
Sexismus beim Fußball: Was Schiedsrichterinnen erleben
Stand: 15.04.2025, 16:56 Uhr
Beleidigungen gegen die Unparteiischen gibt es bei fast jedem Fußballspiel. Schiedsrichterinnen werden jedoch immer wieder mit sexistischen Gesängen beleidigt, wie zuletzt beim Drittligaspiel von Rot-Weiss Essen. Eine Schiedsrichterin erzählt.
Von Cedrik Pelka
Estelle Meier steht auf dem Rasenplatz und schaut irritiert um sich. Sie kann nicht fassen, was gerade passiert ist. Meier soll als Schiedsrichterin ein Fußballspiel pfeifen, aber der Trainer redet nicht mit ihr. Der Trainer schaut konsequent an ihr vorbei. Er kommuniziert nur mit ihren männlichen Assistenten und fragt: "Wo ist denn der Dritte im Bunde?" Meier verschlägt es die Sprache. Sie ist doch hier.
Meier, deren Namen wir geändert haben, um die Schiedsrichterin vor Anfeindungen zu schützen, pfeift das Spiel an. Es geht hitzig zur Sache. Als Meier eine gelbe Karte zückt, sind die Fans der Heimmannschaft wütend. "Geh mal besser wieder mit deinen Puppen spielen", schreit ein älterer Mann.
Was machen sexistische Rufe mit Estelle Meier? (Stimme nachgesprochen)
00:23 Min.. Verfügbar bis 16.04.2027.
Solche und ähnliche Situationen sind Alltag für Meier. Seit über einem Jahrzehnt ist sie Schiedsrichterin, auch schlimmere Beleidigungen seien keine Ausnahme. "Ich habe Sexismus irgendwann einfach hingenommen. Als Selbstschutz. Was absolut nicht richtig ist", sagt Meier. Als Schiedsrichterin, egal ob in der Kreisliga oder im Profi-Bereich, ist Sexismus alltäglich. Das berichten Schiedsrichterinnen nicht nur aus NRW, sondern aus ganz Deutschland. Genaue Zahlen, wie häufig Unparteiische beleidigt werden, gibt es nicht. Der Deutsche Fußball Bund zählte in der Saison 2022/2023 insgesamt 54.170 aktive Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen. Der Anteil an Frauen lag nur bei 4,3 Prozent.
Übergriffe gegen Schiedsrichterinnen: Sexismus-Vorfall in der 3. Liga
Ende März rückte das Thema nach einem Vorfall im Profifußball mehr in die Debatte. Schiedsrichterin Fabienne Michel leitet am 28. März das Drittliga-Spiel SC Verl gegen Rot-Weiss Essen. Die 30-Jährige ist derzeit die einzige Schiedsrichterin in den drei deutschen Profiligen der Männer.

In der 3. Liga der Männer pfeift Fabienne Michel seit der Saison 2023/2024
Fans von Rot-Weiss Essen beleidigen Michel unter anderem als "Hure" und fordern sie zum Oralverkehr auf. Die Beleidigungen beginnen, nachdem Michel unglücklich mit einem Essener Spieler zusammenprallt und Verl im Anschluss trifft. Ein RWE-Spieler beschwert sich, woraufhin Michel ihm die gelbe Karte zeigt. Unterstützt von Megaphonen und Trommeln singen die Fans lautstark "Kraul mir mal die Wampe…" und beleidigen Meier mit einem Wort, das sich auf Wampe reimt. Der Vorfall wurde erst durch einen Bericht der Sportschau bekannt. Inzwischen hat der DFB ein Sportgerichtsverfahren eingeleitet und der Verein hat ein Statement auf seiner Homepage veröffentlicht.
Gegen Diskriminierung auf dem Platz hat der DFB den sogenannten 3-Stufen-Plan. Wenn etwa ein Spieler rassistisch beleidigt wird, darf der Schiedsrichter das Spiel zweimal unterbrechen, beim dritten Mal wird abgebrochen. Dass der Plan auch für Sexismus-Fälle gedacht ist, wusste selbst Maier nicht.
"Das macht was mit einem"
Sie ist nicht überrascht, dass während des Spiels keiner auf die Beleidigungen reagierte. Sie kennt es, wenn alle schweigen. "Jeder männliche Schiedsrichter, Funktionäre, Trainer, Spieler bekommt das mit auf dem Platz. Aber niemand sagt was dagegen. Wenn ich was sage, werde ich als hysterisch abgestempelt", sagt Meier. Sie habe zwar gelernt, mit Sexismus im Fußball umzugehen, manchmal beschäftige sie das aber schon noch. "Das macht was mit einem", sagt sie. Nach den Spielen sucht sie deswegen häufig das Gespräch und spricht in der Kabine mit ihren Assistenten über das, was sie erlebt hat.
Doch wie können solche Vorfälle in Zukunft verhindert werden? Welche Lösungen gibt es? Meier glaubt, das Verständnis muss wachsen, dass es Sexismus überhaupt gibt. Damit meint sie nicht nur die Fußballfans, sondern auch den DFB. Als sie zum ersten Mal bei einem Lehrgang ihre Schiedsrichterinnen-Ausrüstung bekommt, staunt sie. Die Hose in Frauengröße S ist deutlich kürzer als die mit dem Herrenschnitt, die sie sonst getragen hat. "Wenn man damit rennt, ist fast der ganze Hintern frei", sagt sie. Für Meier ist deswegen klar: Sie trägt weiterhin die "Männer-Hosen".
Über dieses Thema haben wir auch am 09.04.2025 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Ruhr, 19.30 Uhr.