Düsseldorf Top, Ruhrgebiet Flop: Wie gut sind Städterankings wirklich?
Stand: 12.09.2024, 07:47 Uhr
Wie schön oder lebenswert ist es in den Städten und Kommunen in Deutschland? Diese Frage beantworten immer wieder diverse Rankings und stellen Städten wie Gelsenkirchen oder Duisburg gerne mal ein weniger schmeichelhaftes Zeugnis aus. Wie entstehen solche Ranglisten überhaupt? Und wie aussagekräftig sind sie?
Von Josefine Upel
Gefühlt alle paar Wochen erscheint ein neues Ranking, das Städte in Deutschland bewertet. In dem einen liegt Münster auf Platz fünf mit der höchsten Lebensqualität unter den 40 größten Städten Deutschlands. Im nächsten Ranking landet die Stadt mit ihrer Lebensqualität auf Platz 337 von 400 Städten und Kreisen in Deutschland. Wie kann das sein?
"Man muss immer schauen, was dahinter steckt", sagt Bastian Heider vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung. "Diese Rankings sind meist Auftragsforschung und haben einen bestimmten Schwerpunkt."
Je nach bewerteten Kriterien und wie diese gewichtet werden, kommen die Macher der Rankings zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. In der Wissenschaft würden Rankings daher generell eher kritisch betrachtet, so Heider. Selbst wenn die Methoden dahinter wissenschaftlich nicht prinzipiell falsch seien. Rankings generell als unsinnig zu bezeichnen, so weit würde er deshalb nicht gehen, erklärt er. "Es ist sicherlich auch ein wichtiges Anliegen, zu versuchen, die Komplexität der Lebensqualität in den Städten und Regionen zu erfassen und abzubilden."
"Vergleich von Äpfeln mit Birnen"
Yasemin Utku ist Professorin für Städtebau und Planungspraxis an der TH Köln. Sie sieht Städterankings noch kritischer. "Wenn Ranking davor steht, bin ich per se skeptisch." Aus ihrer Sicht seien diese oft zu verallgemeinernd. "Die Städte haben völlig unterschiedliche Ausgangssituationen. Da werden aus meiner Sicht sehr oft Äpfel mit Birnen vergleichen, was häufig sogar unseriös ist."
Sie kritisiert auch die Methodik hinter vielen Rankings. Man müsse oft lange suchen, bis man eine Zahl finde, wie viele Menschen befragt wurden oder wie die Rahmenbedingungen waren. "Das macht viel aus. Und das wird wenig transparent gemacht. Es ist dann eher ein Stimmungsbild und eine Momentaufnahme. So wird es aber nicht dargestellt."
Münster auf Platz 6 und Platz 337: Was stimmt denn nun?
Während Krefeld beispielsweise laut Glücksatlas 2024 die fünft glücklichsten Einwohner in Deutschland hat, liegt die Stadt in einem Ranking des Instituts der deutschen Wirtschaft zur Lebensqualität nur auf Platz 391 von 400 Städten und Kreisen in Deutschland. Und während ein Ranking des Immobilienportals Immowelt Köln gefolgt von Düsseldorf an der Spitze der attraktivsten Großstädte in NRW sieht, liegt Düsseldorf in einem Ranking einer Unternehmensberatung auf Platz zehn der besten 241 Städte weltweit, Köln taucht dagegen überhaupt nicht auf.
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Auch die Stadt Münster ist ein gutes Beispiel für das Ranking-Chaos: Sowohl bei der Selbsteinschätzung der Münsteraner als auch bei der Bewertung nach objektiveren Faktoren wie Einkommen, Arbeitslosigkeit oder Infrastruktur schneidet Münster im aktuellen Glücksatlas gut ab. Hier belegt die Stadt Platz sechs beziehungsweise Platz fünf unter den 40 größten Städten Deutschlands mit der höchsten Lebensqualität. Beim Ranking des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) landet Münsters Lebensqualität allerdings auf Platz 337 von 400. Wie kommt das?
Zu den einfließenden Faktoren gehören im IW-Ranking unter anderem die private Überschuldung, die Ärztedichte, die Anzahl von Baugenehmigungen und Straftaten und der Anteil naturnäherer Flächen. Kriterien wie das kulturelle Angebot, wie fahrradfreundlich oder wie architektonisch wertvoll eine Stadt ist, tauchen nicht auf. Denn häufig seien solche Kriterien schwierig zu erheben und zu bewerten, erklären die Autoren des aktuellen Regionalrankings. Das Ranking basiere dennoch auf einem statistischen Modell, das den regionalen Erfolg einer Stadt oder eines Kreises anhand vorhandener und relevanter Daten aussagekräftig bewerten könne.
