130 Hektar Ackerland bewirtschaftet Mathias Afhüppe. Er steht auf einem seiner Äcker in Warendorf, inmitten der grünen Blätter des wenige Zentimeter hohen Klees. Die Vegetationsperiode hat begonnen. Im Herbst will der 39-Jährige auf diesem Feld Mais ernten. Doch bevor er den Mais aussähen kann, muss der Klee weg. "Es geht uns darum, jeden Liter Wasser im Boden zu behalten. Wir wollen nicht, dass der Klee dem Mais später Konkurrenz macht."
Ultraflache Bodenbearbeitung mit neuartigem Schneidgrubber
Statt das gesamte Erdreich umzupflügen und den Klee loszuwerden, setzt der 39-Jährige bei der Bodenbearbeitung auf diesem Feld einen ultraflach-arbeitenden Grubber ein. Mit hydraulisch angetriebenen Scheiben schneidet das Gerät die oberste Schicht des Bodens hauchfein auf, wie bei einer Wurst- oder Brotschneidemaschine. Mehr über die Funktionsweise des Grubbers erklärt dieses Video von WDR Lokalzeit Land.Schafft. auf YouTube.
Afhüppe will Eingriffe in den Boden so gering wie möglich halten. Der Mais wird bei dem Verfahren später in kleine Säschlitze gesäht. Für Afhüppe ist es die Zukunft. Langfristig will er auf dem gesamten Hof komplett darauf verzichten, den Boden zu bearbeiten. Direktsaat nennt man diese Art der Bodenbewirtschaftung. "Warum immer mit Stahl und Diesel arbeiten? Man muss sich doch fragen - wie macht es eigentlich die Natur?", meint er. Damit wäre er einer der ersten in Deutschland. Und das, obwohl die Methode ihn bislang sogar einen Teil seiner Mais-Ernte gekostet hat.
"Wir mussten Lehrgeld zahlen im letzten Jahr", sagt der 39-jährige. Ein Grund: ohne eine Lockerung des Bodens vor der Aussaat dauert es im Frühjahr länger, bis sich der Boden erwärmt, die Jungpflanzen entwickeln sich langsamer. Warum betreibt der Landwirt also überhaupt so einen Aufwand?
Welche Vorteile gibt es?
Bei der Bearbeitung mit Grubbern bleibt der Boden weitgehend in seiner Struktur erhalten. Die Mikroorganismen werden nicht gestört, Regenwürmer fühlen sich wohl und machen den Boden locker und durchlässig. Dagegen sind die Böden nach dem Pflügen schutzlos. Die lockere, dunkle Erde zieht die Sonne an und verliert Feuchtigkeit, die die Feldfrüchte später für das Wachstum bräuchten: "Der dunkle Boden kann im Sommer schon mal 60 oder 70 Grad haben - da kann kein Bodenleben mehr arbeiten", so Afhüppe. Die steigenden Temperaturen in NRW als Folge des Klimawandels könnten dieses Problem in Zukunft weiter verschärfen.
In vielen landwirtschaftlichen Betrieben dominiert immer noch die Ansicht: Vor der Aussaat muss der Boden ordentlich gelockert und das Unkraut tief untergepflügt werden. Auch Afhüppes Vater hat Jahrzehnte auf die bodenwendende Methode gesetzt, um ein vernünftiges Saatbett zu bekommen - oder einen "reinen Tisch", wie er dazu sagt.
Doch seit einigen Jahren findet auch bei konventionellen Bauern ein Umdenken statt. Auch wenn viele nicht völlig auf den Pflug verzichten: Bodenbearbeitung in geringerer Tiefe ist im Aufwind. Ein Grund sind zunehmende Extremwetterereignisse wie langanhaltende Dürren und Starkregen.
Bei Regen und Sturm sei der durchwühlte und gewendete Boden kaum gegen Erosion geschützt. Nach Angaben des Umweltbundesamtes werden in Deutschland jährlich rund 22 Millionen Tonnen von Ackerböden durch Erosion abgetragen. Wertvoller Humus geht verloren.
Zudem bilden Böden, die jahrelang gepflügt wurden, eine sogenannte Pflugsohle aus. Zwar ist die Erde bis zu einer Tiefe von etwa 30 Zentimetern schön locker, unter dieser Schicht entsteht im Laufe der Jahre aber ein stark verdichtetes Erdreich. Das hindert Niederschlagswasser daran, abzulaufen. Die Fähigkeit des Bodens, mehr Wasser speichern zu können, wird bei den zunehmenden Dürreperioden im Sommer immer wichtiger wird.
Wirklich ein Allheilmittel?
Es gibt aber auch Kritik an der Direktsaat. Der Einsatz von Unkrautbekämpfungsmitteln wie Glyphosat ist bei dieser Methode der Bodenbearbeitung unverzichtbar. Für Afhüppe überwiegen dennoch die Vorteile: das Bodenleben explodiere, die Böden würden widerstandsfähiger und besser befahrbar nach langen Regenphasen.
Neben der Fähigkeit, das Wasser besser zu speichern, haben aber auch unternehmerische Gründe Afhüppe zum Umdenken bewogen. Bei der Direktsaat sind weniger Überfahrten über das Feld nötig, so können Treibstoff und Arbeitszeit gespart werden.
Auch wenn die Ernte im vergangenen Jahr magerer ausfiel, langfristig glaubt Landwirt Afhüppe an den Erfolg. "Wir müssen den Boden erst von der tiefen Bodenbearbeitung entwöhnen", sagt er. Bis der komplette Anbau von Weizen, Roggen, Mais und den anderen Getreidesorten, die als Futterpflanzen für seinen Schweine- und Bullenmast dienen, auf Direktsaat umgestellt sind, wird es aber noch einige Jahre dauern.