
Wenn die Kinder nicht wollen: Was wird aus unserem Bauernhof?
Stand: 08.04.2025, 07:18 Uhr
Klaus Albersmeier aus Lippetal ist seit 40 Jahren Landwirt. Jetzt möchte er seinen Schweinemastbetrieb an die nächste Generation weitergeben. Aber seine drei Kinder haben andere Pläne. Wie soll es nun weitergehen?
Von Katja Stephan
Alltag mit 3500 Schweinen
Es ist 10 Uhr morgens. Die Schweine grunzen aufgeregt, als Klaus Albersmeier den Stall betritt. Er bahnt sich langsam seinen Weg durch die Tiere. Einige der kniehohen, kräftigen Sauen liegen ausgestreckt im Stroh. Mit lautem Rufen sorgt der Landwirt dafür, dass jedes Schwein aufsteht und sich bewegt. So kontrolliert er, ob alle Tiere fit und gesund sind.
Jeden Tag dreht der 58-Jährige so seine Runden durch die Ställe. Rund 3500 Tiere hält er hier auf dem Hof Albersmeier in Lippetal im Kreis Soest, der seit über 100 Jahren im Familienbesitz ist. "Wir machen das hier in der vierten Generation. Und natürlich wünscht man sich, dass das in die fünfte Generation überführt wird", sagt Albersmeier. Doch der Wunsch bleibt wohl unerfüllt. Seine drei Kinder wollen alle den Hof nicht übernehmen. "Dass hier jemand Landwirt in Hauptverantwortung wird, das sehen wir so nicht."

3500 Tiere bedeuten viel Verantwortung
Mit diesem Problem ist Albersmeier nicht allein. Laut Statistischem Bundesamt hatten 2020 nur knapp 40 Prozent der Betriebe mit einem Inhaber über 55 Jahre einen Hofnachfolger. Bei mehr als der Hälfte der Betriebe war die Hofnachfolge ungewiss oder nicht vorhanden. Findet ein Landwirt keinen Nachfolger, muss er seine Flächen verpachten oder verkaufen. Gerade im dicht besiedelten NRW kann es dann passieren, dass ehemals landwirtschaftliche Flächen zu Bauland werden.
Der Nachfolger vom Schützenfest
Auch wenn die Kinder den Hof nicht übernehmen wollen, sind sich Albersmeier und seine Frau Marianne einig: Der älteste Sohn soll den Hof erben. So bleiben Wohnhaus, Ställe und Felder weiterhin im Familienbesitz. Gleichzeitig steht für das Ehepaar fest, dass sie auf dem Hof wohnen bleiben möchten, auch im Alter. Zudem soll die Schweinemast in ihrem Sinne weitergeführt werden - und das nicht von einem Fremden.

Rund 125 Hektar Ackerland gehören zum Betrieb
"Wir haben uns überlegt, dass wir einen Betriebsleiter oder eine Betriebsleiterin finden möchten, die das, was wir hier aufgebaut haben, mit uns gemeinsam leben kann", sagt Marianne Albersmeier. Ihr Mann will eine schnelle Lösung finden. "Das Ziel ist, nicht bis 65 zu warten und dann hektisch einen Nachfolger zu suchen, sondern das partnerschaftlich in die Zukunft zu führen, bis ich mich dann zurückziehen kann."
Diese Entscheidung rechtzeitig zu treffen, fällt vielen Landwirten schwer, weiß Christian Solle von der Landwirtschaftskammer NRW. Er betreut mit seinem Team Familien, die für ihren Hof einen Nachfolger außerhalb der Familie suchen. Dafür gründete die Landwirtschaftskammer 2020 gemeinsam mit verschiedenen Verbänden die Initiative "Außerfamiliäre Hofnachfolge", die Hofabgeber und Suchende zusammenbringen soll. "Die Frage, ob die Kinder den Betrieb weiterführen, ist unbequem und wird oftmals unter den Tisch gekehrt, bis dann irgendwann die Zeit drängt, weil die Eltern in Rente gehen wollen", sagt Solle.
Zwei, die sich nur noch finden mussten
Die Albersmeiers wollen es anders machen. 2021 schalten sie eine Anzeige im Wochenblatt, in der sie einen Betriebsleiter oder eine Betriebsleiterin suchen. Ein Jahr lang suchen sie vergebens. "Das Gefühl ist natürlich erstmal doof", gibt Albersmeier zu. "Wir dachten, wir schalten eine Anzeige und können uns dann einen Bewerber aussuchen. Aber wenn sich niemand meldet, macht man sich schon Gedanken."
Was er damals nicht ahnen konnte: Ein Besuch auf dem Schützenfest wird alles ändern. Hier lernt er 2022 Landwirt Till Kranepuhl kennen. Mehr über diesen Tag und Marianne und Klaus Albersmeiers Weg zur Hofübergabe zeigen wir auch bei WDR Lokalzeit LandSchafft.
Ein Bekannter stellt die beiden einander vor. Und die merken schnell: Das könnte passen. Albersmeier erinnert sich an den entscheidenden Moment: "Till hat mir im Gespräch erzählt, dass es sein Traum ist, selbständiger Landwirt zu sein. Seine Familienverhältnisse würden das aber nicht zulassen, weil er nicht vom Hof kommt. Und da dachte ich: Genau so jemanden suche ich. Wir sind quasi zwei, die sich nur noch finden mussten."
"Natürlich ecken wir auch schon mal an"
Mittlerweile ist Kranepuhl seit gut zwei Jahren Betriebsleiter auf dem Hof Albersmeier. Er bekommt ein festes Jahresgehalt und übernimmt viele Aufgaben im laufenden Betrieb. Der staatlich geprüfte Landwirt musste sich mit der Schweinemast erst vertraut machen. "Klaus hat mir am Anfang sehr viel erklärt. Aber so langsam weiß ich, worauf ich bei den Tieren achten muss", sagt Kranepuhl. Er trage viel Verantwortung, aber Druck verspüre er keinen. "Ich kann jede Frage stellen, so oft ich will, und trotzdem bekomme ich eine vernünftige Antwort. Und ich kann Fehler machen, ohne Angst vor den Konsequenzen haben zu müssen. Das hilft mir total."
- "Lass das Schwein doch mal Schwein sein": Wie ein Aktivstall funktioniert
Rund 125 Hektar Ackerland gehören zum Betrieb. Was wann und wo angebaut und geerntet wird, entscheiden der Chef und sein Betriebsleiter gemeinsam. "Das ist nicht immer ganz einfach", gibt Albersmeier zu. "Für jemanden wie mich, der das Jahrzehnte in Eigenregie gemacht hat, ist das schon eine Umstellung. Aber es gab auch Situationen, da bin ich reingegrätscht und es war totaler Blödsinn. Das war vielleicht nur meine persönliche Eitelkeit." Kranepuhl lächelt und nickt. "Das Gute ist, dass wir das beide dann auch zugeben können, wenn was nicht richtig war. Natürlich ecken wir manchmal an. Aber damit können wir eigentlich ganz gut umgehen."

