Eine Frau mit grauen Haaren auf einem Stuhl. Sie schaut in ein Buch. Nebenan ein Feuer, um welches einige Personen sitzen

Mord unterm Mond: Autorenlesung in einem Tipi im Hattinger Wald

Ennepe-Ruhr-Kreis | Unterwegs

Stand: 01.04.2025, 07:24 Uhr

Petra Gockeln aus Hattingen ist Krimi-Autorin. Wie viele Autoren stellt sie ihre Bücher in Buchhandlungen vor, veranstaltet Krimi-Dinner-Abende oder lädt zu ungewöhnlichen Lesungen ein - in einem Tipi im Wald in Hattingen zum Beispiel. Ein ganz besonderes Naturerlebnis.

Von Daniel Chur

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Das Tipi im Wald

Ein großes Tipi-Zelt steht in der Wildnis von Hattingen-Bredenscheid. Der fast volle Mond spiegelt sich auf den kleinen Teichen neben dem Tipi, sein Licht lässt die Bäume lange Schatten werfen. In dem Zelt brennt ein kleines Lagerfeuer und Worte dringen heraus wie "dann wurde die Leiche in einen Teppich eingerollt" oder "der tote Hausmeister wurde vor einem Müllcontainer abgelegt".

Auch wenn das martialisch klingt, eigentlich sind die Geschichten der Hattinger Krimi-Autorin Petra Gockeln nicht nur schaurig, sondern auch zum Schmunzeln. "Rabenschwarze Seelen - Schräge Mordgeschichten aus dem Ruhrgebiet und anderswo" heißt zum Beispiel ihr aktuelles Buch. Damit ist auch klar, dass neben der Krimihandlung auch viel Heimatgefühl vorkommt.

Petra Gockeln berichtet über ihren Weg zur Autorin

01:00 Min. Verfügbar bis 01.04.2027

Gockelns Heimat rund um Hattingen besteht aus viel Natur. Und die liebt Gockeln genauso sehr, wie das Schreiben von mörderischen Geschichten. Die Hattingerin ist ausgebildete Wildnispädagogin, so kam die 65-Jährige mit ihrer Kollegin Ilka Markwardt auf die Idee, Krimi und Naturerlebnis zu verbinden. Auch Markwardt ist Wildnispädagogin und veranstaltet regelmäßig "Waldexpeditionen", also Führungen und Schulungen in der Natur.

Zwei Frauen stehen in einem Wald

Petra Gockeln und Ilka Markwardt veranstalten die Abende gemeinsam

Und so stehen Gockeln und Markwardt an einem Freitagabend kurz vor Sonnenuntergang mit einer kleinen Gruppe von zehn Personen auf einem Parkplatz am Waldrand. Erwartungsvolle Gesichter. Die Leute sind mit Rucksäcken bepackt, tragen Outdoorkleidung und Wanderschuhe. Zwei Grundschullehrerinnen sind dabei, genauso wie ein Ingenieur oder ein Gießerei-Mitarbeiter. Für sie alle geht es in einen sehr kontrastreichen Abend.

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Die schwarze Seele

Petra Gockeln kennt Kontraste. Die gebürtige Wuppertalerin lebte Ende der Siebzigerjahre für längere Zeit als Aussteigerin. Mit einem VW-Bulli fuhr sie alleine bis nach Kreta, jobbte dort unter anderem bei der Olivenernte oder als Tellerwäscherin. Nach dieser Erfahrung kam sie ins Ruhrgebiet ins "normale Leben", wie sie sagt, zurück und arbeitete dort bis zur Rente unter anderem bei einem Autozulieferer und an der Universität Witten-Herdecke.

Krimis und Schreiben haben sie die meiste Zeit ihres Lebens begleitet: "Ich habe als Kind schon immer die Büchereien geplündert. Und mit zwölf dachte ich mir: Mensch, jetzt kannst du doch auch selbst mal was schreiben." Erst waren es eher lustige Kurzgeschichten und Alltagsbeobachtungen. "Aber irgendwann schlug dann doch meine schwarze Seele durch", sagt Gockeln über ihre erste Krimigeschichte und lacht.

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Das Walderlebnis

Bevor die Gruppe in den Genuss ihres aktuellen Krimis kommt, ist erst mal das Erleben des Waldes angesagt. In der beginnenden Dämmerung führen die beiden Wildnispädagoginnen die Teilnehmenden in die Geheimnisse des Waldes ein.

