Studentin Anna Broszio steht im vollgeschmierten Treppenhaus des Parkhauses an der RUB

"Niemand wird mich schreien hören": Uni-Parkhaus als Angstraum in Bochum

Bochum | Verbrechen

Stand: 06.02.2025, 12:29 Uhr

"Jetzt ist es vorbei. Jetzt werde ich vergewaltigt und niemand wird mich schreien hören", denkt Anna Broszio, während sie an der Treppe im Parkhaus der Ruhr-Universität Bochum steht. Die Geschichte einer Begegnung, die kein Einzelfall sein soll.

Von Solveig Bader

"Ich war auf der untersten Etage, als plötzlich ein Mann vor mir auftauchte, der sich selbst befriedigte und mich dabei angrinste", erzählt Anna Broszio. Die Geografiestudentin ist nach einer Vorlesung auf dem Weg zu ihrem Auto im Parkhaus an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Schick angezogen sei er gewesen, mit Aktentasche, Mitte bis Ende 20. "Er sah aus wie ein Student." Um zu ihrem Auto zu gelangen, muss sie durch die Tür, vor der er stand. "Erst war ich in Schockstarre und überlegte, was ich tun soll". Dann nimmt sie all ihren Mut zusammen, stößt den Mann zur Seite und läuft zu ihrem Wagen.

Sie schließt sich im Auto ein und ruft die Polizei. "Gott sei Dank ist mir körperlich nichts weiter passiert. Doch ich war tagelang schockiert und ängstlich." Sie zeigt den Mann an, bis heute ist er aber nicht gefasst. Etwa ein Jahr ist das Erlebnis im Parkhaus her. Ihr Auto hat die 22-Jährige danach nie wieder dort abgestellt.

Anna Broszio: "Dieses Grinsen bin ich nicht los geworden"

00:16 Min. Verfügbar bis 06.02.2027

Vorfälle wie den, den Anna Broszio erlebt hat, sind ein zunehmendes Problem in NRW. Denn seit Jahren werden immer mehr Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, zu denen auch Exhibitionismus gehört, angezeigt. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik stieg die Zahl von 10.138 Fällen im Jahr 2014 auf über 32.000 Fälle im Jahr 2023.

Damit andere Frauen nicht das Gleiche erleben

Auch deshalb will Broszio nicht, dass andere Frauen das Gleiche erleben wie sie, erzählt sie im Treppenhaus der unterirdischen Parkanlage. Die Wände sind vollgesprüht, Müll liegt auf dem Boden, es ist dunkel und riecht nach Urin. Es gibt viele verwinkelte Ecken, an denen man leicht überrascht werden kann.

Noch am selben Tag kontaktierte Broszio damals deshalb die Universitätsleitung, um den Vorfall zu melden. In der Hoffnung, dass auch andere Studierende gewarnt werden könnten. Bis heute hat die Uni den Vorfall nicht bekannt gemacht, etwa im Newsletter, der einmal im Monat erscheint. "Man bot mir psychologische Hilfe an, doch am Zustand des Parkhauses änderte sich nichts", sagt Broszio, die seit der Begegnung auch im Alltag vorsichtiger geworden ist.

Wie sich Anna Broszios Leben seit dem Übergriff verändert hat

00:35 Min. Verfügbar bis 06.02.2027

Die Studentin ist wütend darüber und startet eine Petition für mehr Sicherheit im Uni-Parkhaus. Eine bessere Beleuchtung und Videoüberwachung würden das Sicherheitsgefühl erhöhen. Fast 12.000 Menschen haben sie bereits unterzeichnet. In den Kommentaren darunter berichten auch andere Studierende von Erfahrungen mit Exhibitionisten an der RUB.

RUB-Kanzlerin: "Gibt Ecken, in denen auch ich mich nicht wohlfühle"

Christina Reinhardt, Kanzlerin der RUB, bestätigt, dass es hin und wieder Vorfälle von Exhibitionismus auf dem Campus gebe. Wie viele es genau sind, weiß sie nicht. "Ich teile das als Frau, dass es Ecken gibt, in denen auch ich mich nicht wohlfühle", räumt sie ein. Die Petition von Broszio will sie als Anlass nehmen, die Sicherheit der Uni-Parkhäuser zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern.

Welche Maßnahmen zur Sicherheit ergreifen Universitäten bereits?

Die RUB bietet einen Begleitservice (walk safe) an, der Studierende auf Anfrage ins Parkhaus begleitet oder von dort abholt. Die RUB und Universität Duisburg-Essen kooperieren außerdem mit einem Wachdienst, der regelmäßig patrouilliert und in Notfällen ansprechbar ist. Zudem gibt es eine Notfallrufnummer, die rund um die Uhr erreichbar ist:

  • RUB: 0234 322 3333
  • Uni Duisburg-Essen: 0201/ 183 26147

Ein Vorbild könnten dabei die neuen Parkhäuser der Uni Duisburg-Essen sein. Sie sind lichtdurchflutet, werden abends hell ausgeleuchtet und sind teilweise mit Bewegungsmeldern ausgestattet. Eine flächendeckende Videoüberwachung ist aber an beiden Unis nicht geplant.

Ein erster Erfolg

Anna Broszio hofft, dass sie mit ihrer Petition Erfolg hat. Wenn sie 15.000 Unterschriften zusammen hat, will sie der RUB-Kanzlerin einen offenen Brief überreichen - mit der Forderung nach mehr Transparenz und Sicherheit. Wenn nicht so viele Lampen in den Parkhäusern defekt wären, würden sich viele Studierende schon sicherer fühlen. Auch wenn sie sich grundsätzlich noch mehr Beleuchtung als die bestehende wünscht.

Studentin Anna Broszio steht in einem dunklen Parkhaus mit defekter Beleuchtung.

Anna Broszio würde sich wesentlich sicherer fühlen, wenn nicht so viele Leuchten defekt wären

Einen kleinen Erfolg hat sie schon: Die Kanzlerin der RUB hat bereits angekündigt, mit Broszio und einigen Unterstützern der Petition eine Begehung der Parkhäuser durchzuführen. Gemeinsam wollen sie dann schauen, wo Verbesserungsbedarf besteht.

Über dieses Thema haben wir auch am 15.01.2025 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Ruhr, 19.30 Uhr.