Die Sonne steht noch tief über dem weitläufigen Gelände aus Feldern, Scheunen und Wiesen der Region Minden-Lübbecke. Jonte öffnet ein Gatter und die Herde stürmt los. Liebevoll treibt Jonte die Kühe auf die offene Weide. Immer wieder gibt er ihnen kleine Streicheleinheiten. Es sind seine Mädels. Besonders die braunen Kühe haben es ihm angetan. Unweit von Jonte steht Kevin Szalies und beobachtet das Treiben.
"Jonte hat eine geistige Behinderung und eine Affinität zur Landwirtschaft und vor allem zu den Kühen", sagt der 40-jährige Szalies. Er ist Leiter des Biohofs und sozusagen Jontes Chef. Eingreifen muss Szalies nicht, Jonte hat seine Mädels voll im Griff. "Jonte fängt morgens um 7 Uhr an, melkt die Kühe und treibt sie mit uns heran. Er hat ein sehr gutes Gespür für die Tiere."
Inklusives Projekt mit großem Ziel
Der Biohof Klanhorst gehört zur Diakonie Stiftung Salem. Hier arbeiten rund 50 Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung in den verschiedensten Bereichen des Landwirtschaftsbetriebs. Seit über 35 Jahren gibt es dieses Projekt nun schon. Das Ziel: "Die Menschen, die hier arbeiten, zu fördern und auch auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen," sagt Szalies, der den Hof seit fast 20 Jahren leitet und schon als Zivildienstleistender hier anfing.
Alle, die hier auf dem Hof arbeiten, sind vollwertige Mitglieder der Hofgemeinschaft. "Wir haben unsere Produktion in den verschiedenen Bereichen. Unser Ziel ist es schon, kostendeckend zu arbeiten. Das ist auch unser Anspruch," so Szalies weiter. Jonte gehört zu den Mitarbeitenden, die auch in der Wohnstätte des Hofs leben.
Landwirtschaft mit Leidenschaft
Nachdem Jonte seine Mädels auf die Weide getrieben hat, geht es in den Kuhstall. Ausmisten. Gehört eben auch dazu. Anna Psotta hilft Jonte bei der körperlich anstrengenden Arbeit. Die Kühe machen eben doch ganz schön viel Dreck. Psotta ist eine von zehn Betreuern auf dem Hof Klanhorst und ist immer wieder angetan, wie sich Jonte um die Tiere kümmert. "Er merkt sich die Namen, er weiß, wen er als erstes zum Melkroboter holen muss und fühlt sich hier einfach wohl."
120 Hektar Fläche gilt es auf dem Biohof zu bewirten. Auf einem Acker kümmern sich ein paar Mitarbeitende um die Frühkartoffeln. Die Knollengewächse müssen geerntet werden. Erntemaschinen oder anderes landwirtschaftliches Gerät sucht man hier allerdings vergeblich. Lukas buddelt Kartoffel um Kartoffel mit der Hand aus dem staubigen Boden und legt jede in eine bereitgestellte Kiste. Die Handgriffe sitzen bei Lukas, auch wenn er eigentlich lieber Salat erntet, wie er erzählt. Alles war hier produziert wird, ist seit 1991 nach Bio-Richtlinien zertifiziert.
Arbeiten ohne Alltag
"Handarbeit ist gewollt. Wir müssen gucken, dass wir schwierige Arbeitsprozesse vereinfachen und aufteilen in kleine Arbeitsprozesse", erklärt Szalies. "Und das ist eine schöne Gruppenarbeit, das macht Spaß und man sieht sofort ein Arbeitsergebnis. Nach fünf Minuten haben wir hier schon drei oder vier Kisten voll."
Auf dem Hof wird ohne Druck oder Stress gearbeitet. Die Beschäftigten geben das Tempo selbst vor. Es ist die Aufgabe von Szalies und den anderen Betreuerinnen und Betreuern die Arbeit so einzuteilen, dass jeder hier nach seinem eigenen Tempo arbeiten kann.
Über dieses Thema haben wir am 12.07.2023 auch in der Lokalzeit OWL um 19:30 Uhr im WDR Fernsehen berichtet.