Mehrere Personen, die Bäume umarmen. Links im Bild zwei weitere Frauen und ein fleckiger Hund

Die Gruppe erlebt den Wald

Es werden tatsächlich Bäume umarmt und später sollen alle erzählen, was sie dabei gespürt haben. Beruhigend sei das gewesen, sagt eine Teilnehmerin. Eine gewisse Kraft habe er gefühlt, sagt ein anderer Teilnehmer.

Dann folgt die Waldmeditation. Alle legen sich dazu in Hängematten, die zwischen den Bäumen gespannt sind. Die Augen werden geschlossen oder in den Himmel geschaut. Währenddessen liest Gockeln mit ihrer beruhigenden Stimme einen Meditationstext: "Atme tief ein und wieder aus. Ganz in deinem persönlichen Rhythmus." Manchen Teilnehmenden sieht man an: Sie sind ganz woanders jetzt, im besten Fall ganz bei sich selbst.

Ein Auszug aus einem Kriminalroman von Petra Gockeln

00:19 Min. Verfügbar bis 01.04.2027

"Ich bin ein sehr kontaktfreudiger Mensch", sagt die Autorin über sich, "ich freue mich immer, bei meinen Veranstaltungen neue Leute kennenzulernen." Neben den Waldevents liest sie auch auf Krimi-Dinner-Abenden und in Buchhandlungen. Oder spielt auch gerne mal eine Hexe - wie zuletzt im Januar, als sie zusammen mit anderen fantasievollen Menschen den Hattinger Wald zu einem "Zauberwald" verwandelt hatte, in dem Kinder eine große Abenteuergeschichte erleben konnten.

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Die Heimat und das Lagerfeuer

Heimatverbundenheit ist Gockeln wichtig. "In meinen Krimis spielt das Ruhrgebiet stets eine große Rolle", erzählt sie, "vor allem meine Heimatstadt Hattingen, wo ich zum Beispiel in einer Geschichte den Arbeitskampf der Stahlarbeiter in den achtziger Jahren auf der früheren Henrichshütte vorkommen lasse."

Es ist dunkel geworden. Die Gruppe findet sich in der nahe gelegenen Wildnisschule Ruhrgebiet ein, einem Areal mit Teichen und wilder Natur. Dort steht auch das große Tipi-Zelt, in das nun alle gehen. Am Lagerfeuer und in Decken gehüllt lauschen sie den Geschichten der Krimi-Autorin.

Petra Gockeln über die besondere Atmosphäre im Tipi

00:33 Min. Verfügbar bis 01.04.2027

Spannend ist es, vor allem aber gemütlich. Blickt man in die Runde, sieht man ausschließlich zufriedene und entspannte Gesichter. Die Welt draußen, die gerade ihre ganz eigenen "Krimis" liefert, scheint weit weg zu sein. Nur ein paar Schreie von Füchsen oder ein Knacken im Unterholz sind zu hören.

Die Mischung macht's

Nach einer Stunde Lesung gepaart mit Plauderei will eigentlich keiner so recht aufstehen, auch wenn das Programm jetzt zu Ende ist. "Das war eine tolle Erfahrung. Die Kombination aus Entspannung im Wald und dann Lagerfeuer und Krimi hat erstaunlich gut gepasst", sagt Teilnehmer Guido Brieger, der zusammen mit seiner Frau aus Bochum gekommen ist. "Dass man sich entspannt und der Natur so nahe ist, ist toll", sagt Claudia Teschner-Brieger, "sich einfach mal drauf einlassen auf die Geräusche und dabei loslassen können."

Auch die Krimi-Autorin freut sich, dass sie zusammen mit ihrer Kollegin den Menschen eine ganz besondere Auszeit bescheren konnte. Für die Zukunft planen Gockeln und Markwardt zusammen mit anderen Naturexperten ein komplettes "Waldfestival" in der Wildnisschule Ruhrgebiet: Workshops über Wald und Tiere soll es geben, Greifvögel werden zu sehen sein. "Und an einem Abend darf sich auch wieder am Lagerfeuer gegruselt werden", sagt Gockeln und freut sich schon auf ihre nächste Krimi-Lesung im Tipi.