Langsam rollt Axel Manns mit seinem Rollstuhl durch die Innenstadt von Hückelhoven. Vor einem kleinen Café hält er an und steht mühsam auf. Mit einer Hand hält er sich vorsichtig am Rollstuhl fest, mit der anderen greift er nach seinem Gehstock. Sein Gesicht ist angespannt, er muss sich konzentrieren. Weil er das linke Bein nicht belasten und auch nur schwer anheben kann, wird die kleine Stufe vor dem Café zur großen Herausforderung.
Manns ist einer von laut DMSG geschätzt 45.000 Menschen in NRW, die an Multiple Sklerose, kurz MS, erkrankt ist. Sie leiden an einer entzündlichen Erkrankung des Zentralen Nervensystems. Erste Anzeichen können Lähmungen oder Sehstörungen sein. Die Krankheit verläuft in Schüben, sodass sich der Zustand plötzlich und unerwartet verschlechtern kann.
Die Ursachen sind trotz intensiver Forschung bislang nicht bekannt. MS gilt als unheilbar. Medikamente können das Fortschreiten der Krankheit allerdings verlangsamen, manchmal sogar stoppen. Manns hat die Treppenstufe überwunden und an einem Tisch im Café Platz genommen. Vor ihm liegt ein Fotoalbum mit Bildern vom letzten Wanderurlaub in Tirol. Der Urlaub, in dem sich plötzlich sein Leben auf den Kopf stellte.
Der Moment, der alles veränderte
Er erinnert sich noch gut an den Moment vor neun Jahren, als er plötzlich kein Gefühl mehr im linken Bein verspürte. Und dann, nach unzähligen Untersuchungen, die Diagnose erhielt: Multiple Sklerose. "So komisch sich das vielleicht anhört: Das war erstmal wissenschaftliche Neugier, nicht etwa Angst oder Depression. Ich musste Fakten sammeln und für mich bewerten." Ein Jahr brauchte er, um sich mit der Diagnose abzufinden. Danach kannte er nur noch eine Devise:
Eine wichtige Rolle spielte dabei sein neues Hobby. Zwei Jahre nach seiner Diagnose kaufte sich Manns ein Liegerad und ließ es so umbauen, dass sein linkes Bein bis zum Fuß in einer Art Schiene liegt. Obwohl er einen Motor zur Unterstützung hat, musste Manns monatelang hart trainieren, bis sein Körper sich an die Bewegung und Belastung gewöhnt hatte.
Doch mit jedem Kilometer, den er zurücklegte, spürte er: Es ging ihm besser, körperlich und seelisch. "Durch das Radfahren habe ich ein Stück Freiheit wiederbekommen. Da kann ich einsteigen, den Fuß anschnallen und die MS komplett vergessen."
Sport statt Bettruhe
Sportliche Betätigung ist sinnvoll für MS-Patienten, das bestätigt auch Manuel Grimbach vom NRW-Landesverband der DMSG. "Früher sagte man, dass Bettruhe hilft. Heute wissen wir, dass es wichtig ist, die Muskeln in Bewegung zu halten."
Der DMSG-Landesverband bietet deshalb regelmäßig eine Online-Sprechstunde mit einem Sportmediziner an. Dort können sich Betroffene beraten lassen, welches Training geeignet ist und wie stark die Belastung sein sollte. "Am Ende muss allerdings jeder Betroffene seinen Weg und seine Sportart selbst finden", erklärt Grimbach.
Ein Wunsch geht in Erfüllung
Manns nutzte das Radfahren, um sich neue, erreichbare Ziele zu setzen. "Ich habe immer wieder in mich reingehört und gesagt: Du kannst jetzt drei Kilometer fahren. Das nächste Ziel sind fünf Kilometer bis zum nächsten Monat." So kämpfte er sich weiter, Jahr für Jahr. Bis er sich im Mai fit genug fühlte für seine bisher größte Herausforderung: eine Dreitagestour durch die Eifel.
Der 56-Jährige erfüllt sich mit der Fahrt einen lange gehegten Wunsch. Und stößt an seine Grenzen. Nach dem Start in Zilsdorf, einem kleinen Ort in der Südeifel, machen ihm vor allem die Steigungen und die Hitze zu schaffen. Unterwegs klettern die Temperaturen auf 25 Grad. Dann schlägt das Wetter um, es beginnt zu regnen. Auf der letzten Etappe von Monschau nach Aachen streiken seine Muskeln, die Belastung der letzten drei Tage macht sich bemerkbar. Doch nach 120 Kilometern erreicht er schließlich sein Ziel.
1000 Euro für Betroffene
Knapp 1000 Euro an Spenden hat er mit seiner Aktion gesammelt. Er will damit einen Verein unterstützen, der Betroffenen Hilfsmittel finanziert. Und Manns möchte auch anderen MS-Erkrankten Mut machen:
Betroffene und auch ihre Angehörigen können sich im Landesverband NRW der DMSG zu verschiedenen Themen wie Hilfsmitteln, Reha-Maßnahmen oder baulichen Veränderungen beraten lassen, entweder persönlich, telefonisch oder online. Auch eine psychologische Beratung bietet der Verband an. Außerdem gibt es in NRW rund 100 Selbsthilfegruppen. Die Erstberatung ist kostenfrei. Wer darüber hinaus Hilfe benötigt, kann Mitglied im Verband werden.
Über das Thema haben wir am 15.05.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.