
Der Biogas-Bauer aus Bottrop: Warum ein Landwirt auf Fernwärme setzt
Stand: 13.04.2025, 08:54 Uhr
Neben Getreide und Mais setzt Landwirt Johannes Miermann aus Bottrop auf Biogas-Fernwärme. Seine Nachbarn versorgt er schon damit, bald kommen unter anderem ein Krankenhaus und eine Kirche dazu. Ein Mega-Projekt.
Es ist laut in der beschaulichen Wohngegend in Bottrop-Kirchhellen. Mit großen Maschinen reißen Bauarbeiter Stück für Stück die Straße auf. Wie eine dicke Narbe zieht sich die Baugrube schon die Straße entlang. In der Grube liegen dicke Rohre. Zwei davon schweißt ein Arbeiter gerade zusammen.
Landwirt Johannes Miermann steht zwischen den Baufahrzeugen und schaut sich alles genau an. Kein Wunder - denn er ist der Grund für diese Baustelle. Genauer gesagt seine neueste Investition: eine Fernwärmeleitung für rund 3,5 Millionen Euro. Mehr zum Mega-Projekt des Landwirts zeigen wir bei WDR Lokalzeit LandSchafft.
Am Ende soll die Fernwärmeleitung durch Bottrop-Kirchhellen mehr als drei Kilometer lang sein. Und mindestens 500 Haushalte mit Wärme versorgen.
Biogasanlage erzeugt Wärme
Miermann produziert auf seinem Hof Biogas. Die Idee dazu ist schon im Jahr 2009 entstanden, als das örtliche Schwimmbad für viel Geld saniert wurde. "Da hat mein Vater sich gedacht: Mensch, wenn die das Hallenbad sanieren, dann wird es wahrscheinlich noch 20 Jahre offenbleiben", erinnert sich Miermann. Ein potenzieller Wärmeabnehmer? Mais und Getreide hat der Landwirt sowieso angebaut. So kam die Idee der Biogasanlage, die dann 2011 gebaut wurde.
Biogas ist ein erneuerbarer Energieträger. Das Gas entsteht, wenn organische Stoffe wie Gülle, Pflanzenreste, Lebensmittelabfälle oder Klärschlamm in einem luftdichten Behälter durch Mikroorganismen zersetzt werden. Während Bakterien das Material abbauen, entsteht das Biogas - ein Gemisch, das hauptsächlich aus Methan und Kohlendioxid besteht. Das entstandene Gas kann dann in einem Blockheizkraftwerk verbrannt werden. Die dadurch erzeugte Wärme treibt einen Generator an, der Strom produziert. Gleichzeitig entsteht aber auch nutzbare Wärme.

Johannes Miermann vor den Leitungen, die seine Fernwärme transportieren sollen
Und genau diese Wärme verteilt und vermarktet Miermann in seiner Nachbarschaft. Die ersten 30 Haushalte versorgt er schon. Sie gehören damit zu den 13,4 Prozent der Menschen in NRW, die mit Fernwärme heizen. Die Zahlen der Landesstatistiker sind aus dem Jahr 2022. Fernwärme ist demnach nach Gas und Öl die drittwichtigste Heizmethode in NRW.
Ölheizung raus, Fernwärme rein
Angefangen hat in Bottrop-Kirchhellen alles vor zwei Jahren. "Da haben wir unseren Nachbarn quasi angeschlossen und ein Nachbarschaftsnetz aufgebaut", so Miermann. Die ersten Nächte waren nicht ohne, denn mit der Rolle des Energieversorgers kommt auch eine Verantwortung, erzählt der Landwirt. Damals hätten viele Nachbarn ihre Ölheizungen rausgeworfen, um auf seine Wärme umzusteigen. "Ihre Ölheizung, die immer zuverlässig lief", meint Miermann und schmunzelt. Jetzt wird die Wärme nicht mehr im Keller selbst produziert, sondern kommt von außen.
Diese Fernwärmeheizung versorgt Johannes Miermanns Nachbarn
00:23 Min.. Verfügbar bis 13.04.2027.
Dafür, dass das warme Wasser zuverlässig läuft, ist Miermann zuständig. "Mein Vater hat immer gesagt: Irgendwann stehen die Nachbarn hier mit Mistgabeln und Fackeln auf dem Hof, wenn du die Heizung nicht am Laufen hast." Aber mittlerweile fühlt Miermann sich in seiner Rolle als Fernwärmelieferant wohl und alle Abläufe sind eingespielt.
Sicheres Standbein neben der Landwirtschaft
Der Bottroper Landwirt bietet seine Fernwärme zu Preisen von 13 bis 15 Cent pro Kilowattstunde an. Damit liegt sein Preis etwas unter dem durchschnittlichen Betrag, der laut Verbraucherzentrale NRW im Sommer 2024 bei gut 17 Cent lag. Das ist deutlich günstiger, als bei Gas. Allerdings ist bei Fernwärme der Grundpreis in der Regel höher.
- Neue Standbeine: Hier stellen wir weitere Landwirte vor, die viel mehr als Landwirte sind
Mit der neuen Leitung in Bottrop-Kirchhellen werden weitere Gebäude direkt an Miermanns Fernwärmenetz angeschlossen. "Das ist einmal die Kirche, dann haben wir das Krankenhaus und kommunale Gebäude wie eine Sportstätte, Grundschule und diese Schule hier", erklärt der Landwirt, während er auf das Gebäude hinter sich deutet. "Das ist ein großes Schulzentrum mit Hallenbad." Genau das Hallenbad, das vor über 15 Jahren alles ins Rollen brachte.
Außerdem will Miermann auch hunderte Haushalte, die zwischen seinem Hof und den angesteuerten Gebäuden liegen, mit Fernwärme beliefern. Er ist überzeugt, dass man mit Gülle und nachwachsenden Rohstoffen Geld verdienen kann: "Diese Vollversorgung garantiert mir halt einen guten Erlös."
Was ist, wenn der Regen nicht kommt? Oder wir haben viel zu viel Regen? Johannes Miermann, Landwirt und Fernwärmeversorger
Miermann wollte sich neben der Landwirtschaft auch ein zweites Standbein aufbauen, um finanziell abgesichert zu sein. Denn mit seinem landwirtschaftlichen Betrieb ist er vom Wetter abhängig. Mit seiner Fernwärme ist er nur davon abhängig, wie gut er seine Energie verkaufen kann. Landwirt und Energiewirt - Miermann ist jetzt beides.