
Hier piept's wohl: Der Vogelflüsterer von Aachen
Städteregion Aachen | Heimatliebe
Stand: 06.02.2025, 07:52 Uhr
Seit 50 Jahren hat Rainer Weber eine große Leidenschaft. Er züchtet Waldvögel. Mit seinen Dompfaffen und Distelfinken hat der Aachener schon so manchen Schönheitswettbewerb gewonnen. Jetzt ist er mit einigen seiner Tiere zur Deutschen Meisterschaft nach Bad Salzuflen gefahren. Das Ziel: mindestens drei Auszeichnungen.
Von Katja Stephan
Abtauchen in die Welt der Vogelzüchter
Ein lautes Zwitschern empfängt Rainer Weber, als er die große Messehalle betritt. In dutzenden Reihen stehen kleine Holzkäfige übereinandergestapelt. Darin hüpfen und klettern Vögel in allen Farben und Größen. Weber, groß und kräftig, mit grauen Haaren und Jeans, steuert zielstrebig auf den hinteren Bereich zu, denn hier stehen die Waldvögel und die züchtet der 64-Jährige. "Ich bin gespannt, wie ich abgeschnitten habe, mit meinen Vögeln. Das ist immer ein aufregender Moment", sagt Weber und setzt seine grüne Lesebrille auf und wandert langsam die Reihen entlang.
Rainer Weber dreht eine Runde über die Messehalle
01:42 Min.. Verfügbar bis 06.02.2027.
An jedem Käfig hängt ein kleiner gelber Zettel mit der Vogelrasse und dem Namen des Züchters. Gleich daneben stehen die Punkte, die das Tier von den Preisrichtern erhalten hat. Am Tag zuvor wurden alle Vögel unter Ausschluss der Öffentlichkeit begutachtet und benotet, heute können sich Weber und seine Züchterkollegen die Ergebnisse anschauen.
Auf der Deutschen Meisterschaft der Vogelzüchterinnen und Vogelzüchter in Bad Salzuflen werden 6200 Vögel unterschiedlicher Rassen gezeigt, darunter Kanarien, Sittiche und Waldvögel. Veranstalter ist der Deutsche Kanarien- und Vogelzüchterbund, kurz DKB, dem bundesweit etwa 5000 Mitglieder angehören. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es rund 800 Züchterinnen und Züchter. "Das reicht vom Handwerker bis zum Akademiker. Das Hobby Vogelzucht geht durch alle Schichten der Gesellschaft", so DKB-Präsident Josef Hellenbrand.
Ein Schönheitswettbewerb mit klaren Regeln
Weber hat seinen ersten Käfig gefunden. Darin sitzt ein kleiner rotbrauner Vogel mit einem schwarzen Kopf gelassen auf seiner Stange. Es ist ein Dompfaff-Weibchen. Weber studiert die Punktekarte unter dem Käfig und schüttelt mit dem Kopf. "Letztes Jahr hatte ich mit diesem Vogel Erfolg, dieses Jahr leider nicht. Aber man kann ja nicht in jeder Kategorie erfolgreich sein." Er zuckt mit den Schultern. Der Hobbyzüchter ist mit 15 Vögeln verschiedener Rassen angetreten. Voller Hoffnung, dass eins der anderen Tiere gewonnen hat, setzt er langsam seinen Weg entlang der Käfige fort.

