Ein schwarz-weißes Bild einer zerstörten Stadt. Häusertrümmer und Rauchschwaden sind zu sehen.

Die letzten Kriegstage auf dem Dorf: Bombenangriffe auf Engelskirchen

Oberbergischer Kreis | Heimatliebe

Stand: 09.04.2025, 16:47 Uhr

Vor 80 Jahren fielen die Bomben nicht nur auf Großstädte wie Köln - auch kleinere Orte wie Engelskirchen wurden im März 1945 schwer getroffen. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten von jenen Tagen, die das Ende der nationalistischen Gewaltherrschaft einläuteten und ihr Leben für immer veränderten.

Von Daniel Gowitzke

Mit andächtigem Blick blättert Marianne Möller, Sonderpädagogin aus Engelskirchen, durch das vergilbte Fotoalbum ihres Großvaters. Er hatte nach einem Bombenangriff auf Engelskirchen die Zerstörung verbotenerweise fotografiert. Das nationalsozialistische Regime wollte nicht, dass Fotos von Kriegsschäden die Moral der Bevölkerung untergraben. Die Schwarz-Weiß-Bilder zeigen zerstörte Häuser, schwarze Ruinen und verlassene Straßen. Zeiten, die die 63-Jährige nur aus den Erzählungen ihrer Eltern kennt.

Drei Frauen und ein älterer Mann vor einem weiß-gräulichem Fotoalbum.

Marianne Möller (2. v.r.) beugt sich über das Fotoalbum ihres Großvaters

"Ich selbst bin in einer Demokratie groß geworden. Als Kind hörte ich vom Krieg, aber nicht so, wie ich es heute hinterfragen würde. Diesen Schrecken wollen wir nie wieder erleben. Und die Frage, wie es dazu kam, würde ich meinen Eltern heute gerne noch einmal stellen", sagt sie mit belegter Stimme. Möller erfährt in ihrer Recherche aber auch von Hilfe für verfolgte Juden, eine Engelskirchenerin ermöglichte einem jüdischen Mädchen das Weiterlernen.

Marianne Möller erinnert sich an die Erzählungen der Zeitzeugen

00:39 Min. Verfügbar bis 09.04.2027

Bombenangriffe auf Engelskirchen im März 1945

Neugierig beginnt Möller zu recherchieren - und findet heraus, dass Engelskirchen im März 1945 von verheerenden Bombenangriffen getroffen wurde. Am 19. und 28. März 1945 zerstörten alliierte Luftangriffe große Teile des Ortes, über 300 Menschen kamen ums Leben. Bei Kriegsende lag Engelskirchen zu 80 Prozent in Trümmern, die Wasserversorgung und Kanalisation waren zu großen Teilen unbrauchbar. Die Zerstörung traf nicht nur die lokale Gemeinschaft schwer, sondern steht beispielhaft für das Leid vieler kleinerer Gemeinden in Nordrhein-Westfalen.

Das zerstörte Engelskirchen 1945

Fotogalerie

Ein Schwarrz-Weiß-Foto zeigt zerstörte Häuser

Fotos der Kriegsschäden anzufertigen wurde von den Nationalsozialisten verboten.

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Fotos der Kriegsschäden anzufertigen wurde von den Nationalsozialisten verboten.

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Am 19. und 28. März 1945 trafen Engelskirchen schwere Luftangriffe.

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Die Familie hat bewusst versucht, die heutige Perspektive gegenüberzustellen.

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Eine Straße vor 80 Jahren ...

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... und heute.

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Angetrieben von dem Wunsch, die Erlebnisse jener Zeit besser zu verstehen, sucht Marianne Möller das Gespräch mit älteren Dorfbewohnerinnen und -bewohnern. Eine von ihnen ist Hede Brückner, 92 Jahre alt.

Zerstörung und Leid in Engelskirchen

Sie erlebte die Angriffe als Jugendliche, aber auch die Zeit davor: "Ich habe Angst, dass junge Leute heute zu leicht manipulierbar sind und es nicht merken. Ich habe es damals ja auch nicht gemerkt, und das ist gefährlich. Was ich mir am meisten wünsche, ist, dass es nie wieder Krieg gibt", sagt sie mit brüchiger Stimme.

Hede Brückner über die Angriffe auf Engelskirchen

00:35 Min. Verfügbar bis 09.04.2027

Auch Ingrid Pritz, 88 Jahre alt, erinnert sich an die letzten Kriegstage in Engelskirchen. Sie hat damals nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern auch vier Tanten. Ihre Familie suchte am 19. März 1945 Schutz in einem Keller, vergeblich. "Sie waren alle im Keller, und dann hat der Luftdruck ihre Lungen platzen lassen", erzählt sie leise. Die Trauer ihrer Mutter hat sich tief in ihr Gedächtnis eingeprägt: "Sie stand in der Küche und weinte, weinte, weinte. Für sie ist damals die Welt zusammengebrochen."

Ingrid Pritz erinnert sich an das Kriegsende

00:44 Min. Verfügbar bis 09.04.2027

Heute, 80 Jahre nach Kriegsende, erinnert in Engelskirchen wenig an diese Zeit. Umso wertvoller sind die Erinnerungen von Zeitzeuginnen wie Hede Brückner und Ingrid Pritz. Sie führen die Schrecken des Krieges vor Augen und schlagen die Brücke zur Gegenwart.

Erinnerungen der Zeitzeugen als Mahnung

Marianne Möller hat durch ihre Nachforschungen einen neuen Blick auf diese Zeit gewonnen: "Eine Frau, die ich befragt habe, war damals zwölf Jahre alt. Sie war im 'Bund Deutscher Mädel' und fand das schön, ohne zu merken, dass es sie prägte. Es war für sie selbstverständlich, eine Hymne zu singen, wenn Deutschland gesiegt hatte. Das wurde nie hinterfragt. Für mich ist das Sichern solcher Erinnerungen so wichtig."

Eine ganz persönliche Recherche und ein Dorf, das zeigt: Geschichte lebt in den Erinnerungen der Menschen weiter, die als Mahnung nicht vergessen werden sollten.

Über dieses Thema haben wir auch am 01.04.2025 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Köln, 19.30 Uhr.