Warum ein Vogel in Niederkassel "Birdwatcher" aus ganz Europa anzieht
Stand: 10.10.2024, 07:29 Uhr
Ein unscheinbarer Acker in Niederkassel ist aktuell das Ziel von Vogelbegeisterten aus ganz Europa. Der Grund: Ein Singvogel aus den USA wurde gesichtet - eine bisher einmalige Entdeckung in Deutschland.
Von Britta Schwanenberg
Schon auf der Straße vor dem Acker von Landwirt Karl-Josef Engels fallen sie auf: Menschen mit langen Spektiven unter dem Arm und Ferngläsern um den Hals. Sie wandern in Richtung Apfelbaumplantage. Denn dort soll sie zu finden sein: die Gartenspottdrossel. Aus einem Auto steigt Edgar Mertens. Der 69-Jährige ist extra mit seiner Frau aus der Eifel angereist. "Wir haben ein paar Stunden Zeit und hoffen, dass wir den Vogel sehen."
Wie Landwirt Karl-Josef Engels von dem Hype um seinen Acker erfuhr
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Erst vier Mal wurde eine Gartenspottdrossel bisher in Europa gesichtet, in Deutschland noch nie. Der Singvogel ist besser als "Mockingbird" bekannt und in Nordamerika heimisch. Als Vogelkundler ein Exemplar in Niederkassel meldeten, löste das einen regelrechten Hype aus. Mehr als achthundert Vogelbegeisterte sind in den letzten Wochen nach Niederkassel gepilgert. Aus Dänemark, Spanien, der Schweiz und den Niederlanden. Einzig und allein, um die Gartenspottdrossel zu sehen.
Deutscher Medienstar: Die Gartenspottdrossel in Niederkassel
"Birdwatching" als Leidenschaft
Für Landwirt Engels sind die Besucher auf seinem Acker eine ganz neue Spezies: "Die stehen da alle total gechillt und machen nichts anderes als warten", sagt er und beobachtet verwundert den Menschenauflauf zwischen seinen Maiskolben. Hier ist mittlerweile auch Vogelfreund Mertens aus der Eifel angekommen. Routiniert fährt der Hobby-Vogelkundler zwischen fünf weiteren Männern sein Spektiv aus. Die Vögel sind für ihn ein Ausgleich, wie für die meisten hier.
Edgar Mertens auf der Suche nach dem deutschen Mockingbird
Das Beobachten von Vögeln ist eine beliebte Form von "Citizen Science": Eine Wissenschaft, bei der jeder mitmachen kann. Über verschiedene Apps können Vogelfans ihre Beobachtungen melden. Rund zehntausend Arten haben die aktivsten Mitglieder der Szene gesichtet.
Sichtung der Gartenspottdrossel geht viral
Auf dem Acker in Niederkassel steht auch der Mann, der den Rummel hier ausgelöst hat: Ornithologe Ralph Achenbach. Ein Bekannter hatte ihm ein Foto des Vogels geschickt und um seine Meinung gebeten. Achenbach hat lange in den USA gelebt, der Heimat der Gartenspottdrossel. Der Vogelkundler machte sich gleich auf den Weg, fand den Vogel mit ein wenig Geduld und bestätigte dessen "Identität". Seitdem ist Achenbach fast täglich vor Ort und verfolgt begeistert, welche Wellen diese Sichtung schlägt. Er kann die Begeisterung verstehen. Wenn so weit im Binnenland ein solcher Vogel gesichtet wird, sei das "absolut sensationell und der Adrenalinspiegel entsprechend hoch", sagt er.
Ralph Achenbach erklärt, warum die Entdeckung in NRW so besonders ist
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Wie kam der Mockingbird hierher?
Alle paar Minuten treffen neue Menschen auf dem Feld ein, starren durch ihre Ferngläser und diskutieren. Hat der Vogel es aus eigener Kraft geschafft, von Nordamerika herzufliegen? Oder ist er in einem Schiffscontainer hier gelandet? Vogelkundler Achenbach hat viel dazu recherchiert. Eine Westwindfront könnte den Vogel Ende August tatsächlich hierher befördert haben, sagt er.
Plötzlich kommt Aufregung in die Runde. Die Vogelfans blicken gespannt auf einen der Bäume. Tatsächlich: Auf einem Ast sitzt sie, die erste in Deutschland gesichtete Gartenspottdrossel. In aller Ruhe lässt sie sich betrachten und fotografieren. "Wahnsinn", sagt Mertens, "jetzt bin ich ganz glücklich. Der Weg hat sich gelohnt!"
Erfolgreicher Schnappschuss der Gartenspottdrossel
Bleibt nur noch die Frage, wie es mit dem Vogel in NRW weitergeht. Vieles sei möglich, sagt Achenbach. Es gebe immer wieder Irrgäste, die auf dem neuen Kontinent in Richtung Süden weiterziehen. Oder die Spottdrossel überwintert in Niederkassel bei den nahe gelegenen Kraftwerken, ergänzt ein anderer. Sicher ist: Die Vogelfreunde werden das im Auge behalten.
Über dieses Thema haben wir auch am 07.10.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Bonn, 19.30 Uhr.