
Der Wolf ist da: Warum eine Pferdezüchterin jetzt auf Hunde setzt
Märkischer Kreis | Landwirtschaft
Stand: 04.04.2025, 07:08 Uhr
Nach fast 200 Jahren ist der Wolf zurück in NRW. Für die einen eine Bereicherung des Ökosystems - doch für viele Landwirte vor allem ein Ärgernis. Rund um Meinerzhagen im Sauerland ist ein Wolfspärchen mit fünf Jungtieren unterwegs. Die Viehhalter fürchten um ihre Tiere. Wieso einige von ihnen jetzt auf Hunde setzen.
Von Katja Brinkhoff
Nuri und Willi jaulen, lautstark. Sie haben Stephanie Dietrich entdeckt. Die beiden Kangals - türkische Hirtenhunde - stehen schwanzwedelnd am Gatter. Massige Fellpakete, denen das nieselige Wetter an diesem Tag nichts ausmacht. "Die kennen mich schon", sagt Dietrich. Der 34-Jährigen gehört das Pferdegestüt Wickeschliede in Meinerzhagen. Seit zwei Tagen ist sie jetzt auch Besitzerin der beiden ausgebildeten Herdenschutzhunde. "Die sollen meine Pferde vor dem Wolf schützen."
Stephanie Dietrich erklärt, warum das knuffige Äußere der Kangals täuscht
00:23 Min.. Verfügbar bis 04.04.2027.
Dietrich hat sich ein schönes Fleckchen Erde für ihr Gestüt ausgesucht. Wiesen, Felder und Wald. "Eine Idylle", sagt die 34-Jährige. Und wird nachdenklich, denn die Welt ist hier für Viehhalter nicht mehr Ordnung. Der Wolf ist zurück: "Er ist nicht mehr nur im Wald, sondern überall da, wo er Beute machen kann."
Der Wolf in NRW: Hoffen auf Herdenschutzhunde
Fast 200 Jahre galt der Wolf in NRW als ausgestorben. 1835 wurde hier der letzte Wolf erlegt, bis sich 2009 das erste Tier wieder aus Hessen in die Region verirrte. Seit 2016 aber häufen sich laut NABU die Wolfssichtungen im Bundesland. Ab 2018 wies die Landesregierung gezielt Wolfsgebiete aus, die inzwischen zu sogenannten Förderkulissen erweitert wurden. Insgesamt gibt es sieben Stück davon in NRW. Eine davon, das Ebbegebirge, auch im märkischen Sauerland.

Pferde stehen auf dem Speisezettel des Wolfs nicht an erster Stelle. Trotzdem hat Stephanie Dietrich Angst um ihre Tiere
Nuri und Willi sollen den Wolf auf dem Gestüt von Dietrich in die Schranken weisen. Wer die Tiere im Alltag beobachtet, fragt sich zuerst, ob sie wirklich die richtigen für den Job sind. Gerade zerren die jeweils 60 Kilogramm schweren Vierbeiner mit liebevoller Begeisterung an Stephanie Dietrich herum. "Zurück", gibt die das Kommando. Nuri und Willi parieren sofort. Und fragen sich vielleicht, was sie hier allein auf der riesigen Weide sollen. Denn weit und breit ist kein Pferd in Sicht. "Es ist noch zu kalt, um die Herden nach draußen zu holen", erklärt Dietrich. "Also Zeit für die Hunde, sich einzugewöhnen."
Warum Schutzzäune nicht wirklich helfen
Nur wenige Kilometer weiter rammt Schäfer Thomas Krips meterlange Herdenschutzzäune in den Boden. Der 46-Jährige wartet noch auf seine türkischen Hirtenhunde. In zwei Wochen sollen die Kangals kommen. Bis dahin muss der etwas über einen Meter hohe Zaun seine Schafe vor dem Wolf schützen.

2024 wurden mehr als 150 Schafe in NRW von Wölfen gerissen
"Über diesen Zaun lacht der Wolf", kommentiert Krips das, was er gerade macht. Weil der Wolf springen kann. Erst recht über ein Meter hohe Zäune. Krips letzte Hoffnung für seine Schafe sind die Kangals.
Schäfer Thomas Krips über seine Angst vor dem Wolf
00:23 Min.. Verfügbar bis 04.04.2027.
Dietrich schließt das Gatter ihrer Pferdeweide. "Bleib", lautet ihr Kommando an die Hunde. Nuri und Willi legen sich zufrieden auf die Wiese. "Die leben hier draußen - rund um die Uhr." Sie hat zwei Jahre gezögert, beim Schutz vor dem Wolf auf Hunde zu setzen. "Jetzt ist der Wolfsdruck so groß, dass wir Angst haben, unsere Tiere auf die Weide zu bringen." Gezögert hat sie, "weil wir die Hunde aus eigener Tasche bezahlen müssen." Nuri und Willi sind keine Schnäppchen. "Bis zu 8000 Euro muss man für einen ausgebildeten Kangal auf den Tisch legen." Und dann müssen diese Riesenhunde ja auch noch fressen.
Keine Unterstützung für Pferdehalter
In Nordrhein-Westfalen unterstützt das Land Schutzmaßnahmen gegen den Wolf mit Zuschüssen nur bei Schaf- und Ziegenhaltern. "Pferde stehen beim Wolf eben nicht an erster Stelle auf dem Speisezettel. Aber vielleicht auf Platz drei und vier", sagt Dietrich. Im Oktober 2021 rissen Wölfe zum Beispiel im Wolfsgebiet Schermbeck laut LANUV innerhalb weniger Tage drei Kleinpferde. Angriffe auf Menschen sind äußerst selten. In ganz Europa und Nordamerika gab es zwischen 2002 und 2020 insgesamt 14 Stück.
Dietrich schaut in den wolkigen Himmel. Solange es noch kühl ist, stehen ihre Pferde sicher im Stall. Kommt die Wärme, fängt für die Tiere die Freiluftsaison an. "Nuri und Willi können eine Herde gegen den Wolf schützen. Aber was machen wir mit den anderen Herden?" Eine Antwort hat sie darauf nicht.
Über dieses Thema haben wir auch am 28.03.2025 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Südwestfalen, 19.30 Uhr.