Ermittlerin Jasmin Schaffrath von der Polizei im Kreis Viersen in ihrem Büro

Kinderpornografie: Was Ermittlerinnen aushalten müssen

Viersen | Verbrechen

Stand: 17.06.2024, 10:07 Uhr

Gewalt, Demütigung, Missbrauch. Der Arbeitsalltag für Ermittler im Bereich Kinderpornografie ist ein Blick in menschliche Abgründe. Zwei junge Ermittlerinnen erzählen, warum sie den Job trotzdem machen - und wie sie Bilder aushalten, die man kaum aushalten kann.

Von Stefan Weisemann (Text) und Astrid Linn (Multimedia)

Sandra Peeters sitzt in ihrem Büro an einem Schreibtisch, auf dem vier Monitore stehen. Auf einem davon sind reihenweise Fotos zu sehen. Auf diesen Monitor guckt Peeters mit sehr konzentriertem Blick. Sie scrollt routiniert und sehr schnell durch die Bilder. Hunderte ganz kurz hintereinander. Die Augen wandern schnell hin und her. "Ein paar hunderttausend Fotos kann man schaffen an einem Tag", sagt Peeters.

Sie ermittelt bei der Polizei im Kreis Viersen im Bereich Kinderpornografie. Seit einigen Monaten macht sie das. Viele der Bilder, die sie sich anguckt, sind im Ermittlersprech "irrelevant", sind also nicht strafbar oder haben nichts mit ihren Ermittlungen zu tun. Andere dagegen umso mehr. Und die sind teilweise kaum zu ertragen.

Welche Bilder und Videos am schwersten zu ertragen sind

00:21 Min. Verfügbar bis 17.06.2026

So etwas können sich selbst erfahrene Ermittler nur begrenzt angucken. Das geht auch der jungen Peeters so: "Wenn belastende Bilder dabei sind, dann gucke ich auch schon mal eine Zeit nicht mehr hin oder mache eine Pause oder gehe spazieren", sagt sie. Man merkt ihr an, dass ihr die Arbeit auch sehr nahe geht.

Ermittler kommen kaum hinterher

Peeters gegenüber im Büro sitzt Jasmin Schaffrath. Auch sie ist Anfang 30, ermittelt seit drei Jahren im Bereich Kinderpornografie, so wie sechs weitere Frauen und Männer bei der Polizei in Viersen. Wenn bei Verdächtigen, meist Männern, im Internet Fotos und Videos mit Kinderpornografie gefunden werden, dann wird das Team aktiv. Ein bis zweimal pro Woche klingeln Peeters und Schaffrath an den Haus- und Wohnungstüren der Verdächtigen. Meistens ganz früh um 6 Uhr morgens.

Sie nehmen alles mit, worauf sie Beweise für eine Anklage finden könnten: Computer, Festplatten, Smartphones. Bis die Datenträger dann auch tatsächlich ausgewertet werden, vergeht allerdings viel Zeit. Aktuell liegen zwischen der Sicherstellung und der Sichtung rund zwei Jahre. Die Bildermengen, die Woche für Woche dazukommen, sind einfach zu groß. Es sind teilweise mehrere tausend Gigabyte an Dateien bei einem einzigen Verdächtigen.

Die Bilder und Videos sind vielfältig: "Von tierpornografischen Inhalten bis zu normaler Pornografie, darunter auch Kinderpornografie oder Jugendpornografie", sagt Schaffrath. Außerdem sieht sie viel Gewalt. "Da werden Leute erschossen, der Finger abgeschnitten oder Tiere bis zum Tode gequält." Auch bei ihr merkt man, dass ihre Arbeit sie bewegt.

Viele Kinder verschicken selbst Kinderpornografie

Wer sind die Menschen, bei denen Unmengen solcher Gewaltbilder und strafbarer Pornografie gefunden werden? Peeters und Schaffrath treten ihnen regelmäßig bei den Durchsuchungen gegenüber. Klar ist: Den typischen Täter gibt es nicht. "Von Jugendlichen bis hin zu Leuten, die in der Kirche arbeiten oder Firmeninhaber, auch Rentner", sagt Schaffrath, "also durch die Bank weg alles dabei."

Eine große Sorge der Ermittlerinnen: Immer mehr Kinder und Jugendliche verschicken selbst Kinder- und Jugendpornografie. Entsprechende Bilder kursieren auf den Schulhöfen und in den Klassenzimmern. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik waren in NRW zuletzt 45 Prozent der Verdächtigen im Bereich der Kinderpornografie selbst jünger als 18 Jahre. "Viele Kinder denken, das ist witzig, solche Dateien zu verschicken", sagt Schaffrath.

Sie sieht deshalb vor allem Mütter und Väter in der Pflicht: "Die Eltern sollten einfach mal schauen, was die Kinder auf ihrem Handy haben." Und auch, dass sie keine Nacktbilder von sich selbst machen und weitergeben, "denn die werden schneller rumgeschickt, als man denken kann", warnt die Ermittlerin. Hier erklärt eine Psychologin, wie Eltern ihre Kinder schützen können.

Ermittlerinnen bekommen Hilfe von Psychologin

Bei Tausenden und Abertausenden an belastenden Bildern und Videos im Arbeitsalltag ist klar: Ohne professionelle Hilfe hält das wohl niemand durch. Die Ermittlerinnen bekommen deshalb psychologische Unterstützung.

Wie eine Psychologin den Ermittlerinnen hilft

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Auch neben dem fest eingeplanten Termin einmal im Jahr können sich die Ermittlerinnen jederzeit und so oft sie es brauchen, an die Psychologin wenden. Und wer sagt: Jetzt kann ich das nicht mehr aushalten, der muss das auch nicht. Die Ermittler werden dann kurzfristig in eine andere Abteilung versetzt.

Ermittlerinnen wollen Kinder schützen

Bei aller Belastung, bei all den menschlichen Abgründen, die sie jeden Tag zu sehen bekommen: Peeters und Schaffrath sind hochmotiviert. Hochmotiviert, Kinder zu schützen und den Opfern von sexuellem Missbrauch zu helfen. Und ebenso hochmotiviert, Täter zu fassen und für ein Stück Gerechtigkeit zu sorgen.

"Eine Kollegin von mir hat mal gesagt: Wenn die Kinder so etwas Schlimmes durchmachen mussten, können wir das zwar nicht rückgängig machen", sagt Peeters, "aber wir können in der Lage sein, uns das anzugucken, um ihnen zu helfen."

Über dieses Thema haben wir auch am 03.06.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Düsseldorf, 19.30 Uhr.