Eine Frau hockt in einem Stall auf dem Boden, vor ihr liegt eine Kuh, die sie behandelt.

Warum eine Tierärztin lieber Kühe als Katzen behandelt

Hochsauerlandkreis | Landwirtschaft

Stand: 09.03.2025, 08:25 Uhr

Judith Schmittgens ist ein "Wiederkäuer-Mensch", das sagt sie von sich selbst. Die Tierärztin aus dem Hochsauerlandkreis gehört zu den wenigen ihrer Zunft, die auch Großtiere behandeln. Schmittgens hat sich bewusst dafür entschieden. Ein anstrengender Job, der aber ihr Traumberuf ist.

Von Julia Arns

"Ich höre den Herzschlag kaum. Wenn ich mich anstrengen muss, überhaupt etwas zu hören, ist das kein gutes Zeichen", sagt Großtierärztin Judith Schmittgens, während sie Milchkuh Cora mit dem Stethoskop abhört. Der Landwirt ist fassungslos. Er hatte Schmittgens gerufen und auf eine Lungenentzündung getippt. Jetzt stellt sich heraus, dass das Tier womöglich eine Getränkedose geschluckt hat, die auf die Weide geworfen worden war. "Dass dadurch jetzt ein Tier stirbt, das kann es doch nicht sein", sagt die 35-jährige Tierärztin verärgert.

Wiederkäuer statt Katzen

Schmittgens brennt für ihren Job. Manchmal sind die Wege lang und die medizinischen Herausforderungen komplex. Schließlich arbeitet sie nicht gerade unter Laborbedingungen. Angst, sich die Hände schmutzig zu machen, hat die Tierärztin nicht. Immer wieder steckt sie von der Hand bis zur Schulter im Darm einer Kuh, um zu fühlen, ob alles in Ordnung ist. "Das ist kein Beruf für zimperliche Menschen", sagt sie.

Die Arbeit als Großtierärztin ist nichts für schwache Nerven

00:29 Min. Verfügbar bis 09.03.2027

Schmittgens gehört nicht zu den Frauen, die schon in ihrer Kindheit gesagt haben, dass sie mal mit Tieren arbeiten wollen. Und sie gehört auch nicht zu denjenigen, die sich dann im Studium entschieden haben, nur Kleintiere zu behandeln. So eine Tierärztin wie sie ist selten. Schmittgens nennt sich selbst "Wiederkäuer-Mensch", denn "Kühe sind einfach cool", findet sie. Ganz klar: Ihr Herz schlägt für Großtiere und die Landwirtschaft.

Viele Nutztiere, wenige Tierärzte

Zwar können Landwirte ihre Tiere bis zu einem gewissen Grad oft selbst gesundheitlich versorgen, aber alles können sie nicht bewältigen. Dann sind sie auf medizinische Hilfe angewiesen. Nur sind Tierärzte, die auch Großtiere behandeln, selten. Laut Bundestierärztekammer machen das aktuell nur rund 27 Prozent der Tierärztinnen und Tierärzte in Deutschland - häufig auch nur zusätzlich, neben dem Betrieb einer Kleintierpraxis. Das führt in einigen ländlichen Gebieten zu einer schlechten Versorgung und Problemen zum Beispiel bei Notdiensten.  

Eine Kuh im Stall mit gelben Markierungen an den Ohren.

Die Arbeit mit Großtieren erfüllt die Tierärztin

Rund 120 landwirtschaftliche Betriebe betreut die Praxis, in der Judith Schmittgens arbeitet. Auch hier werden Groß- und Kleintiere behandelt, inklusive eines 365-Tage-Notdienstes. Allerdings mit einem sechsköpfigen Team aus Tierärztinnen und Tierärzten, die sich gegenseitig unterstützen. Doch selbst hier kann es in Ferienzeiten zu Engpässen kommen. Zumal die Höfe bis zu einer Stunde von der Praxis entfernt liegen. "Wir mussten auch schon Betriebe ablehnen, deren Tierarztpraxis zum Beispiel keinen Nachfolger gefunden hat", so Schmittgens.

Viele Tierärztinnen, aber wenige Großtierärztinnen

Vor hundert Jahren war die Veterinärmedizin noch eine Männerdomäne. Heute sind 70 Prozent der Tierärzte in Deutschland Frauen, von den aktuellen Studierenden sogar 90 Prozent. Das zeigen Zahlen der Bundestierärztekammer. Für die Arbeit mit Nutztieren entscheiden sich allerdings wenig Frauen. Die Arbeit gilt als schwerer vereinbar mit dem Familienleben und körperlich anstrengender als die mit Kleintieren. Wie Judith Schmittgens Alltag als Großtierärztin aussieht, zeigen wir in einer neuen Folge von WDR Lokalzeit Land.Schafft.

Was ihr Job bedeutet, zeigt sich, als Schmittgens einen Betrieb mit Rinderzucht besucht. Mit dem Stethoskop prüft sie den Herzschlag eines 1,5 Tonnen schweren Bullen. Das ruhige Tier könnte sie aufgrund seiner Größe problemlos zerquetschen. Doch er macht ihr nicht die größten Sorgen, sondern allgemein Mutterkühe. "Blutabnahmen mache ich hier nicht so gerne. Denn gerade bei kleineren Betrieben, die nicht so professionell geführt werden und die Tiere nicht fest angebunden sind, kann das schnell lebensgefährlich werden", erklärt sie.  

Der Beruf der Großtierärztin ist auch mal mit Gefahren verbunden

00:46 Min. Verfügbar bis 09.03.2027

Doch das schreckt sie nicht ab. Viel unterwegs zu sein, ständig neue Herausforderungen zu meistern, genau dafür hat sich Judith Schmittgens entschieden. Und sie hofft, dass auch zukünftig mehr Tierärztinnen und Tierärzte erkennen, wie wertvoll und nötig die Arbeit mit Nutztieren ist.