auch pro-russische Aktivisten sammeln sich gerade in Köln.

In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 hatte der sowjetische Marschall Georgi Konstantinowitsch Schukow in Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht entgegengenommen. Der Jahrestag des Kriegsendes und des Sieges über Nazi-Deutschland wird traditionell am 9. Mai in Moskau und am 8. Mai in Deutschland gefeiert - auch in NRW.

Demonstration "Solidarität mit der Ukraine" in Köln

Vor dem Hintergrund des völkerrechtswidrigen Krieges, den Russland in der Ukraine führt, droht das Gedenken an den 2. Weltkrieg allerdings in den Hintergrund zu treten. In Köln werden heute tausende Menschen zu einer Demonstration gegen den russischen Krieg in der Ukraine erwartet.

Unter dem Motto "Solidarität mit der Ukraine" hat der Veranstalter "Blau-Gelbes Kreuz" bis zu 10.000 Teilnehmende angemeldet. Beginn ist um 15 Uhr an der Deutzer Werft. Die Abschlusskundgebung wird um 17 Uhr auf dem Heumarkt stattfinden. Auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wird da sein.

Mit Russlandfahnen nach Köln

Zur gleichen Zeit finden in Köln aber auch zwei pro-russische Veranstaltungen statt. Schon am Vormittag sammelten sich etliche mit Russland-Fahnen ausstaffierte Autos und Motorräder auf einem Parkplatz. Die Polizei hat dabei strenge Auflagen gemacht. Kriegszeichen wie das Zeigen des Buchstaben "Z", das den Angriffskrieg symbolisiert, sind verboten. Die Teilnehmenden sagen, sie würden für den Frieden demonstrieren. In der Ukraine wüte kein von Krieg, sondern vielmehr eine russische Militäraktion gegen den Krieg.

Elena Kolbasnikova zählt zu den Initiatoren des pro-russischen Autokorsos. Sie wollen "mit friedlichen Mitteln" zeigen, dass sie gegen den Krieg sind. Die Kölnerin stammt aus Dnipro in der Ukraine und hat Angst, dass der Krieg irgendwann auch nach Deutschland kommen könnte.

Teile der post-sowjetischen Community folgen dem Kreml-Narrativ

Kolbasnikova verurteilt den von Russland geführten Krieg im Gegensatz zur Vollversammlung der Vereinten Nationen nicht. Im Gegenteil, sie sagte dem WDR vor dem Wochenende: "Russland hat die Ukraine nicht angegriffen. Es gibt eine Militäroperation, die hilft, den Krieg in der Ukraine zu stoppen. In der Ukraine zur Zeit ist eine nationalistische Regierung an der Macht."

Eine Meinung, mit der sie in der post-sowjetischen Community zwar nicht alleine steht, doch viele Russinnen und Russen, die in Deutschland leben, sehen das entschieden anders. Zu dieser Gemeinschaft der post-sowjetischen Community zählen all jene, die ihre Wurzeln in Staaten haben, die bis zu ihrer Auflösung 1991 zur Sowjetunion gehört haben. Russland als Schutzmacht russischsprachiger Menschen – dieses Narrativ, verbreitet durch den Kreml, die russischen Staatsmedien und auf Social media entspreche nicht den Tatsachen, sagt die Osteuropa-Wissenschaftlerin Susanne Spahn.

"Russland spielt sich als Schutzmacht auf. Das entspricht nicht den Tatsachen." Susanne Spahn

Diese Darstellung sei Teil einer hybriden Kriegsführung, so Spahn. Ziel: "Es geht auf der einen Seite darum, die Demokratie in Deutschland zu schwächen und auf der anderen Seite darum, das autoritäre System in Russland als bessere Alternative zu propagieren und Präsident Putin als effektiven Krisenmanager in Szene zu setzen", so die Osteuropa-Expertin.

Aktionen gegen den Krieg auch in Bonn

Julia Müller und Sofiya Bohoslavets von der Initiative "Solidarität Bonn-Ukraine", die am Wochenende Aktionen gegen den Krieg in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn planen, teilen die Sicht des Kremls nicht. Bohoslavets kommt aus der Ukraine und lebt seit fünf Jahren in Deutschland. Sie sagt, dass einige Russinnen und Russen aus der Geschichte nichts gelernt hätten.

Riss in der Community durch Medienkonsum

Die Sowjetunion gibt es nicht mehr, und diese hat Müller auch nie als ihre Heimat betrachtet. Sie ist in Kiew geboren und war neun Jahre alt, als die Sowjetunion zusammenbrach. Gesehen aber habe sie sich immer als Ukrainerin. "Wir sind ein anderes Volk und ein anderes Land mit anderen Traditionen, mit einer anderen Kultur, mit einer anderen Mentalität, mit einer anderen Sprache", sagt Müller.

Dietmar Schulmeister, Vorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in NRW, ist Deutscher, gehört aber gleichzeitig zur russischsprachigen Community in NRW, für die der Krieg "ständig präsent" sei: "Wir können hier einen Riss beobachten. Jedoch keinen Riss zwischen den Generationen, sondern einen Riss zwischen den Personen, die russisches Fernsehen konsumieren und denen, die deutsche Medien hören." Seine Organisation verurteilt Putins Krieg scharf.

Unabhängig vom Alter, aber abhängig vom Medienkonsum treibe der Krieg einen Keil zwischen die Menschen: "Wir können sehen, dass Familien auseinandergehen. Wir können sehen, dass Menschen sich anfeinden in den Geschäften, dass Freundschaften zerplatzen, weil der Krieg natürlich auch in die Familien vordringt. Das war schon so bei der Krim-Krise", sagt Schulmeister. Dieser Keil wird am Wochenende wohl auch bei den Demonstrationen sichtbar werden.

Über dieses Thema berichtete auch das WDR 5 Morgenecho am 07.05.2022.

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