Eine Hand am Euter, eine Hand am Handy. So sieht die Kochausbildung im Jahr 2024 aus. Im Melkstand eines Bauernhofs in Reichshof im Oberbergischen Kreis stehen gut 20 angehende Köche. Dicht drängen sie sich zwischen eine weiß gekachelte Wand und ein verschlungenes Rohrsystem mit Milchbehältern, damit alle in den Raum passen. Ihr Gemurmel wird übertönt von einer ratternden Pumpe.
Auf der anderen Seite des Raumes stehen Kühe bereit, gemolken zu werden. Und zwar von den angehenden Köchen. Landwirt Michael Bauer erklärt, wie es ablaufen muss, damit die Milch auch wirklich läuft. "Pack sie mit zwei Fingern und dann einfach so ein bisschen von oben nach unten runtermassieren", sagt er. Dann dürfen die ersten jungen Männer ran an die Kühe. Gefragt sind Ruhe und Rücksicht. Berührungsängste haben die angehenden Köche nicht. Das ist nicht selbstverständlich. Ein paar von ihnen geben zu, dass sie vorher noch nie einer Kuh begegnet sind. Und nur wenige hatten bisher eine angefasst.
Die Koch-Azubis sind heute hier, weil Regionalität Teil ihrer Ausbildung ist. Der Umgang mit Lebensmitteln von nebenan wird immer wichtiger für die Arbeit in der Küche. 78 Prozent der Menschen in NRW sagen, dass ihnen der Konsum von regionalen Lebensmitteln wichtig oder sogar sehr wichtig ist. Das hat 2020 eine Umfrage im Auftrag des NRW-Landwirtschaftsministeriums ergeben. Viele Bauernhöfe in NRW bieten ihre Produkte deshalb zum Beispiel auch direkt in Hofläden an.
Koch-Azubis lernen Produkte von nebenan kennen
Auswirkungen hat all das auch auf den Arbeitsalltag der jungen Köche. Milch und Fleisch verarbeiten sie regelmäßig. Allerdings kommt die Milch bisher oft aus dem Tetrapack, das Fleisch meist aus einer Plastikverpackung. Egal, ob sie im Restaurant, einer Kantine oder einer Altenheimküche ihre Ausbildung machen. Der Bezug zum Tier spielt oft eine untergeordnete Rolle.
Das Albrecht-Dürer-Berufskolleg in Düsseldorf will das ändern. Die Schule hat Regionalität deshalb auf den Lehrplan gesetzt. Angehenden Köche sollen regelmäßig Bauernhöfe in der Umgebung besuchen. Oder Landwirte kommen in die Schule, auch mal mit einem Huhn unter dem Arm. Landwirt Michael Bauer findet das sehr wichtig: "Wenn der Bezug zum Erzeuger nicht da ist, dann ist es einfach ein totes Produkt. Aber Lebensmittel sind keine toten Produkte, es sind lebende Produkte."
Regional und lecker
Nachhaltig beeindruckt sind die Nachwuchs-Köche auch von der ganz frischen Milch, die sie gerade noch selbst gemolken haben. Nicht gekocht, nicht homogenisiert, nicht sterilisiert, einfach pur. Jeder darf probieren. "Man schmeckt, dass sie frisch ist und das schmeckt man bei der Milch aus dem Supermarkt nicht", sagt einer der jungen Männer. "Das Mundgefühl ist viel angenehmer", sagt ein anderer.
- Zum Beitrag: Klimaneutrale Milch - ist das machbar?
Auf dem Hof im Oberbergischen lernen die Koch-Azubis dazu die Kreislaufwirtschaft kennen. Das heißt: Die Tiere fressen, was auf dem Hof angebaut wird, und die Pflanzen werden mit den Ausscheidungen der Tiere gedüngt. Dazu haben die Kälber, Kühe und Bullen hier viel Platz und einen weichen Kompostboden.
Das alles hat seinen Preis. "Wenn du im Laden eine Milch für 99 Cent kaufst, kannst du nicht davon ausgehen, dass es möglich ist, die Tiere so zu halten", erklärt Hof-Mitarbeiterin und Grünen-Politikerin Andrea Münnekehoff. Das Fazit von Schüler Jan Henrik Volz: "Regionale Küche ist sicher nicht die profitabelste Art, ein Restaurant zu führen, aber die moralischste."
Für die Koch-Azubis geht es vom Kuhstall zurück in die Küche der Berufsschule in Düsseldorf. Im Gepäck: Milch, Eier und selbst gepflückte Äpfel vom Biohof. Daraus machen sie Apfelpfannkuchen. So können sie Regionalität und Nachhaltigkeit auch direkt schmecken.
Über dieses Thema haben wir auch am 13.09.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Düsseldorf, 19.30 Uhr.