Ein gerahmtes Foto von Frauke Liebs liegt am Fundort ihrer Leiche in einem Waldstück

Cold Case aus NRW: Das mysteriöse Verschwinden von Frauke Liebs

Paderborn | Verbrechen

Stand: 03.02.2025, 16:26 Uhr

Wer hat Frauke Liebs getötet? Diese Frage beschäftigt die Ermittler und ihre Familie seit fast 20 Jahren. Wie ein Mordfall eine ganze Region bis heute nicht loslässt.

Von Stefan Weisemann

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Sieben Anrufe, dann spurlos verschwunden

20. Juni 2006: Ganz Deutschland ist im Fußball-Fieber. Die Weltmeisterschaft im eigenen Land läuft, sie wird zu einer Art Sommermärchen. In einem Pub an der Libori Galerie in Paderborn guckt auch Frauke Liebs Fußball, zusammen mit einer Freundin. An diesem Dienstagabend spielt England gegen Schweden.

Um 23 Uhr verabschiedet sich Frauke Liebs von ihrer Freundin und macht sich zu Fuß auf den Weg nach Hause. Bis zu ihrer WG ist es etwas mehr als ein Kilometer. Doch dort kommt die 21-jährige Pflegeschülerin nie an. Mehr zum Verschwinden von Frauke Liebs gibt es bei WDR Lokalzeit MordOrte.

Schnell wird Freunden und Familie klar: Liebs muss etwas passiert sein. "Ich war absolut alarmiert. Ich wusste, dass irgendwas nicht stimmt und bin dann auch mittags bereits zur Polizeiwache gegangen, um Vermisstenanzeige zu stellen", sagt ihre Mutter Ingrid Liebs. Zunächst wartet die Polizei noch ab. Doch zwei Tage nach dem Verschwinden startet sie eine Suche mit Bildern im Fernsehen und auf Flugblättern.

Was den Fall besonders mysteriös macht: In den Tagen nach ihrem Verschwinden meldet sich Frauke Liebs noch insgesamt sieben Mal per Telefon oder SMS bei Freunden und Familie. Meistens meldet sie sich abends unter anderem aus Gewerbegebieten in Paderborn, wie später die Auswertung der Handydaten zeigt.

Fünf Bilder von Frauke Liebs hängen in einem Holzrahmen an der Wand

Frauke Liebs: Erinnerungen an eine fröhliche und aufgeschlossene 21-Jährige

In den Telefonaten sagt sie, dass sie bald nach Hause kommen werde. Ihr Mitbewohner sagt über die Telefonate, dass sie dabei monoton und langsam spricht. Am 27. Juni, also eine Woche nach ihrem Verschwinden, meldet sie sich das letzte Mal. Im Gespräch mit ihrem Mitbewohner und ihrer Schwester deutet sie an, dass sie nicht freiwillig weg ist. Es ist das letzte Lebenszeichen von Liebs.

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Ein Leichenfund im Nirgendwo

Gut drei Monate nach diesem Telefonat gibt es traurige Gewissheit: Frauke Liebs ist tot. In einem Waldstück bei Herbram-Wald, einem Stadtteil von Lichtenau bei Paderborn, findet ein Jäger durch Zufall ihre Leiche. Mitten im Nirgendwo. Das nächste Haus ist Kilometer entfernt, auch Wanderwege gibt es hier nicht. Nur eine Straße verläuft ein paar Meter von hier. Das Waldstück wird auch "Totengrund" genannt.

Die Leiche ist zu diesem Zeitpunkt schon stark verwest. Die Ermittler können so die Todesursache nicht mehr klären. Sie finden keine Schuss- oder Stichverletzungen, auch Anzeichen für ein Erdrosseln gibt es nicht. Das Handy, die Tasche, die Uhr, alles fehlt. Nur ein Kreuz, das Frauke Liebs an einer Kette getragen hat, ist noch da. Und die Kleidung. Es ist dieselbe wie bei ihrem Verschwinden: ein rotes T-Shirt, eine blaue Jeans und weiße Sneaker.

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Viele Hinweise, kein Durchbruch

Die Polizei bildet die Mordkommission "MK Lichtenau". Sie sammelt im ersten Jahr nach dem Verschwinden rund 700 Spuren, befragt rund 1000 Menschen. Fünf Männer werden intensiver vernommen, doch alle haben ein Alibi. Schließlich wird die Mordkommission aufgelöst. Doch die Versuche, den Fall noch aufzuklären, gehen weiter.

Der Fall wird im Laufe der Jahre in mehreren Fernsehsendungen gezeigt, unter anderem bei "Aktenzeichen XY... Ungelöst" im ZDF und in einer Dokumentation bei RTL. Auch ein Podcast des Magazins "Stern" widmet sich dem Fall ausführlich. Immer wieder gibt es nach der Ausstrahlung neue Hinweise. Einen Durchbruch bei den Ermittlungen gibt es allerdings nicht.

Zuletzt wird im Herbst 2024 ein Haus in Lichtenau durchsucht. Es ist eine von vielen Spuren, die am Ende ins Nichts führt. Mehr über die jahrelangen Ermittlungen zeigen wir im zweiten Teil des Films bei WDR Lokalzeit MordOrte.

"Der Mordfall Frauke Liebs ist natürlich ein besonderer Fall für mich als Staatsanwalt", sagt Kai Uwe Waschkies. Er kümmert sich bei der Staatsanwaltschaft Paderborn darum. Seine Liste an offenen Fragen ist bis heute lang: Wie ist Frauke Liebs in die Gewalt des Täters gekommen? Ist sie freiwillig mit ihm mitgegangen oder wurde sie überfallen? Was ist danach bis zu ihrem Tod passiert? Antworten darauf wünscht sich nicht nur der Staatsanwalt. Die ganze Region in und um Paderborn nimmt bis heute Anteil an dem Schicksal der jungen Frau.

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Die verzweifelte Suche der Mutter

Dass das Verschwinden und der Mord an Frauke Liebs nicht vergessen werden, liegt auch an ihrer Mutter. Von Anfang an kämpft Ingrid Liebs dafür, dass der Fall aufgeklärt wird. Auch, weil sie das Gefühl hat, von den Ermittlern nicht ernst genommen und im Stich gelassen zu werden. Schließlich schaltet sie sogar selbst eine Internetseite, um neue Hinweise zu bekommen. Für den entscheidenden Tipp werden 30.000 Euro ausgelobt.

Tatsächlich bekommt sie auf diesem Weg zahlreiche Hinweise, leitet sie an die Ermittler weiter. Einen echten Durchbruch bringen aber auch sie nicht. Schließlich gibt sie auf, nimmt die Seite vom Netz. Wer sie heute aufrufen möchte, sieht nur ein schwarz geschriebenes "Forbidden" auf dem Bildschirm. "Ich habe die Hoffnung verloren, dass ich den Täter noch finde", sagt Ingrid Liebs. "Ich glaube, ich habe alles getan, was man als Mutter tun kann." 

Ingrid Liebs Appell an Mitwisser und Täter

00:13 Min. Verfügbar bis 25.07.2025

Bis heute fehlt Frauke Liebs ihrer Familie bei jedem Treffen. "Bei Geburtstagen ist gedanklich immer ein Platz frei", sagt Ingrid Liebs in einem Interview, das hier zu lesen ist. "Natürlich fehlt Frauke, natürlich ist Frauke ein Teil des Lebens geblieben, und das wird sie auch bleiben."