Nach und nach übernimmt Till Kranepuhl mehr Verantwortung auf dem Hof
Laut der Initiative der Landwirtschaftskammer scheitern außerfamiliäre Hofübergaben aus verschiedenen Gründen. Oftmals fehle das Verständnis für die Wünsche der jeweils anderen Partei, oder der Arbeitsaufwand sei höher als erwartet. Beide Seiten haben Hoffnungen, Erwartungen und Wünsche. Die zusammenzubringen, sei schwer. Christian Solle und seinem Team ist es zwar gelungen, Hofabgeber und Suchende zu vermitteln, doch zu einem erfolgreichen Abschluss kam es bisher nicht.
Um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden, gibt es bei den Albersmeiers den sogenannten Hoftalk. Einmal im Monat setzen sich Marianne und Klaus Albersmeier gemeinsam mit Kranepuhl zusammen. Dann kann jeder ganz offen ansprechen, was ihn stört. Marianne Albersmeier moderiert und versucht so, Streit im Keim zu ersticken. "Im Alltag ist einfach zu wenig Zeit, um Sachen direkt anzusprechen. Dann staut sich der Ärger vielleicht über Wochen und Monate an und wird immer größer. Das wollen wir vermeiden, indem wir viel reden."
Die Zukunft ist ungewiss
In den letzten zwei Jahren sind die Albersmeiers und ihr Betriebsleiter immer enger zusammengewachsen. Kranepuhl hat verschiedene Arbeitsbereiche übernommen, sein Chef zieht sich Schritt für Schritt zurück, fährt auch mal mit seiner Frau in den Urlaub. So soll Kranepuhl in den Betrieb hineinwachsen, ohne sich zu überfordern. Ein Prozess mit einem offenen Ende.
"Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Till könnte den Betrieb später mal pachten oder verwalten. Für diese Entscheidung ist es jetzt noch zu früh. Aber es muss klar sein, dass irgendwann Verantwortung übergeben wird und eine Selbständigkeit daraus erwächst, die zu Till passt", so Albersmeier. Kranepuhl kann sich beides vorstellen. "Ich weiß ja, dass Klaus und Marianne hier wohnen bleiben und somit als Ansprechpartner weiter zur Verfügung stehen. Das würde ich mir zumindest wünschen."

Ein eingespieltes Team: Klaus und Marianne Albersmeier mit Nachfolger Till Kranepuhl
Die Albersmeiers sind froh, diesen Weg gegangen zu sein. "Hätten wir an einen Fremden verpachtet, dann hätte der nach seinem Gutdünken hier weiter gemacht und für uns wäre die Landwirtschaft mittelfristig zu Ende gewesen", sagt Klaus Albersmeier. "Stattdessen gibt es jetzt ein gutes Gefühl, ein Wir-Gefühl. Und wir freuen uns, dass wir kein Auslaufmodell sind."