
Lebensmittel in der Stadt herstellen? Sechs NRW-Projekte machen es vor
Stand: 12.02.2025, 16:54 Uhr
Einige Städte in NRW werden immer größer, die Menschen immer mehr. Doch Anbauflächen für Lebensmittel sind begrenzt. Die Herausforderung: Auf ungenutzten Flächen und immer kleinerem Raum mehr anbauen. Wie können unsere Städte zur Ernährung in Zukunft beitragen? Wir stellen euch sechs kluge Projekte aus NRW vor.
Von Katharina Hollstein
"Garten-Paternoster" in Aachen
Diese Pflanzen stehen kopf: In Zusammenarbeit mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium hat das Fraunhofer-Institut in Aachen eine Art "Pflanzen-Paternoster", den "OrbiLoop", entwickelt. Das Gemüse wächst auf einem senkrechten Förderband, das kontinuierlich rotiert, im "Loop". So bekommen alle Pflanzen gleichmäßig Licht ab, ganz unabhängig vom Wetter vor der Tür, denn dabei lassen sich sowohl künstliches als auch echtes Sonnenlicht nutzen. Etwa eine Stunde dauert ein vollständiger Umlauf. Dadurch befinden sich die alle Pflanzen außerdem automatisch einmal auf Arbeitshöhe für die Mitarbeitenden. Und ein weiteres Ergebnis war selbst für die Forschenden überraschend.
Das macht den "OrbiLoop" in Aachen so besonders
00:41 Min.. Verfügbar bis 12.02.2027.
Der "OrbiLoop" bringt 90-mal mehr Ertrag als herkömmlicher Anbau. Mittlerweile sind sogar industrielle Anlagen für Lebensmittelhersteller in Planung.
Microgreen-Farm in Dortmund
Eine Mini-Farm mitten in der Dortmunder Innenstadt: Das ist das Projekt von René Papier. Ganz regional baut er hier ein echtes Superfood an, sogenannte Microgreens. Das sind wenige Zentimeter hoch gekeimte Kräuter oder Gemüsepflanzen mit nur zwei bis drei Blättern. Das wohl bekannteste Beispiel dafür ist Kresse.
René Papier setzt sich für die Lebensmittelwende ein
00:21 Min.. Verfügbar bis 12.02.2027.
Microgreens enthalten laut Verbraucherzentrale NRW pro 100 Gramm mehr Vitamine und Nährstoffe als das ausgewachsene Gemüse. Bei René Papier wachsen sie auf nur rund 45 Quadratmetern in mehreren Etagen übereinander. Sogenanntes "Vertical Farming" also. Mehr dazu, warum er in diesem Projekt großes Zukunftspotenzial sieht und vor welchen Herausforderungen Papier steht, lest ihr hier.
Gemüsegarten auf der Tiefgarage in Köln
Mitten in der Hochhaussiedlung Köln-Finkenberg ist ein gemeinsamer Gemüsegarten für die Anwohner entstanden. Auf dem Dach einer Tiefgarage, angelegt auf Pappe. Knapp 700 Quadratmeter Bohnen, Kartoffeln, Salate wachsen hier. Die Öko-Bäuerin Katrina McKee unterstützt das Projekt, das auch von einem Sozialarbeiter begleitet wird.
Das bedeutet das Garten-Projekt für den Stadtteil
00:22 Min.. Verfügbar bis 12.02.2027.
Freitag ist Ernte- und Ausgabetag. McKee zeigt den Kindern aus der Nachbarschaft, wie das Ernten funktioniert. Sie entdecken hier eine neue Beschäftigung für sich. "Es ist gut, wenn man rausgeht und jemandem hilft", meint die kleine Nelina. Die Ernte wird am Ende möglichst gerecht aufgeteilt.
Salat aus der Kläranlage in Dinslaken
Lebensmittel frisch aus der Kläranlage? Klingt erstmal wenig appetitlich. Doch in einem Pilotprojekt der Emschergenossenschaft wurde genau das erfolgreich getestet.
