Es ist laut in der Aula der Willy-Brandt-Schule in Castrop-Rauxel. An der einen Ecke proben zwei Schülerinnen ihren Text, auf der gegenüberliegenden Seite werden letzte Teile für das Bühnenbild aufgebaut. Die großen Teile sind schon fertig. Förderturm, Tunnel, Schachaufzug: Die Bühne in der Mitte des Raumes ist zum Zechengelände geworden. Auf ihr probt gerade eine Gruppe der Klasse 8c eine ganz wichtige Szene. Mit ihr startet das Musical "Glück auf!", an dem die Schüler seit mehreren Jahren arbeiten.
Die Szene, die die Schüler hier proben, beendete ein großes Stück deutscher Geschichte. Am 21. Dezember 2018 überreichten Bergleute das letzte abgebaute Stück Steinkohle aus einem deutschen Bergwerk an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Nach 200 Jahren Industriegeschichte stellte die bundesweit letzte Zeche in Bottrop damit offiziell die Kohleförderung ein.
Warum ist das Ruhrgebiet, wie es ist?
Lehrer Dominik Sahm hat damals den Festakt im Fernsehen mitverfolgt. Die Schließung der Zeche Prosper Haniel in Bottrop ist ihm danach nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Die Idee für ein Musical war geboren. "Die Kinder in dieser Region müssen wissen, warum das Ruhrgebiet so ist, wie es ist", sagt er. Der Musiklehrer ist selber nicht in der Region aufgewachsen, wohnt aber seit 1997 in Wattenscheid.
Mittendrin im Gewimmel auf der Bühne sind Chiara und Issa. Die 14-Jährigen üben ein Duett in ihren Rollen Herta und Horst Kuschinski. Sie spielen in dem Musical ein junges Liebespaar. Mit einem gelben Helm mit Grubenlampe drauf und schmutziger Bergbau-Kleidung steht Issa seiner Klassenkameradin gegenüber. "Ihr dürft euch gerne noch ein bisschen mehr anschauen, ein bisschen mehr anschmachten", sagt Sahm und versucht den beiden noch ein paar letzte Tipps für die Aufführung zu geben.
Issa fühlt sich wohl in seiner Rolle. Kein Wunder, denn durch seine Adern fließt Bergmannsblut: Sein Uropa und sein Opa waren Bergleute. "Es war anstrengend", haben sie erzählt. Bis heute klagen sie über Rückenschmerzen. Und auch Kiara hat schon einige Geschichten über den Bergbau gehört. Viele Bewohner ihres Dorfes arbeiteten unter Tage. Sich so dem Thema zu nähern, findet die Schülerin spannend.
Bergbauluft schnuppern zur Vorbereitung
Szene für Szene gehen die Schüler nochmal alles durch. Die Proben laufen gut. Der Text sitzt inzwischen fast perfekt bei allen. Die Musik komponierte Sahm selber, seine Frau schrieb die Texte. Viel Vorbereitung und Herzblut stecken in dem Stück: Die Schulklasse hat unter anderem das Bergbau-Museum in Bochum besichtigt und durfte sich sogar dort Requisiten für die Aufführung ausleihen.
Sahm freut sich, dass die Schüler so ein großes Interesse am Thema Bergbau haben. "Die Aufmerksamkeit war manchmal so hoch, vor allem wenn es um die Anfänge des Bergbaus ging. Kinder in ihrem Alter mussten ja schon im Stollen arbeiten, weil Erwachsene nicht durch die schmalen Gänge gepasst haben. Ich glaube, einige waren sehr dankbar, dass sie in die Schule gehen dürfen," sagt der Musiklehrer.
Die Vorfreude auf die Aufführung steigt so langsam bei allen. Sahm ist schon jetzt stolz auf die Leistung seiner Schüler und er hat sein Ziel erreicht: Die Geschichte des Ruhrgebiets lebendig werden zu lassen. Einige Schüler haben etwas über ihre Vorfahren erfahren und Zugezogene verstehen nun besser, warum im Ruhrgebiet der Bergbau auch heute noch eine so große Bedeutung hat. Nun hofft der Lehrer, dass sich die Schulklasse auch in die Herzen der Zuschauer singen werden.
Über dieses Thema haben wir auch am 26.11.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Dortmund, 19.30 Uhr.