Der silberne Metall-Mülleimer auf einem Flur im Krankenhaus Mechernich sieht übel mitgenommen aus. Drei dicke Dellen hat er, eine oben, zwei unten. Spuren eines Ausrasters. Einem Vater ging die Behandlung seines Sohnes nicht schnell genug. Mit Mut und Mühe kann Pflegedirektor Manuel Will die Situation entschärfen.
Es ist einer der harmloseren Fälle in Mechernich. Will hat da schon ganz anderes erlebt: "Da wollte ein Angehöriger nachts um 12 Uhr sein Enkelkind besuchen, und das geht natürlich um die Uhrzeit nicht. Er ist die Schwester dann körperlich angegangen, indem er sie zu Boden gestoßen hat."
Die schlimmste Situation in Mechernich, war aber eine andere. Auch hier wurde sie durch einen Vater ausgelöst. Auch ihm ging die Behandlung seines Kindes nicht schnell genug. Er zog eine Schreckschusspistole und hielt sie einer Mitarbeiterin an den Kopf. Die Polizei kam, alles ging glimpflich aus. Der Schock aber ist geblieben.
Aggressivität in Krankenhäusern nimmt zu
Das Krankenhaus in Mechernich ist damit kein Einzelfall. Viele Krankenhäuser in NRW berichten von erhöhter Aggressivität. Im Jahr 2022 gab es in NRW fast 1600 Fälle von Gewalt, Körperverletzung und Raub in medizinischen Einrichtungen. Das hat eine Anfrage des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" beim Landeskriminalamt (LKA) ergeben. Ein Anstieg um fast 30 Prozent innerhalb von drei Jahren. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, unter anderem deshalb, weil beispielsweise Beleidigungen und Bedrohungen hier nicht eingerechnet sind.
"Wenn Patienten oder Angehörige in die Räumlichkeiten kommen und die Mitarbeiter werden dann verbal attackiert oder auch körperlich angegangen, dann kommt natürlich Verängstigung auf", sagt Pflegedirektor Manuel Will. Seit 20 Jahren arbeitet er im Krankenhaus. Seiner Meinung nach nimmt die Aggressivität stetig zu.
Allein ist er damit nicht. Beleidigungen und Bedrohungen hat auch Monika Kogej schon erlebt. Sie ist Oberärztin in der Notaufnahme der Bonner Uniklinik. "Ich habe auch schon den Satz gehört: Auch du hast gleich Feierabend", sagt sie. "Es war eindeutig eine Drohung und es war so ein Satz, bei dem auch ich wirklich gedacht habe, okay, das nehme ich jetzt ernst."
Notaufnahmen besonders betroffen
Laut dem Pflegedirektor aus Mechernich komme es besonders in Notaufnahmen zu angespannten Situationen. Immer häufiger werde hier geschrien, gepöbelt und auch ausgerastet. "Verbale Angriffe haben wir wöchentlich", sagt Will. Er begründet das vor allem damit, dass die Krankenhäuser weniger Geld zur Verfügung haben, also auch die Personaldecke knapper wird. "Es müssen immer mehr Patienten durch ein Nadelöhr geschleust werden, in diesem Fall die Notaufnahme", sagt er. Mehr Patienten bedeuten längere Wartezeiten. Längere Wartezeiten bedeuten Frust und Sorge.
Zusätzlich spürt Will auch eine andere Haltung bei Patienten und Angehörigen: "Gerade nach der Corona-Pandemie ist die Lunte bei vielen Menschen sehr kurz, sie wollen sich nicht an die Regeln halten."
Mehr Sicherheitsmaßnahmen in Krankenhäusern
Immer mehr Krankenhäuser ergreifen nun Sicherheitsmaßnahmen. Die Bonner Uniklinik bittet in der Notaufnahme auf großen Monitoren um einen "respektvollen und höflichen Umgang". Inzwischen wurde ein Sicherheitsdienst für die Notaufnahme engagiert, der mit speziellen Handys mit Ortungsfunktion ausgerüstet ist. Auch die Pflegekräfte haben diese Handys, erklärt Oberärztin Kogej.
Auch im Krankenhaus Mechernich wird über einen Sicherheitsdienst diskutiert, konkret ist noch nichts. An anderen Stellen ist die Klinik schon weiter. Unter anderem gibt es mittlerweile eine Videoüberwachung vor der Intensivstation. Die Tür dorthin lässt sich nur noch elektronisch öffnen, damit Randalierer erst gar nicht hineinkommen.
Dazu kommen regelmäßig Trainings für die Mitarbeiter. Sie lernen dort, wie sie sich zum Beispiel aus einem Klammergriff befreien. Vor allem aber Deeskalation, damit es erst gar nicht so weit kommt. "Die Mitarbeiter müssen ja auch, wenn sie unter Anspannung stehen im Dienst, die Leute beruhigen können", sagt Will. Selbst entspannt wirken, um andere zu entspannen, ist das Ziel. Damit Pflegepersonal und Ärzte am Ende nicht noch selbst im Krankenbett landen.
Über dieses Thema haben wir auch am 12.03.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Bonn, 19.30 Uhr.