In Funktionsjacke und Schwimmweste steht Ralf Jochheim auf einem Floß, das die Baustelle an der Nordschleuse in Oberhausen sichert. Eines der Schleusentore war kaputt. Seine Ingenieure haben es repariert. Jochheim und sein Team machen das Floß bereit zum Abtransport. Mit voller Kraft zieht der 61-Jährige an einer knallgelben Kurbel. Damit holt er den Draht ein, der das Floß im Wasser festgemacht hat. Armkraft ist gefragt. Jochheim atmet schwer, während er kurbelt - und muss lachen. "Trotz Digitalisierung: Wir haben heutzutage immer noch mit sehr alter Technik zu tun", sagt er mit rotem Kopf.
So wird man Wasserbauer in NRW
Jochheim ist Wasserbauer beim Wasser- und Schifffahrtsamt in Duisburg. Deutschlandweit gibt es etwa 13.000 Wasserbauer. Er und seine Kollegen sind so etwas wie die Straßenmeisterei für die Wasserautobahn Rhein. Treibgut bergen, Fahrrinnen freihalten, Schifffahrtsignale warten und reparieren, Schleusenkammern kontrollieren, das sind ihre Aufgaben. Drei Jahre dauert die Ausbildung. Der Job erfordert handwerkliches Geschick, Ingenieurtätigkeiten und Liebe zur Natur, zum Wasser. Außerdem müssen Anwärter schwimmen können.
Wenn es, wie an diesem Tag bewölkt, windig und feucht ist, wird Jochheims Arbeit zum Knochenjob. Tauschen würde er trotzdem niemals. "Die ständige Abwechslung macht es spannend", sagt er. "Teilweise wissen wir morgens nicht, was der Tag bringen wird. Wir haben ganz selten Routinearbeiten."
Wasserbauer auf dem Rhein: Ein Job mit Verantwortung
Der Rhein ist eine der am meisten befahrenen Wasserstraßen Europas. Dutzende Millionen Tonnen an Gütern werden pro Jahr transportiert. Havarien oder andere Störungen haben gravierende Auswirkungen auf Lieferketten und Schiffsverkehr. Und jede Verspätung, jeder Ausfall, kostet Geld.
Was den Wasserbauern das Leben schwer macht: "Unsere Anlagen sind instandsetzungsbedürftig", sagt Jochheim. An einigen Schleusen sind durch den Sanierungsstau neue Jobs entstanden. Weil dort Poller marode sind, kommen sogenannte "Festmacher" zum Einsatz, etwa an der Schleuse in Hünxe.
Aufwendige Schleusen-Sanierungen
Dass Jochheim und sein Team kurzfristig zu einer Reparatur an einer Schleusenanlage gerufen werden, kommt regelmäßig vor. Andere Arbeiten müssen dann liegen bleiben.
Das Prozedere ist aufwändig. Bevor sie das Schleusentor reparieren können, müssen die Wasserbauer die Schleusenkammer trockenlegen. Nur so können sie verlässlich überprüfen, wo es Schäden gibt. Bis das Schleusentor repariert ist, dauert es mitunter Monate. Deswegen haben die Schleusenanlagen mehrere Kammern, so können die Schiffe ausweichen. Zu Verzögerungen im Ablauf kommt es trotzdem immer wieder.
Diebesgut im Rhein-Herne-Kanal
Ein paar Flusskilometer weiter geht das Team auf dem Rhein-Herne-Kanal einer anderen Aufgabe der Wasserbauern nach: der Suche nach Treibgut. Sie orten Gegenstände, die den Schiffsverkehr blockieren und gefährden könnten.
Peiloperator Jörn Jesinghaus schaut in der Steuerkabine konzentriert auf seinen Monitor. Zu sehen ist ein orangener Grund, unterbrochen durch einzelne, schwarze Schattierungen. Mit einem sogenannten Tiefen-Echolot scannt er das Gewässer nach Störfaktoren ab. Was auf dem Bildschirm dunkler abgebildet ist, könnte ein Gegenstand sein.
Auf jeder Tour ziehen die Wasserbauer etwas mit dem Greifarm aus dem Wasser. Meistens Einkaufswagen, Fahrräder oder Roller. "Diebesgut wird aber auch häufiger versenkt. Geklaute Tresore landen hier sehr oft", sagt Jesinghaus. Auch auf dieser Tour holen sie zwei Tresore an die Oberfläche.
Mit dem Sportboot nach Berlin
Das Wasserbauer-Team ist ziemlich jung. Chef Ralf Jochheim sticht mit seinen 61 Jahren heraus. Wenn der Ruhestand ruft, will er die Wasserstraßen selbst befahren: "Als Kind des Wasserbaus will ich einmal vom Ruhrgebiet mit dem Sportboot nach Berlin und dann die Stadt genießen."
Über das Thema haben wir am 04.08.2023 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Duisburg, 19.30 Uhr.