Freddy Lemkuhl und Bernd Vieth stehen am Auto auf der Autobahn

Alleskönner in Orange: Wie Straßenwärter jeden Tag ihr Leben riskieren

Münster | Unterwegs

Stand: 04.12.2024, 07:34 Uhr

Ein falscher Schritt, eine abrupte Lenkbewegung und alles ist vorbei. Der Job als Straßenwärter der Autobahnmeisterei ist lebensgefährlich. Aber wer sind die Männer und Frauen in Orange eigentlich? Und wie erleben sie die Autofahrer? Die WDR Lokalzeit hat zwei von ihnen einen Tag bei ihrer Arbeit rund um Münster begleitet. 

Von Florian Dolle

Ungefähr 105 Dezibel schafft das Drucklufthorn eines LKWs. Aus etwa einem Meter Entfernung ein ohrenbetäubendes Geräusch. So nah befindet sich Freddy Lehmkuhl gerade an dem vorbeirauschenden 40-Tonner, als er von ihm begrüßt wird. "Ab und zu hupen die Leute. Aber irgendwann gewöhnt man sich dran. Man denkt sich seinen Teil", ruft der 28-Jährige gegen den Autolärm an. Gerade sperrt er die rechte Fahrbahn der A43 nahe Münster Süd mit Pylonen ab. Zu Fuß, mitten im fließenden Verkehr.

Wie gefährlich ist der Job als Straßenwärter?

Lehmkuhl ist einer von rund 2.000 Straßenwärtern, die bei Straßen.NRW arbeiten. Der Landesbetrieb ist für die Wartung von über 20.000 Kilometern Straße verantwortlich. Der fließende Verkehr verzeiht dabei keine Fehler. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Straßenwärter bei einem Arbeitsunfall ums Leben kommt, ist laut Landesbetrieb etwa dreizehnmal höher als in ähnlichen Berufsfeldern, also zum Beispiel Dachdecker oder Bauarbeiter. Rein statistisch stirbt pro Jahr ein Kollege. Tagtäglich riskieren die Straßenwärter ihr Leben, um Baustellen abzusichern, Straßen auszubessern, Pflanzen zurechtzuschneiden oder Winterdienst zu fahren. Trotzdem sind sie für manche Autofahrer ein willkommenes Ventil, um den angesammelten Stau-Frust abzuladen.

Freddy Lehmkuhl über fehlenden Respekt

00:17 Min. Verfügbar bis 04.12.2026

Die Arbeit mit der ständigen Gefahr im Nacken schweißt zusammen. Und macht wachsam. "Ein Straßenwärter achtet darauf, dass er immer den Verkehr im Blick behält", erklärt Bernd Vieth, Lehmkuhls Kollege. Er steht beim Grund für die Sperrung: Ein dickes Schlagloch, das ausgebessert werden muss. Ein Lastwagen nach dem anderen brettert vorbei. Bei der Arbeit dreht sich Vieth nie mit dem Rücken zu den Autos, während er das Loch penibel mit einem Besen reinigt. Dann füllt der 56-Jährige eine graue Masse hinein, Kaltasphalt.

Das Klima auf der Straße ändert sich

Sowohl Vieth als auch Lehmkuhl kommen eigentlich vom Hof. Ihre Familien betreiben Landwirtschaft. Sie wollten etwas anderes machen. Die Entscheidung haben sie - trotz der Gefahr - nie bereut. "Ein Dachdecker kann auch mal vom Dach fallen", sagt Vieth. Eine kritische Situation haben beide glücklicherweise noch nicht erlebt. Obwohl sie eine Entwicklung wahrnehmen.

"Die Verkehrsdichte nimmt zu in den letzten Jahren. Auch die Geschwindigkeiten", sagt Vieth und ergänzt: "Wenn wir ins Kreuz Münster Süd reinfahren und hier eigentlich schon alles dicht ist, dann kommt immer noch einer angeflogen von ganz links. Der will eine kleine Lücke nutzen, um sich noch schnell reinzuschieben. Das war früher anders". Vieth nimmt einen Gasbrenner, erhitzt den Kaltasphalt eine Weile, bis er flüssig wird und das Loch ganz ausfüllt. Lehmkuhl drückt das Ganze noch fest. Fertig.

Bernd Vieth bessert ein Schlagloch auf der Autobahn aus

00:13 Min. Verfügbar bis 04.12.2026

Das Schlagloch auszubessern hat die beiden ungefähr zehn Minuten gekostet. Weiter geht es zur nächsten Aufgabe, denn gerade ist es ruhig auf der Autobahn: "In unserem Job ist es so, dass wir kein festes Tagesziel haben und auch nicht haben können. Es kann jederzeit ein Anruf kommen, dass es zum Beispiel einen Unfall oder eine Panne gab. Und wenn eine Absicherung nötig ist, dann müssen wir da hin", sagt Lehmkuhl.

Freddy Lehmkuhl steht an einem Überholverbotsschild

Freddy Lehmkuhl steht nur wenige Meter von dem vorbeifahrenden LKW entfernt

An diesem Arbeitstag kommt kein Anruf. Und solange es aber ruhig bleibt, widmen sich Vieth und Lehmkuhl einer ihrer Lieblingsaufgaben: Bäume fällen. Inmitten einer Autobahnausfahrt nahe Münster drohen einige auf die Fahrbahn zu ragen. Die müssen weg. Danach? Hoffentlich Feierabend. Aber nur, wenn es auf der Autobahn ruhig bleibt.

Über dieses Thema haben wir auch am 31.10.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.