Unzählige Käfige füllen die Messehallen in Bad Salzuflen
Je nach Vogelart werden die Tiere nach unterschiedlichen Kriterien bewertet. Dabei achten die Preisrichter zum Beispiel auf die Form des Vogels, seine Proportionen und die Schwanzlänge. Auch die Farben und den Zustand des Gefieders nehmen sie genau unter die Lupe, denn daran lässt sich ablesen, ob das Tier gesund ist und gut gehalten wird. Bei den Kanarienvögeln kommen Kriterien wie die Haltung oder auch der Gesang hinzu. Für jede Kategorie vergeben die Preisrichter Punkte. Der Vogel mit der höchsten Gesamtpunktzahl wird Deutscher Meister in seiner Klasse.
Mit einem Kanarienvogel fing alles an
Weber ist ein alter Hase, was die Vogelzucht angeht. Seit 50 Jahren widmet er als Mitglied der "Vereinigten Kanarienzüchter Aachen" einen großen Teil seiner Freizeit den gefiederten Freunden. Schon als Kind war er verrückt nach Tieren. Vor allem Vögel hatten es ihm angetan. "Mit 13 Jahren habe ich mir für 50 Pfennig meinen ersten Kanarienvogel von meinem Ersparten gekauft. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Vögel dazu", erzählt Weber. Vor allem eine Sache hat ihn dabei begeistert.
Vogelzucht: Was macht für Rainer Weber die Faszination aus?
00:29 Min.. Verfügbar bis 06.02.2027.
Mittlerweile besitzt er rund 70 Waldvögel, darunter so ausgefallene Rassen wie Birkenzeisig, Meisengimpel, Graukopfstieglitz und Nordischer Dompfaff. Der 64-Jährige hält sie in einer großen Außenvoliere in seinem Garten in Aachen. Die artgerechte Haltung ist ihm wichtig.
Natürlich gebe es auch schwarze Schafe in der Szene, gibt er zu. "Ich habe mal jemanden kennengelernt, der züchtete seine Vögel in einem Käfig im Kinderzimmer. Das fand ich nicht gut und das habe ich ihm auch gesagt." Aber das sei schon über 30 Jahre her. "Heute ist der Druck der Öffentlichkeit viel zu groß, das kann sich doch keiner mehr erlauben, denke ich. Und die Leute haben auch mehr Geld in der Tasche, um ihr Hobby vernünftig zu betreiben."
Meine Tiere sind das ganze Jahr über draußen. Sie sind Wind und Wetter ausgesetzt, so wie in der freien Natur. Das macht sie robust und stark. Rainer Weber
Kritik an der Vogelzucht gibt es unter anderem von PETA, Deutschlands größter Tierrechtsorganisation. Auf ihrer Webseite heißt es, dass viele Zuchtvögel an gesundheitlichen Problemen leiden, weil das äußere Erscheinungsbild der Tiere im Vordergrund stehe. Zudem kritisiert PETA die Durchführung von Zuchtausstellungen, weil sie Stress für die Tiere bedeuteten.
Josef Hellenbrand, der Präsident des DKB, weist Kritik von sich. "Unsere Mitglieder lieben ihre Tiere", sagt er mit Nachdruck. Der Verein sorge mit seinen Strukturen dafür, dass Tiere aus schlechten Haltungsbedingungen sofort auffielen. Hellenbrand, der selbst seit vielen Jahren als Preisrichter im Einsatz ist, sieht auch keine Gefahr von Qualzucht. "Unser Ziel ist es, artgerechte Entwicklungen in der Zucht zu stärken. Genau das belohnen wir bei den Meisterschaften mit guten Noten."
Zuchtzeit - jetzt geht's rund
Weber selbst hat in all den Jahren unzählige Preise und Auszeichnungen gewonnen, mehrere Dutzend Pokale stehen in einer Vitrine im Arbeitszimmer. "Ich bin ein ehrgeiziger Typ und will immer das Beste geben, im Beruf und im Hobby." Dafür investiert der gelernte Koch und Konditor, der einen Cateringservice betreibt, viel Zeit und Geld. "Normalerweise hält sich der Zeitaufwand in Grenzen. Wenn ich es eilig habe, brauche ich zum Füttern und Reinigen nur ein paar Minuten. Es sei denn, es ist Zuchtzeit. Dann geht’s rund", sagt Weber.

Rainer Weber hält seine Vögel in einer großen Außenvoliere
Ende April, zur Paarungszeit, setzt er ausgewählte Tiere zusammen in kleinere Boxen. Nach etwa zwei Wochen beginnen die Weibchen damit, Eier zu legen, zu brüten und ihre Jungen aufzuziehen. Für Weber ist das eine arbeitsintensive Zeit. Denn er versorgt die Tiere dann mit besonders reichhaltigem Futter. "Das können geriebene Möhren sein, gequetschtes Ei oder geriebener Apfel. Ich gehe auch schon mal Löwenzahl oder Knöterich pflücken, das fressen einige Vögel auch ganz gern."
Seine Frau unterstützt ihn. Und sie akzeptiert auch die familiäre Urlaubssperre zwischen April und August. Weber lächelt, fast schon entschuldigend. "Da kann ich einfach nicht weg, da muss ich bei meinen Vögeln sein." In dieser Zeit verbringt er zweieinhalb Stunden am Tag mit der Versorgung der Vögel, die Futterkosten steigen auf bis zu 250 Euro im Monat, erzählt er. Doch dafür bekomme er von den Tieren etwas ganz Entscheidendes zurück.
Was löst der Anblick der Vögel bei Rainer Weber aus?
00:36 Min.. Verfügbar bis 06.02.2027.
Hat sich der Ehrgeiz gelohnt?
Zurück in den Messehallen in Bad Salzuflen. Weber bleibt vor einem der Käfige stehen und lächelt. Ein zierlicher, braungrauer Vogel mit einem markanten roten Kopf hüpft aufgeregt durch sein Gehege. Eine große, runde Rosette in den Deutschlandfarben hängt weithin sichtbar außen an den Gitterstäben.

Geschafft! Fünf Auszeichnungen hat Rainer Weber mit seinen Vögeln gewonnen
Der Stolz ist Weber anzusehen. "Hier haben gleich vier meiner Graukopfstieglitze einen Preis bekommen. Das ist ein toller Vogel, aber recht schwierig zu züchten. Auf diesen Preis bin ich besonders stolz." Am Ende wird Weber fünf Auszeichnungen mit nach Hause nehmen. Und bei der nächsten Meisterschaft ganz bestimmt wiederkommen.