MI-17-Hubschrauber der polnischen Armee bei der Nato-Übung in Litauen

NATO-Übung in Litauen - Soldat Younis ist mittendrin

Stand: 20.05.2022, 12:28 Uhr

Als Verteidigungsbündnis übt die NATO regelmäßig den Ernstfall, die Verteidigung Europas. Gerade endet die erste Übung seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Hauptgefreiter Younis war zum ersten Mal bei so einer Übung dabei.

Von Damla Hekimoğlu

Rukla, Litauen. Der Boden ist staubig. Rechts und links Bäume so weit das Auge reicht. Was auf den ersten Blick nach unberührter, menschenleerer Natur aussieht, täuscht. Bei genauem Hinschauen fällt auf: hinter den Bäumen und auf dem Boden sind Soldatinnen und Soldaten, getarnt in Uniform. Hauptgefreiter Younis ist einer von ihnen.

"Wir [haben] hier Systeme an, die sind wie modernes Lasertag. Wenn auf mich geschossen wird, zeigt er mir an, dass ich tot bin, obwohl das nur Laserstrahl war." Hauptgefreiter Younis

Der 20-Jährige ist seit eineinhalb Jahren bei der Bundeswehr. Vor zwei Tagen ist er von der Militärmaschine mit einem Fallschirm auf für ihn unbekanntes Terrain abgesprungen, 100 km Luftlinie von der russischen Enklave Kaliningrad entfernt. Den kleineren Schützengraben, in dem er sich in Stellung befindet, hat er gemeinsam mit seinem Kameraden gegraben.

Auf dem Truppenübungsplatz ist Hauptgefreiter Younis einer von rund 4.400 Soldatinnen und Soldaten, die an der Übung teilnehmen. Obwohl die NATO regelmäßig den Ernstfall probt, wird die schon länger geplante Übung in Litauen dieses Jahr anders wahrgenommen. Sie ist die erste Übung dieser Art in Litauen seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Bis zur russischen Enklave Kaliningrad sowie zu Russlands Verbündeten Belarus ist es von hier aus nicht weit.

Sollte der Feind – in dieser Übung sind es die litauischen Soldaten – die Feuerlinie überqueren, würden Younis und sein Kamerad schießen. Hier wird allerdings nicht mit scharfer Munition geschossen, sondern mit Platzpatronen. Krieg und Schießen kennt Hauptgefreiter Younis bisher nur von Übungen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat seinen Blick auf das Manöver verändert.

„Also damit hab ich auf jeden Fall nicht gerechnet, dass in der Ukraine Krieg ist. Vielleicht ist so eine Übung ziemlich gut, um nochmals die Skills aufzufrischen." Hauptgefreiter Younis

Baltikum in Sorge vor einer Aggression Russlands

Wenige Kilometer entfernt mitten in der Natur hat Rolandas Bortkunas ein Bed & Breakfast. Wenn ab und zu mal Panzer vor seiner Haustüre rollen, werden Erinnerungen an diese Zeiten wach. "Vor 20 Jahren war das ein russischer Sowjetstützpunkt hier, es war schrecklich und nicht gut für uns. Jetzt sind das unsere Jungs und es ist unser Lärm, das ist gut.", sagt er.

Das Baltikum ist durch die sicherheitspolitische Situation in Alarmbereitschaft und befürchtet einen Einmarsch Russlands. Ernestas ist stationierter Soldat in Rukla und kommt gerne am Teich von Rolandas Bortkunas nach Dienstschluss angeln. Seiner Meinung nach hätte Litauen im Ernstfall weder genügend Soldaten, noch Technik.

„Ohne die NATO wären es im Ernstfall harte Zeiten für uns. Ich denke wir würden nicht so frei leben können wir jetzt.“ Soldat Ernestas

Eine Übung - dennoch anstrengend

Trotz der wenigen Übungstage in Rukla sei das Ganze anstrengend, sagt Hauptgefreiter Younis. Sein Kamerad habe in den letzten zwei Tagen nur vier Stunden geschlafen. Im Ernstfall geht es um Leben und Tod. Der Gedanke, dass es zu einem Auslandseinsatz kommen könne, sei dem 20-Jährigen bewusst. Dafür habe er unterschrieben.

„[Ich möchte die] Menschen, die in Deutschland leben, beschützen - dafür würde ich auch mein Leben geben.“ Hauptgefreiter Younis

Die gesamte Übung ist mittlerweile beendet - Hauptgefreiter Younis ist bereits zurück in Deutschland.

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