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Dass viele Faktoren der Lebensqualität oder der Attraktivität einer Stadt wie das kulturelle Angebot oder die Freizeitqualität schwierig zu erheben sind, sagt auch Heider. "Jeder bewertet die Lebensqualität einer Stadt anders." Er findet bei Rankings außerdem kritisch: "Die Lebenshaltungskosten fallen in Rankings gerne unter den Tisch." Es sei aber wichtig zu berücksichtigen, ob sich alle Menschen das Leben dort leisten können oder nur Hochqualifizierte mit den lukrativen Jobs. Ersteres sei in vielen Städten, die häufig hoch gerankt werden, wie München, Köln oder Düsseldorf, nicht unbedingt der Fall.
Wie Rankings Städten schaden können
In einem sind sich die diversen Städterankings oft einig: Das Ruhrgebiet rangiert auf den hinteren Plätzen. Städte wie Herne, Duisburg oder Gelsenkirchen lassen sich meist auf einem der hinteren Plätze finden. Armut und hohe Arbeitslosigkeit sind dafür häufig die Gründe. "Da muss man sich als Forscher auch hinterfragen: Was richte ich damit eigentlich an, wenn eine Stadt immer auf dem letzten Platz landet. Manifestiere ich da nicht die Verhältnisse und wird das dann nicht irgendwann zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung?", fragt Heider.
Professorin Utku sieht das ähnlich: "Gelsenkirchen zum Beispiel wird vermutlich erstmal nicht mehr von diesem schlechten Image runterkommen." Utku kommt aus dem Ruhrgebiet und findet das schade. "Es gibt in Gelsenkirchen tolle Quartiere und es ist nicht per se eine problembehaftete Stadt. Ich kriege immer noch Besuch im Ruhrgebiet von Leuten, die sagen: So grün habe ich mir das hier gar nicht vorgestellt. Das Image bleibt einfach ewig hängen und das ist kontraproduktiv", sagt sie.
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Die Stadt Gelsenkirchen selbst will sich von den oft schlechten Rankingergebnissen nicht unterkriegen lassen. "Der konkrete Blick auf die Situation vor Ort bringt ein viel umfassenderes Bild auf die Stadt, als vereinfachende Rankings", sagt Pressesprecher Martin Schulmann. "Politik und Verwaltung kennen ihre Stadt sehr genau und reagieren auf Problemlagen durchaus auch ohne Hinweise aus medienwirksamen Rankings."
In Rankings, die Faktoren wie Einkommen oder Arbeitslosigkeit stark gewichten, sei Gelsenkirchen zwar meist auf den hinteren Plätzen zu finden. Dafür schneide die Stadt beispielsweise bei Digital- und Smart City-Rankings im Bundesvergleich regelmäßig sehr gut ab. Die Stadt verweist auch auf das Dynamikranking des Instituts der deutschen Wirtschaft, das positive Entwicklungen bewertet und Gelsenkirchen zuletzt immerhin auf Platz 270 von 400 platzierte.
Individuelle Betrachtung von Städten hilfreicher?
Städteplanerin Utku hält es für sinnvoller, besondere Merkmale oder Qualitäten von Städten zu thematisieren, als sie nach Kriterien zu ranken. Zum Beispiel, indem man auflistet, welche Städte viel Wert auf Radverkehr oder soziale Infrastruktur für Kinder legen. "Es ist eine Daueraufgabe, Städte weiterzuentwickeln. Und es gibt immer wieder neue Herausforderungen, da muss man natürlich was machen. Aber das bildet sich nicht in so einem Ranking ab, das ist viel mehrdimensionaler und vielschichtiger."
Auch Heider findet es wichtig, Städte individuell zu betrachten. "Man muss sich anschauen: Welche Problemlagen gibt es in bestimmten Regionen oder Städten? Gibt es da räumliche Muster? Man muss sich die einzelnen Indikatoren und die Entwicklung anschauen und daran ansetzen."
Über dieses Thema haben wir am 03.06.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Düsseldorf, 19.30 Uhr.