Die Verkehrsinsel und ihre Bewohner aus der Vogelperspektive
00:39 Min.. Verfügbar bis 10.02.2027.
Eine runde Sache: Warum ein Paar auf einen Kreisverkehr gezogen ist
Städteregion Aachen | Unterwegs
Stand: 10.02.2025, 07:12 Uhr
Marlies Vermeulen und Remy Kroese leben auf ihrer eigenen Insel. Statt von Wasser sind sie allerdings von Beton und Autos umgeben. Wie das Architektenpaar mit einer verrückten Idee den Kreisverkehr in Vaals zu einem Experiment für nachhaltiges Wohnen machte.
Von Arndt Lorenz
Es ist einer der wohl ungewöhnlichsten Wohnorte in der Region: Auf dem winterlich kargen Grün im Kreisverkehr des niederländischen Dörfchen Vaals stehen einige mit Holz verkleidete Container und ein Baugerüst. Wer hochklettert, könnte fast bis Aachen schauen, so nah liegt das Dorf an der deutsch-niederländischen Grenze. Wäre da nicht der dichte Nebel, der die Sicht versperrt. Während draußen die Autos ihre Runden drehen und je nach Abzweigung Richtung Dreiländerpunkt, Deutschland, Niederlande oder Belgien fahren, brennt in einem der Container ein Licht. Denn hier, mitten auf dem Kreisverkehr, haben Marlies Vermeulen und Remy Kroese ihr Zuhause gefunden.
20 Jahre lang wollte niemand das unattraktive Areal kaufen. Die Bebauung mit einem Eigenheim ist nicht möglich. Wer will ein Stück Brachland in einem Kreisverkehr haben? Dann entdeckte das belgisch-niederländische Paar das Grundstück 2023 auf einem Immobilienportal und die 42-jährige Marlies Vermeulen hatte eine Idee. "Nach 24 Stunden und viel Reden habe ich ihre Idee verstanden", sagt Remy Kroese heute. Und beide begannen mit der Planung.
Warum zieht man in einen Kreisverkehr?
00:27 Min.. Verfügbar bis 10.02.2027.
Die beiden Architekten wollten aus dem Verkehrsknotenpunkt Kreisverkehr einen lebenswerten Ort machen. Aber auf nachhaltige Art und Weise. Für Neubauprojekte müssen häufig Tonnen von Sand, Zement, Wasser und Stahl abgebaut oder produziert werden. Vermeulen und Kroese waren davon überzeugt, dass es auch besser geht.
Ein Experiment im Namen der Nachhaltigkeit
Alte ausgemusterte Betonplatten dienen als Untergrund für die Container, für Wärme- und Akustikdämmung wurden Abfallsteine aus der Glasindustrie für den Boden aufgeschüttet und Strohgranulat in Zwischenräume geblasen. Als Fassade brachten die beiden Architekten Rindenabfall-Bretter von einem Sägewerk an. Im Inneren der Container sorgt ein vollautomatischer Pellet-Kaminofen im Winter für Wärme. "Für uns ist das auch ein interessantes Experiment, wie man vielleicht nachhaltig wohnen und besonders ressourcenschonend bauen kann", sagt Kroese. Für ihr ungewöhnliches Gebäude haben sie eine vorläufige Sondernutzungsgenehmigung für zehn Jahre von der Gemeinde erhalten.

Offen, wenn das Licht an ist: Im Containerhaus gibt es auch ein Café
Sollte das Haus dann abgebaut werden müssen, können alle Materialien weiterverwertet werden, erzählt Kroese, der gerade am Rand seines Grundstücks neben einem kleinen Baum steht. 40 Stück haben die beiden gepflanzt. Sie sollen später den Schall von der Straße schlucken. Noch muss der 43-Jährige aber ein wenig gegen den Verkehrslärm anrufen.
Der Rhythmus der Straße
Ihr neuer Wohnort Kreisverkehr beeinflusst dabei nicht nur ihr privates Leben, sondern auch ihre Arbeit. Vermeulen und Kroese sind nicht nur Architekten, sondern auch Künstler. Sie nennen sich selbst "Kartopologen" - eine Mischung von Kartografie und Anthropologie. Auf der Verkehrsinsel veranstalten sie Workshops, Gespräche und im Sommer sogar ein kleines Landkarten-Festival.

Karten sind eine Leidenschaft des Paares
Bei ihrer Arbeit entwickeln sie teils mehrere Meter große Landkarten, in denen zum Beispiel die Klimakrise und Wohnungsnot sichtbar gemacht werden. Oder die Autoströme rings um den Kreisverkehr sowie die Erschütterungen der Erde. "Hier fahren jeden Tag viele Autos durch den Kreisverkehr. Aber am Abend ist es auch total ruhig. Das ist ein ganz eigener Rhythmus, den der Tag dadurch hat", sagt Vermeulen.
Zehn Jahre reiste das Architekten-Pärchen für Kunstprojekte durch die Welt. Und sind auch heute noch als Dozenten an Hochschulen in Aachen, Maastricht und Utrecht viel unterwegs. Trotzdem fühlen sie sich ausgerechnet im Kreisverkehr in Vaals zu Hause und sind sesshaft geworden. Leben auf der Verkehrsinsel - für die beiden Architekten Marlies Vermeulen und Remy Kroese eine runde Sache.
Über dieses Thema haben wir auch am 23.01.2025 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.