Dorothee Wiese fährt morgens mit einem mobilen Milchtank - dem sogenannten Milchtaxi - über den Hof zu den Kälberboxen. Das Besondere: Die Tiere, die Wiese hier versorgt, sind gar nicht ihre eigenen. Und das Milchtaxi gehört ihr auch nicht. Den Kälbern ist das egal. Als Wiese den Stall betritt, hört sie als Erstes ein lautes "Muh". Auf ihr Frühstück haben die Jungrinder bereits gewartet und ordentlich Appetit. Sofort nuckeln sie an den Tränkeimern. "Das ist ein gutes Zeichen", freut sich die 32-Jährige, "dann sind sie auch fit und munter."
Wiese ist landwirtschaftliche Betriebshelferin. Sobald ein Landwirt oder eine Landwirtin krank wird, springt sie ein und übernimmt für einen gewissen Zeitraum die Arbeiten auf dem Hof. In diesem Fall beim Milchviehbetrieb Plugge in Schmallenberg-Werpe. Rund 150 Tiere füttert sie während ihrer Krankheitsvertretung zweimal täglich. Es ist ihre zweite Arbeitswoche im Betrieb. Die ausgebildete Agrarbetriebswirtin ist seit sechs Jahren festangestellt beim Betriebshilfsdienst und Maschinenring Hochsauerland. Auf 44 verschiedenen Höfen war die 32-Jährige schon im Einsatz.
Wenig Zeit für Einarbeitungen
Die Abwechslung als landwirtschaftliche Betriebshelferin macht für sie einen besonderen Reiz aus: "Das ist jetzt Betrieb 44 und Einsatz 58 für mich. Das hört sich viel an, aber ich würde mit niemandem tauschen wollen. Die Arbeit erfüllt mich."
Ihre Einsätze ergeben sich meist spontan. Die Ausnahme sind Krankheitsvertretungen aufgrund geplanter Operationen. Zeit für eine Einarbeitung bleibt oft nicht. Wiese muss den Betrieb sofort weiterführen. Das bedeutet viel Verantwortung. "Die ersten ein, zwei Tage sind sportlich, da muss ich mich erstmal in den Betrieb und in die Abläufe reinfinden. Aber ich hab das relativ schnell raus. Ich habe es ja gelernt und bin gut ausgebildet."
Wer als landwirtschaftlicher Betriebshelfer arbeiten will, muss vorher eine Ausbildung in der Agrar- und Ernährungsbranche abgeschlossen haben. Rund 5.000 landwirtschaftliche Betriebs- und Haushaltshilfen sind aktuell deutschlandweit auf den Höfen im Einsatz, geben die Maschinenringe Deutschlands, eine Vereinigung landwirtschaftlicher Betriebe, an. Dennoch würden überall Betriebshelfer fehlen und jede Fachkraft werde gebraucht, heißt es von den Maschinenringen.
Nachdem sie die Kälber gefüttert hat, geht es für Wiese rüber in den Kuhstall. Hier macht sie Boxen sauber und streut sie ein, füttert und überprüft das Wohl der Tiere. Das Melken übernimmt ein moderner Melkroboter. "Das ist schon praktisch. Auf anderen Höfen fällt das oft zusätzlich noch an", sagt Wiese und geht in Richtung des Treckers, um mit ihm neues Futter zu holen.
Unverzichtbare Hilfe
Eigentlich übernimmt Christoph Plugge diese Aufgaben. Ihm gehört der Milchviehbetrieb, auf dem Wiese im Einsatz ist. Plugge ist krankgeschrieben, Wieses Arbeit als Betriebshilfe wird deshalb über die Sozialversicherung bezahlt. "Es ist wichtig und natürlich auch beruhigend für mich, dass alles läuft", sagt Plugge. Er ist dankbar für Wieses Einsatz. Ohne ihre Hilfe stünde der Betrieb während der Krankheitstage still. Eine mitunter existenzgefährdende Situation.
Für Wiese selbst ist die Arbeit in der Landwirtschaft eher Berufung als Beruf. Einen Traum vom eigenen Hof hat die 32-Jährige aber nicht. Die Selbstständigkeit ist ihr zu viel Risiko.
Wiese hat ihre morgendliche Arbeit geschafft. Alle Kälber und Kühe auf dem Hof in Schmallenberg sind satt und versorgt. Für die Mittagspause fährt sie nach Hause. Am Nachmittag kommt sie zur zweiten Fütterung zurück.
Überwiegend hilft Wiese in Milchviehbetrieben, gelegentlich auch auf Getreidehöfen oder Betrieben mit Schweinen oder Legehennen. Kühe mag sie am liebsten. Ein Lieblingstier findet sie fast auf jedem Hof, ganz egal, welche Tiere er hält. In ihrem Urlaub besucht sie sie sogar hin und wieder und versucht, Kontakt zu halten.
Über dieses Thema berichteten wir auch im WDR-Fernsehen am 07.02.2024: Lokalzeit Südwestfalen, 19:30 Uhr.