
Blindes Vertrauen: Die erste inklusive Staffel beim Bonn Marathon
Stand: 09.04.2025, 12:39 Uhr
Thorsten Schäfer führt den sehbehinderten Tobias Galetz als Guide über die Strecke des Bonn Marathons. Sie sind Teil der ersten inklusiven Staffel und haben sich erst zwei Tage vor dem Start kennengelernt. Wie sie die Herausforderung gemeinsam meistern.
Von Cara Emilia Dühr
Tausende Läufer stehen in bunten Sportklamotten an der Startlinie. Fröhlich springen mehrere zu "Highway to Hell" von AC/DC in die Luft. Die Stimmung ist ausgelassen vorm Koblenzer Tor, gleich startet der Deutsche Post Marathon in Bonn. Einige Zuschauer haben sich schon am Rand des Startpunkts versammelt und rufen und winken den Läufern zu.
Bonn Marathon: Erste inklusive Staffel am Start
Aus dem bunten Getümmel stechen zwei Männer ganz vorne besonders heraus. Sie tragen neongelbe Trikots mit den Aufschriften "Blind" und "Guide". Das sind Tobias Galetz und Thorsten Schäfer. Galetz hat eine Sehbehinderung, Schäfer begleitet ihn als ehrenamtlicher Guide auf der Strecke. Sie sind Teil der ersten inklusiven Marathonstaffel in Bonn.
Das Motto von Tobias Galetz und Thorsten Schäfer: Zusammen schafft man alles
00:53 Min.. Verfügbar bis 09.04.2027.
"Die größte Herausforderung wird sein, dass so viele Menschen da sind und es für mich als seheingeschränkter Läufer natürlich schwieriger ist, dann auszuweichen", sagt Galetz. Gerade beim Start könne es manchmal wuselig werden. Insgesamt haben sich in diesem Jahr über 18.000 Athleten bei der Sportveranstaltung angemeldet - ein Teilnehmerrekord für Bonn. Der Lauf findet seit 2001 jährlich im April statt, weitere Läufe und Marathons in NRW zeigen wir hier.
Kurzes Kennenlernen vor dem Start
Dann ist es so weit. Die Aufregung steigt. Die Moderatorin zählt runter und schreit "Abfahrt" ins Mikrofon. Alle Läufer sprinten los, auch Galetz und Schäfer. Verbunden sind sie nur über ein Seil. Es ermöglicht Galetz, die Bewegungen seines Guides zu spüren, selbstständig zu laufen und trotzdem in sicherer Begleitung zu bleiben. Ziehen oder schieben darf Schäfer ihn nicht.

Tobias Galetz und Thorsten Schäfer müssen erstmal einen gemeinsamen Lauf-Rhythmus finden
Erst zwei Tage vor dem Start lernten sich die beiden bei ihrem ersten gemeinsamen Training in der Bonner Rheinaue kennen. Davor trainierten sie unabhängig voneinander für die Staffel. Eine Schwierigkeit wurde ihnen jetzt erst bewusst: ihr Größenunterschied. Galetz ist 2,10 Meter groß, Schäfer nur 1,85 Meter. "Deshalb haben wir auch nicht das Normführband, sondern ein etwas extravaganteres. Da haben wir mehr Distanz zueinander", erklärt Galetz. Dadurch haben sie beim Laufen aber weniger Körperkontakt. Galetz ist also noch mehr auf verbale Kommunikation während des Laufens angewiesen.
Der 43-Jährige hat eine degenerative Netzhauterkrankung, die potenziell zu einem fortschreitenden Sehverlust führen kann. Wann, ob und wie sich seine Sehkraft in Zukunft verändert, weiß er selbst nicht. Auf einem Auge sieht er inzwischen nur noch Schemen. "Laufen kann ich nicht alleine", sagt der Bonner. Sport will er aber trotzdem weiterhin machen. Deshalb sei er so dankbar für das Guidenetzwerk.
Tobias Galetz will die positiven Momente im Leben schätzen lernen
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Die Plattform bringt Läufer mit Seheinschränkungen mit ausgebildeten ehrenamtlichen Guides zusammen. "Es ist ein Suchen und Finden", erklärt Galetz. Schäfer hat seine Ausbildung im Oktober beim Guidenetzwerk in Köln gemacht. Für den 55-Jährigen ist der Marathon in Bonn nun die erste Veranstaltung, bei der er ehrenamtlich jemanden begleitet.
Ein Zeichen für Zusammenhalt
Inzwischen laufen Galetz und Schäfer von der Beueler Seite aus auf die Kennedybrücke. Überall, wo sie vorbeikommen, jubeln die Leute ihnen zu. Eine Blaskapelle spielt in der Ferne motivierende Hymnen, am Wegesrand werden ihnen bunte Plakate entgegengestreckt. Bei der Acht-Kilometer-Marke auf der Brücke wird das Duo dann von den nächsten Läufern der Staffel erwartet: Thorsten Schäfers Frau Mareike, die den blinden Läufer Niklas Leonhardt auf den nächsten Kilometern begleiten wird. "Stopp, da ist unsere Ablösung. Vorsicht mit dem Bordstein", sagt Schäfer zu Galetz und umarmt ihn gleich darauf. "Tobi, das war geil!"
- Zum Beitrag: Unterwegs mit Kölns erster Blindenfußball-Mannschaft
Vier Stunden und acht Minuten später haben es dann auch die anderen Läufer der inklusiven Staffel geschafft. Über die Ziellinie am Alten Rathaus laufen sie alle gemeinsam und fallen sich erschöpft und glücklich in die Arme. Für sie ging es um mehr, als nur eine gute Laufzeit bei einem Sportevent. Sie wollten ein Zeichen für Zusammenhalt, Teamgeist und die Kraft der Gemeinschaft setzen.
Über dieses Thema haben wir auch am 07.04.2025 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bonn, 19:30 Uhr.