Hinter den Kulissen des Kölner Rosenmontagszuges
Stand: 03.03.2025, 08:11 Uhr
Eine Million Menschen am Straßenrand, sieben Kilometer Zugweg, knapp 12.000 Teilnehmende, darunter fast 4.000 Helferinnen und Helfer. Der Rosenmontagszug ist ein riesiges Ereignis. Aber wer sind eigentlich die Leute, die das möglich machen?
Von Jochen Hilgers
Die Kritzelköpp
Es ist der 7. November 2024. Die Planungen für den kommenden Rosenmontagszug werden konkreter. Zugleiter Marc Michelske hat sein Karikaturistenteam, die Kritzelköpp, in das Fragezeichenzimmer im Haus des Kölner Karnevals beim Festkomitee geladen. Das Fragenzeichenzimmer ist ab Herbst immer abgeschlossen. Es dient alleine dem Kreativ-Team. Heute herrscht eher Krisenstimmung. Die US-Wahl ist gelaufen, Trump hat sich überraschend deutlich durchgesetzt. Ein geplanter Harris-Wagen wird verworfen. Ein Trump-Wagen muss her. Als wäre das nicht genug, ist auch noch die Ampelkoalition zerbrochen. Mehrere Entwürfe landen im Mülleimer. Das Team muss praktisch von vorne beginnen. Später im November gibt es die nächste schlechte Botschaft. Die Bundestagswahl wird eine gute Woche vor dem Rosenmontagszug stattfinden. Ein Wagen muss also ganz aktuell entworfen und gebaut werden.
Martin Weitz über seine Karikatur von Trump
00:29 Min.. Verfügbar bis 03.03.2027.
Am Tag vor Heiligabend sitzt Martin Weitz, einer von den Kritzelköpp, in seinem Hobbykeller. Wie fast die gesamte Adventszeit über hat der Arzt und Chiropraktiker hier so ziemlich jede freie Minute verbracht. Seine Familie ist das schon gewöhnt, dass "der Papa vor Karneval abtaucht". Martin Weitz hat aber jetzt den Trump-Wagen fertig. Der US-Präsident jongliert die Welt auf seinem ausgestreckten Mittelfinger und hat die gefesselten Justitia und Miss Liberty fest im Griff. Der Rosenmontagszug hat als roten Faden den Begriff: "Liebe". Wie kann man ihn mit so einem Wagen in Verbindung bringen? "Amour fou", verrückte Liebe, steht als Schrift in Martins Karikatur.
Die Wagenbauer
Ihr Nachname Labusga ist in der Wagenbauerszene legendär. Lisa Labusgas Vater Herbert baute sechs Jahrzehnte lang hunderte Persiflagewagen für den Rosenmontagszug. Tochter Lisa Labusga, gerade 44 Jahre alt geworden, ist aber auch schon fast zwanzig Jahre dabei.
In der Wagenbauerszene legendär: Lisa Labusga
00:38 Min.. Verfügbar bis 03.03.2027.
Sie baut unter anderem den Generationenwagen. Motto: Die Generation Z erbt von den Boomern nichts als Schulden und die Klimakatastrophe. Jetzt Anfang Januar geht es entspannt zu in der Halle. Labusga hat Zeit für Geschichten: "Wisst ihr, dass unsere Figuren nachts Partys feiern?", sagt sie. "und morgens müssen wir sie in der Halle dann suchen gehen". Sie hat schon als Baby im Kinderwagen in der Wagenbauhalle gelegen. So wie ihr Sohn Oscar auch vor neun Jahren. Er kam im November zur Welt und Labusga baute direkt nach der Entbindung weiter an den Wagen.
Die 44-Jährige ist von Beruf Maskenbildnerin bei Film- und Fernsehproduktionen. Im Winter aber baut sie Persiflagewagen.
Der Zugleiter
Was denn sein Beruf Anwalt mit seiner Berufung Zugleiter gemeinsam habe, fragen wir Anfang Februar 2025 Marc Michelske im Landgericht Köln. Ganz einfach: die Fristen. Rosenmontag könne man genauso wenig verschieben wie Gerichtstermine. Michelske ist seit dieser Session Zugleiter, zuvor war er ehrenamtlicher Schatzmeister beim Festkomitee. Dafür, dass er vor seinem Erstlingswerk steht, wirkt er gelassen. Und anscheinend voller Vorfreude.
Zugleiter Marc Michelske
00:17 Min.. Verfügbar bis 03.03.2027.
Der 43-Jährige muss sich dreiteilen zwischen Beruf, Zugleitung und Familie. Dienstags treffen wir ihn in der Wagenbauhalle. Später abends fährt er mit dem Zug nach Augsburg zu einem Gerichtstermin. Er kommt mit zwei Stunden Verspätung an, tritt Mittwoch die Heimreise an und trifft sich noch am selben Abend mit den Kritzelköpp und den Wagenbauern.
Es wird vereinbart, dass am Dienstag nach der Bundestagswahl ein neuer Entwurf vorliegt, den ein achtköpfiges Team von Wagenbauern bis zum Samstag darauf baut. Am Donnerstag hat Marc dann den nächsten Gerichtstermin. Michelske ist Verkehrs- und Strafrechtler. Im Prozess wird ein Versicherungsfall um einen aus den USA importierten Oldtimer verhandelt. Routine für den erfahrenen Anwalt.
Wenn alles nach Plan läuft, fährt Zugleiter Michelske am Rosenmontag mit seinem Wagen an der Spitze des Zugs. Auf der über sieben Kilometer langen Stecke durch die Kölner Innenstadt folgen ihm dann mehr als 160 Wagen.
Der Trump-Wagen
"Er wird den Wagen leider nicht verstehen", bedauert der Zugleiter als er mal wieder in der Wagenhalle ist. Wagenbauer Aaron Paffenholz hat den Trump-Wagen in Arbeit. Mit der Kettensäge bildet er die Charakterzüge des US-Präsidenten aus dem weißen Styroporklotz.
Wagenbauer Aaron Paffenholz arbeitet am Trump-Wagen
00:19 Min.. Verfügbar bis 03.03.2027.
"Narzisst Trump wird es eher gut finden, dass er die Welt auf dem Mittelfinger jongliert", erklärt Marc Michelske dann. Es ist mittlerweile Mitte Februar und der Trump-Wagen hat mächtig Verspätung. Wagenbauer Paffenholz hatte wochenlang mit einem Infekt zu kämpfen. Fing deshalb viel zu spät an. Jetzt sind eben Nachtschichten angesagt, meint er achselzuckend. Es ist ein wichtiger Wagen, vielleicht der, der auch weltweit in den Nachrichten zu sehen sein wird. Das ist durchaus eine Herausforderung für den jungen Wagenbauer, der eigentlich Gestaltungstechnik gelernt hat.
Wie er denn zum Wagenbauen gekommen ist? Paffenholz schaut nach links, wo ein etwas älterer Wagenbauer gerade die Köpfe von Sahra Wagenknecht und Alice Weidel modelliert. "Das ist mein Vater Jörg", sagt Paffenholz. Auch er ist praktisch in der Wagenbauhalle groß geworden.
Über dieses Thema berichten wir am 04.03.2025 auch im WDR Fernsehen: Karikaturen und Kamelle - Hinter den Kulissen des Kölner Rosenmontagszugs, 14.30 Uhr.