- Zum Beitrag: Bochum als "essbare Stadt"? Wie ein Verein das schaffen will
Mit den Nährstoffen aus der Kläranlage an der Emschermündung in Dinslaken wächst und gedeiht das Gemüse besonders gut. Ein Teil des Klärschlamms wird verwendet, um Trübwasser zu gewinnen. Das ist reich an Nährstoffen, enthält aber auch Schadstoffe, die mit einem sogenannten Membran-Bio-Reaktor entfernt werden. So entsteht dann ein "DIY-Flüssigdünger". Von dem profitiert dann der Salat im Container auf dem Gelände des Klärwerks. Biologe Tarik Ismaie nimmt regelmäßig Proben, um die Belastung der Pflanzen zu kontrollieren.
So wächst Salat auf dem Gelände der Kläranlage
00:27 Min.. Verfügbar bis 12.02.2027.
"Sie werden keinen Unterschied feststellen, wenn sie diese beispielsweise im Supermarkt zum Verkauf angeboten bekommen und daneben stehen die Bioland-Produkte oder die konventionell hergestellten Produkte", sagt Dennis Blöhse von der Emschergenossenschaft. Doch bis es so weit ist, muss der Salat erstmal zum Verkauf freigegeben werden. Während des Pilotversuchs war der Verzehr des Salats noch verboten. Neben ihm sollen mithilfe des Klärwerks in Zukunft zum Beispiel Wasserlinsen, Mangold und Süßkartoffeln gedeihen. Die Vision: Irgendwann einmal zur Lösung der Ernährungsprobleme der Menschheit beizutragen. Blöhse lacht. "Vielleicht kann ich meinen Enkelkindern erzählen: Da war der Opa schon dabei, als die Idee entstand." Mehr über das Projekt liest du hier.
Altmarktgarten auf dem Jobcenter in Oberhausen
Das Jobcenter in Oberhausen ist ein großes Bürogebäude mitten in der Stadt. Im fünften Stock, direkt unter dem Glasdach, verbergen sich aber keine Akten und Schreibtische, sondern Kräuter, Salate und Erdbeeren. Der Altmarktgarten ist gar nicht mal so klein. Er umfasst rund 1100 Quadratmeter. 2019 wurde der Garten eröffnet. Für die Umsetzung waren die heutigen Servicebetriebe Oberhausen (SBO) verantwortlich. Wissenschaftlich unterstützte das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik das Projekt. Noch heute nutzt das Institut einen Teil des Dachgeschosses zur Forschung.
So wachsen Lebensmittel auf dem Dach des Oberhausener Jobcenters
00:29 Min.. Verfügbar bis 12.02.2027.
Rund 150 Kilogramm Erdbeeren werden hier jedes Jahr geerntet. Sie gehen vor allem an Restaurants in der Nachbarschaft. Das Projekt zeigt, wie auch bereits bebautes Land für die Lebensmittelproduktion genutzt werden kann.
BOB-Campus in Wuppertal
Früher stand hier einmal eine Textilfabrik, heute soll er ein Ort für alle sein: der BOB-Campus in Wuppertal-Oberbarmen. Hier bauen Anwohner Gemüse, Kräuter und Blumen für alle Menschen aus dem Viertel an. Jeder, der Lust hat, kann mitmachen. In Oberbarmen leben Menschen aus vielen verschiedenen Kulturen. Der Garten ist für sie die Möglichkeit, ein Stückchen davon mit den anderen zu teilen. Dazu gehören Pflanzen, aus denen zum Beispiel Farben für ein Malprojekt gewonnen werden sollen, oder auch afrikanischer Spinat.
Das gefällt den Anwohnern am BOB-Campus in Wuppertal
00:22 Min.. Verfügbar bis 12.02.2027.
"BOB" stand einst für "Bünger Oberbarmen". Bis 2012 produzierte die Unternehmerfamilie auf dem Gelände zum Beispiel Schnürsenkel und Gardinenbänder. Heute wollen die Initiatoren mit dem BOB-Campus den Zusammenhalt in der Nachbarschaft stärken.