Josef Kirfel sitzt lachend in Kapitänsuniform an der Reling der Autofähre zwischen Bad Godesberg und Niederdollendorf

"Jupp" auf dem Rhein: Dieser Bonner war Kanzler Adenauers Fährmann

Bonn | Unterwegs

Stand: 19.04.2025, 14:57 Uhr

40 Jahre lang brachte Josef "Jupp" Kirfel in Bonn Autos und Menschen über den Rhein. Seine Liste an prominenten Fahrgästen ist lang, doch keiner ist ihm so sehr ans Herz gewachsen wie der damalige Kanzler Konrad Adenauer. Rückblick auf eine bewegte Kapitäns-Karriere.

Von Stefan Weisemann (Text) und Diane Welke (Multimedia)

Josef Kirfel, von allen Jupp genannt, strahlt mit der Sonne um die Wette. Er steht am Rheinufer in Bonn-Bad Godesberg und hat sich extra in Schale geschmissen. Der 88-Jährige trägt seine alte Kapitänsuniform. Marineblau, acht goldene Knöpfe, an den Ärmeln vier goldene Streifen. Dazu die Kapitänsmütze mit goldenem Anker auf dem Kopf. Alles sitzt immer noch wie angegossen.

Neben Kirfel legt die Autofähre an. Langsam senkt sich die große Klappe des Schiffs und kratzt mit einem lauten Quietschen über den Boden. Mit sicherem Schritt betritt Kirfel die Fähre und seufzt: "Ach ja, mein schönes Schiff". 40 Jahre lang war er hier Kassierer und Kapitän. Es war und ist sein Traumjob.

Was Fährmann Josef Kirfel an seinem Job geliebt hat

00:26 Min. Verfügbar bis 21.04.2027

Dabei war die Fahrt der Autoschnellfähre immer schnell vorbei. Von Bad Godesberg bis Niederdollendorf am anderen Rheinufer dauert es gerade einmal drei Minuten. Unzählige Male ist Kirfel die kurze Strecke in seinem Leben gefahren. "Ich habe das sehr, sehr gerne gemacht", sagt er wehmütig.

40 Jahre auf dem Rhein

Fähren über den Rhein gibt es gefühlt schon so lange wie den Rhein selbst. Schon in der Steinzeit haben Menschen wohl mit Einbäumen und einfachen Flößen über den Fluss übergesetzt. Im Mittelalter tauchen regelmäßige Fährverbindungen dann auch in Urkunden auf. Zwischen Bad Godesberg und Niederdollendorf gibt es seit rund 300 Jahren eine ständige Fähre.

Auf einer alten Postkarte ist die Fähre auf dem Rhein zu sehen, auf der Josef Kirfel Schiffsführer war

40 Jahre Kirfels Arbeitsplatz: Die Fähre zwischen Bad Godesberg und Niederdollendorf auf einer alten Postkarte

Für vier Jahrzehnte war der gelernte Matrose Kirfel ein entscheidender Teil dieser Geschichte. In einer Zeit, in der sich in der damaligen Hauptstadt Bonn die Prominenz tummelte. Künstler, Kanzler, Königin - Kirfel hat sie alle sicher über den Rhein geschippert. Queen Elizabeth II., die in ihrem Auto abgeschottet wurde. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der mit ihm im Führerhaus des Schiffes stand. Sänger Heino, "en juter Kerl".

Dazu Prinzenpaare und unzählige Botschafter. "Der Botschafter von Togo, der war auch ein netter Kerl, der brachte uns immer eine Flasche Whiskey mit", erinnert sich Kirfel. Die Geschichten sprudeln aus ihm heraus, wie das Wasser den Rhein herunter.

Der Fährmann, dem der Kanzler vertraut

Doch bei abertausenden Fahrgästen gibt es für Kirfel bis heute nur einen Lieblingsfahrgast: seinen "Lieblingskanzler" Konrad Adenauer. Der pendelte jeden Tag von seinem Wohnort in Rhöndorf ins Bonner Kanzleramt zur Arbeit. Anfangs nahm er dafür die Fähre von Königswinter. Doch als eine Straße gesperrt war, ist er auf die Fähre mit Kapitän Kirfel gewechselt und geblieben.

Sieben Jahre lang war Kirfel der Fährmann des Kanzlers. "Der Adenauer kam morgens Punkt 8.20 Uhr, halb 9. Da stand in Dollendorf ein Motorrad mit Blaulicht", sagt er. Bis heute ist er beeindruckt, dass der Kanzler und sein Fahrer nie Sonderwünsche hatten.

Was Kanzler Adenauer zu Kirfels Lieblingsfahrgast gemacht hat

00:11 Min. Verfügbar bis 21.04.2027

Während der Fährfahrten gibt Adenauer auch Autogramme. Auch Kirfel hat eines. Auf einer Karte mit seinem Bild hat der Kanzler unterschrieben, über seinem Kopf. Mit Stolz hält Kirfel die Karte in der Hand. "Der ewig junge Mann von Rhöndorf, habe ich immer gesagt", sagt er. Damals war Adenauer schon weit über 80 Jahre alt.

Der mit einer Deutschlandfahne bedeckte Sarg von Konrad Adenauer steht am 22. April 1967 auf einem Auto am Fähranleger in Bad Godesberg

Letzter Weg per Fähre: Das Staatsbegräbnis von Konrad Adenauer

Am 19. April 1967 stirbt der Ex-Kanzler. Drei Tage später wird sein Sarg, bedeckt von einer Deutschlandflagge, durch Niederdollendorf gefahren. Von dort setzt er auf seinem letzten Weg nach Bad Godesberg über. Natürlich mit Fährmann Kirfel. Er und seine Mannschaft stehen auf der Fähre Spalier, als der Sarg an Bord kommt. "Das hat mir sehr leidgetan", sagt Kirfel, "wenn man jemanden sieben Jahre gefahren hat, das ist schon eine Zeit." Noch im selben Jahr bekommt die Fähre den Namen eines ihrer treuesten Fahrgäste: "Konrad Adenauer".

"Konrad Adenauer" fährt noch

Den Namen trägt die Fähre bis heute. Und auch heute noch bringt sie Autos, Fahrradfahrer und Fußgänger über den Rhein. Sonst hat sich aber vieles verändert, seit Kirfel im Jahr 2001 in Rente ging. "Sein" Schiff fährt mittlerweile mit einem Elektromotor, einen neuen Anstrich hat es auch bekommen. Und was Kirfel besonders bedauert: Die Angestellten tragen keine Uniform mehr.

Es ist keine Sage, es ist kein Witz. Der Jupp fuhr die Fähr' wie der Blitz. Ex-Fährmann Josef "Jupp" Kirfel über sich selbst

Mit spürbarer Wehmut steigt Kirfel die Treppen zum Führerhaus des Schiffes hoch. "Ich würde nochmal fahren, ich könnte das auch noch, wir müssten nur mit den Augen wahrscheinlich was machen", sagt er.

Dann sieht er einen Aushang: "Aushilfen gesucht" steht da. "Da schicke ich eine Bewerbung hin", sagt Kirfel mit einem Lachen, "junger Mann sucht Posten". Bei so viel Liebe zu "seiner" Fähre "Konrad Adenauer" würde man sich nicht wundern, wenn er das wirklich machen würde.

Über dieses Thema berichten wir auch am 22.04.2025 im WDR Fernsehen: Lokalzeit aus Bonn, 19.30 Uhr.