Ein Mann lacht in die Kamera und hält einen Schlüssel hoch

Endlich weg von der Straße: So hat Uwe eine eigene Wohnung gefunden

Recklinghausen | Heimatliebe

Stand: 10.03.2025, 12:57 Uhr

Uwe Wallbaum aus Dorsten war alkoholabhängig und lebte für einige Monate unter einer Brücke. Sein Leben kannte für lange Zeit nur eine Richtung, bergab. Warum er dank "Housing First" positiv in die Zukunft blickt.

Von Fatima Talalini

Die Hände von Uwe Wallbaum zittern leicht. Die Aufregung ist ihm deutlich anzumerken, so lange hat er auf diesen Moment gewartet. Der 58-Jährige greift nach dem Kugelschreiber, der auf der Arbeitsplatte in der Küche liegt. Daneben mehrere große Blätter Papier, Mietvertrag steht auf dem oberen drauf. Wallbaum blättert, bis er auf der letzten Seite ist und setzt die Spitze des Kugelschreibers zur Unterschrift an. Geschafft! Endlich ist es offiziell, eine eigene Wohnung.

Wallbaum hat einen schweren Weg hinter sich. 1,5 Jahre lang hatte er keine Wohnung. Erst die Scheidung, dann die Einsamkeit, schließlich der Alkohol. Von da an ging es immer weiter bergab. Dabei hat er gearbeitet, solange es ging. 34 Jahre als Bergmann unter Tage. "Früher, wenn ich im Fernsehen so Leute gesehen habe, dachte ich, das kann ja nicht sein", erinnert sich der 58-Jährige. "Und jetzt bin ich selbst so einer und habe keine Wohnung."

Uwe Wallbaum erzählt, wie er in die Wohnungslosigkeit gelangte

00:16 Min. Verfügbar bis 10.03.2027

Die Zahl der Wohnungslosen ist in NRW in den vergangenen Jahren gestiegen. Ende Januar 2024 waren nach Angaben des Statistischen Landesamts 105.120 Menschen wohnungslos. Das sind 24,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Das merkt auch die Wohnungslosenhilfe Dorsten. 2023 suchten 350 Menschen bei ihnen Hilfe, 2024 waren es 527. Als wohnungslos gelten alle Menschen, die keine eigene Wohnung haben, also auch die, die bei Bekannten oder in einer Notunterkunft unterkommen. Auch Flüchtlinge werden dazu gezählt. Obdachlos sind die Wohnungslosen, die nirgendwo unterkommen und auf der Straße leben.

Wallbaum kennt beides. Als er seine Wohnung verliert, kommt er zunächst bei einer Bekannten unter. Doch nach einigen Monaten wird es zu eng. Für ein halbes Jahr schläft er unter einer Brücke. "Im Winter habe ich mich tagsüber in der Bücherei aufgehalten. Da war es schön warm. Abends bin ich wieder zurück zur Brücke." Schließlich holt er sich Unterstützung bei der Wohnungslosenhilfe Dorsten. Er bekommt einen Platz in einer Notunterkunft. Fünf Männer auf engstem Raum. "Wenn ich ins Bett ging, standen die anderen auf. Die fingen um 1 Uhr nachts an zu kochen, nahmen Drogen. Das war nichts", erinnert sich Wallbaum.

Housing first: Erst die Wohnung, dann alles weitere

Wallbaum möchte sein Leben wieder sortieren. Simon Brungs und Vanessa Greef von der Wohnungslosenhilfe bringen ihn schließlich im Programm "Housing first" des LWL unter. Die Idee dahinter: Im ersten Schritt raus aus der Wohnungslosigkeit. Mit einer Wohnung, richtigem Mietvertrag und ohne Bedingungen. Im zweiten Schritt ist dann genug Zeit, um sich zum Beispiel um gesundheitliche Hilfen oder eine Arbeitsstelle zu kümmern.

Vanessa Greef erklärt die Vorteile von Housing First

00:17 Min. Verfügbar bis 10.03.2027

Um das Konzept für Vermieter interessant zu machen, springt der LWL als Kontaktperson ein, auch mit Geld, falls das nötig wird. In der Regel werden die Mieten aber vom Jobcenter übernommen, falls es kein Arbeitseinkommen gibt. Die Vermieter verpflichten sich im Gegenzug für eine Bindefrist von zehn Jahren. Und das Konzept scheint aufzugehen, laut LWL halten mindestens acht von zehn Personen ihre Wohnungen auch langfristig.

Zwei Männer und eine Frau sitzen an einem Tisch, vor ihnen liegt eine Mappe mit Unterlagen

Vanessa Greef, Uwe Wallbaum und Simon Brungs gehen gemeinsam die Checkliste durch

Auch der neue Vermieter von Wallbaum, Tobias Nagel, ist von dem Konzept überzeugt. "Auf dem allgemeinen Mietmarkt ist es für solche Personengruppen extrem schwer bis schier unmöglich, eine Wohnung zu finden", sagt Nagel. "Ich möchte jemandem die Chance geben, der sie vorher vielleicht nicht hatte."

Endlich wieder richtig wohnen und leben

Nagel gibt seinem neuen Mieter eine kleine Führung durch die Wohnung. Es gibt anderthalb Zimmer, einen großen Raum und einen kleineren, in den hat Nagel schon eine Küche eingebaut. Wallbaum stellt eine Tüte mit Lebensmitteln und einen Karton mit gespendetem Geschirr ab und verabschiedet sich von seinem Vermieter und Brungs und Greef, die ihn zur Schlüsselübergabe begleitet haben. Wallbaum macht die Tür hinter sich zu und ist allein. Ein neues Gefühl. Niemand kann ihm seine Sachen klauen, niemand wird in der Nacht laut sein. Und als zweiten Schritt? "Jetzt kann ich endlich meine Tochter einladen mit meinem Enkelkind."

Über dieses Thema haben wir auch am 06.02.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.