Studie zur Altersdiskriminierung: Sind die Alten nichts mehr wert?

Stand: 15.12.2022, 12:30 Uhr

Fachkräfte- und Nachwuchsmangel - ältere Menschen müssten eigentlich einen guten Stand in der Arbeitswelt haben. Eine neue Umfrage aber zeigt: Viele trauen den Älteren nicht mehr viel zu, vor allem im Berufsleben.

Von Nina Magoley

Mal heißen sie "Best Ager" oder "Silver Generation" - und dann wieder gelten sie als Bremser, nicht mehr kompetent, als Auslaufmodell: Die Älteren in der Gesellschaft. Als vor Jahren klar wurde, dass es einen wachsenden Fachkräftemangel geben wird, richtete sich der Blick auf sie: Bereits pensionierte Menschen könne man zurückholen, von ihrem wertvollen Wissen profitieren - so hieß es.

Doch offenbar genießen die Älteren bei einem guten Teil der Bevölkerung kein besonders großes Ansehen - gerade, wenn es um berufliche Kompetenz geht. Das zeigt eine Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die am Donnerstag veröffentlicht wurde.

Rund ein Drittel der Befragten fanden, dass alte Menschen "Platz machen" sollten für die jüngere Generation, indem sie wichtige berufliche und gesellschaftliche Rollen aufgeben. Mehr als die Hälfte war der Überzeugung, dass ältere Menschen nicht entscheidend zum gesellschaftlichen Fortschritt beitrügen. 51 Prozent fänden eine Regelung richtig, wonach Menschen nur bis zu einem bestimmten Alter, wie etwa bis 70 Jahre, politische Ämter innehaben dürfen. 40 Prozent sagten zudem, dass bei der Bewältigung des Klimawandels die Jungen von den Alten im Stich gelassen würden.

Anteil der Ü-70-Jährigen oft überschätzt

Weißhaarige Frau steht mit Tablet in einer Werkhalle

Wie lange im Job bleiben?

Für die Studie mit dem Titel "Ageismus - Altersbilder und Altersdiskriminierung in Deutschland" wurden 2.000 Menschen ab 16 Jahren befragt. Dabei ging es zum Einen um die Meinung über Ältere - in der Studie heißt das "Vorurteile" -, zum Anderen aber auch um eigene Erfahrungen mit Altersdiskriminierung. Interessant dabei: Drei Viertel der Befragten überschätzten den Anteil der älteren Menschen über 70 Jahre in der Bevölkerung erheblich. Sind es tatsächlich nur rund 18 Prozent, tippten die meisten auf 30 Prozent. Dabei erklärten aber drei Viertel der Befragten, dass es ihnen wichtig bis äußerst wichtig sei, als vorurteilsfrei zu erscheinen.

Die Auftraggeber der Studie allerdings sehen in den Antworten eine Haufen Vorurteile: "Die Zahlen sind drastisch und zeigen, dass Klischees und stereotype Vorstellungen über ältere Menschen fest verwurzelt sind", sagt die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Ferda Ataman. Pauschale Aussagen über Ältere wie etwa die, sie seien "zu wenig leistungsfähig", "nicht anpassungsfähig" oder "nicht fit genug", bedrohten das Zusammenleben der Generationen.

Erfahrungswissen erst nach vielen Jahren im Beruf

Selbst sie sei von dem Ergebnis der Studie überrascht gewesen, sagte die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, Regina Görner, am Donnerstag im WDR Radio. "Seit 35 Jahren reden wir über überholte Altersbilder" - dass dieses Bild offenbar immer noch aktuell ist, habe sie schockiert. Offenbar herrschten noch immer Vorurteile bezüglich der Fähigkeiten und Kreativität älterer Menschen, sagte die 72-Jährige, dabei seien sie durch die Forschung "längst widerlegt". Berufliches Erfahrungswissen beispielsweise entstehe erst durch lange Jahre im Beruf. Erfahrene Stahlarbeiter beispielsweise hätten ein untrügliches Gefühl für die richtige Mischung des Stahls, "die sehen und riechen das". Solche Kompetenzen erwerbe man erst nach vielen Berufsjahren.

Ein Ehrenamtler sitzt hinter dem Steuer und fährt Schulkinder.

Ehrenamtler als Fahrer für Schulkinder

Auch beim Thema Resilienz hätten Ältere mehr zu bieten als Jüngere, meint Görner - das zeige sich gerade in den aktuellen Krisen: "Man reagiert besser bei Herausforderungen." Ideale Arbeitsteams seien zusammengesetzt aus Älteren und Jüngeren, kombinierten die Kompetenzen beider Generationen.

Die ehemalige CDU-Politikerin wehrt sich auch dagegen, dass die Wertigkeit meist nur bezogen auf das Arbeitsleben gesehen werde: Wer in Rente geht, habe in der Regel noch ein Viertel seines Lebens vor sich. "Diese Zeit kann man doch nicht einfach ausblenden", sagt Görner. Und sie verweist auf das wichtige Thema Ehrenamt: Das werde maßgeblich getragen von Älteren, die "verlässliche Freizeiten" haben.

Laut Statistischem Bundesamt sind 17 Prozent der über 65-Jährigen in Deutschland noch in Arbeit - deutlich mehr als noch vor zehn Jahren. Grund sei die Erhöhung des Rentenalters, aber auch ein gestiegenes Bildungsniveau. Fast drei Viertel der Ü-60-Jährigen, die noch im Job sind, gelten als hochqualifiziert. 39 Prozent der Ü-65-Jährigen arbeiten noch, um eine drohende Altersarmut abzuwenden.

Auch Jüngere erleben Altersdiskriminierung

Altersdiskriminierung ist aber bei weitem nicht nur ein Thema der älteren Menschen. Darauf geht die Studie allerdings nur am Rande ein: Auch junge Menschen vor allem zwischen 16 und 24 Jahren erleben offenbar Diskriminierung wegen ihres Alters - bei der Wohnungssuche etwa, während der Arbeit oder bei "Geldangelegenheiten".

Viele Junge sehen sich ebenso benachteiligt, wenn es beispielsweise um die Jobsuche geht. Für das Thema im WDR-Podcast "0630" am Freitag gingen vorab bereits viele Rückmeldungen ein: "Versucht man als junger Mensch sich für eine Führungsposition zu bewerben, so bekommt man oft eine Absage aufgrund fehlender Erfahrung", sagt etwa Hörer Alex. "Woher soll man aber diese Erfahrung nehmen wenn nicht durch die Praxis! ... Da hilft nur suchen, suchen, suchen, bis man einen Arbeitgeber findet der an einen glaubt und dich fördern will."

Deutsche Bischöfe warten auf die Ankunft von Papst Franziskus, Archivbild 17.11.2022, Rom, Vatikan

Katholische Kirche: "Vorwiegend weiße alte Männer"

Hörer Jens macht auf einen Widerspruch aufmerksam: Einerseits "möchte man keine Altersdiskriminierung", andererseits mache sich "die halbe Welt über die Kardinäle und die Altersstruktur im Vatikan lustig". Sehr viele wichtige politische Ämter seien "von alten weißen Männern besetzt. Viele Gremien/Vorstände sind weder divers, noch paritätisch besetzt."

Per Grundgesetz gegen Altersdiskriminierung

Für die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Ataman zeigt das Ergebnis der Studie dennoch, dass der Begriff "Lebensalter" sogar in Artikel 3 des Grundgesetzes aufgenommen werden solle. Dort heißt es bislang: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."Ungleichbehandlung aufgrund des Alters, so Ataman, sei ebenso inakzeptabel.